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Weilheim
Dirndl-Nähkurs in Oberbayern

Dirndl sind die traditionellen Trachten Bayerns. Spezielle Nähkurse vermitteln, wie die Gestaltung funktioniert. Das Dirndl ist alles andere als statisch, sondern lehnt sich auch immer an die aktuelle Mode an.

Von Sibylle Kölmel |
    Menschen sitzen um Tische auf Bänken und Schunkeln, Frauen tragen Dirndl
    Schunkeln auf dem Oktoberfest: Auch Dirndl sind immer dabei. (dpa/picture alliance/Robert Schlesinger)
    - "Die drei Damen haben jetzt auch die Falten gesteckt, die werden vorne zuerst gesteckt und dann werden sie hinten noch mal gesteckt und mit einer Hüftrundung, da tut man die Falten hinten einfach ein bisschen nach unten schieben und stecken. Dann wird das automatisch ein bisschen rund – und dann wird einmal drüber genäht und dann kann man genauso weitermachen, wie die Hedwig. Dass man es dann ans Oberteil näht und dann anprobiert."
    - "Und hier wird's jetzt grad genäht? Da wird's grad genäht, ja."
    Weilheim, Oberbayern. Die dunklere Jahreszeit beginnt und damit auch die Nähkurssaison in der Schneiderei von Heidi Stellwag. Genauer: die Dirndl-Nähkurs-Saison. An diesem Freitagabend sitzen sieben Frauen an ihren mitgebrachten Nähmaschinen, sie sind unterschiedlich alt, sehr ambitioniert und meist hoch konzentriert. Auf Tischen, Knien, Stühlen liegen Stoffbahnen, in allen Farben, gemustert, uni. Und Nähzubehör. Man ist einheimische Dirndl-Näh-Anfängerin:
    - "Können Sie kurz erklären was sie grad machen?"
    - "Warten, dass Heidi kommt und sagt wie es weitergeht."
    - "Was ist das Schwierige gewesen?"
    - "Alles, was rund ist"
    "Sobald man da reinkommt und die Rundungen hat und die richtige Anleitung hat, dann wird das. Dann traut man sich das auch ein bisschen zu. Wird schon, hoffentlich."
    Einheimische Dirndl-Näh-Fortgeschrittene: "Ich habe schon ganz viele genäht. Ich bin auch so ein Dauergast wie die Hildegard. Und wir haben es heute schon mal festgestellt, das ist im Herbst und im Frühjahr, wenn die Heidi die Kurse anbietet, ist das so wie ein besonderes Hobby oder eine Sucht. Man muss dann hierher. Und dann kann man wirklich auch abschalten. Und alles vergessen. Und dann ist man nur hier und macht das."
    Oder Nicht-Einheimische Dirndl-Näh-Anfängerin – wie diese Teilnehmerin, die ursprünglich aus Niedersachsen stammt – den Kurs ihrer bayerischen Freundin geschenkt hat und wacker mit dem blaugemusterten Stoffberg vor sich, aus dem ihr Dirndl-Rock entsteht, ringt:
    "Diese ganze Stoffmenge zu bewältigen, weil das immer runterzieht, da habe ich echt Probleme. Und diese ganzen Falten hier zu verarbeiten, ohne sich zu vertun, das ist schon schwierig. Also ich mache es zum ersten Mal."
    Alle Frauen hier eint: Die Liebe zu einem zutiefst weiblichen, für viele immer auch erotischen Kleidungsstück, das ursprünglich bäuerliche Arbeitskleidung war. Und hier im Nähkurs und in vielen Regionen in Bayern noch immer heiß verehrt wird:
    "Ich ziehe mein Dirndl zuhause relativ häufig an, weil ich habe ein Musikerdirndl, und somit Musik spielen gehe. Und ansonsten privat eigentlich immer, wenn ich Lust darauf hab. Das kann auch mal an einem Sonntag sein, wo ich sage, heute ist Erntedank oder so. Oder zu einer Geburtstagsfeier, die ist irgendwo im Oberland, wo man sagt, da gehe ich im Dirndl."
    Und Heidi Stellwag, die Kursleiterin, Damen- und zusätzlich ausgebildete Trachtenschneiderin, sagt:
    "In Weilheim spielt es nicht so eine große Rolle, aber ringsrum ist es eigentlich schon noch so, dass ganz ganz viele Dirndl anziehen, egal, wo, wenn sie auf ein Fest gehen, wenn sie in die Wirtschaft gehen. Wenn eine große Veranstaltung ist, ist es bei uns eigentlich schon noch immer das Gewand, wo man einfach gut angezogen ist."
    Das sehen die Männer auf Weilheims Straßen ähnlich:
    - "Es gibt wenig Frauen, denen ein Dirndl nicht steht. Solange es nicht als Verkleidung getragen wird, sondern eher als als Zeichen der Tradition verstanden wird."
    - "Ob dick oder schlank, ein Dirndl steht allen – mit Oberweite und Balkon vor der Hütte und ... Aber es muss ein bisschen Original sein. Nicht zu kurz. Es muss Tracht Tracht bleiben."
    - "Schaut hübsch aus, ist Tradition, es gehört zu Bayern, ist so. Es schaut halt gut aus."
    Historie des Dirndl
    Wer tiefer in die Historie des Dirndl-Gewandes eintauchen möchte, sollte ins nahegelegene Benediktbeuern fahren. Dort befindet sich vor traumhafter Wiesen- und Kühe-mit-Kuhglocken-auf-der-Weide-Kulisse am Fuße der Benediktenwand und in altem Gemäuer das Trachteninformationszentrum des Bezirks Oberbayern. Geleitet von Alexander Wandinger:
    "Wir sind hier im Meyerhof im Kloster Benediktbeuern. Zu uns kommen alle, die sich für Tracht interessieren, vom Modestudenten aus Florenz bis zum Trachtenverein, von der Dirndlschneiderin bis zum Goldschmied."
    Alexander Wandiger ist ausgewiesener Kenner des, so sagt er, grundsätzlich einteiligen Kleidungsstückes. Das Dirndl-Gewand ist:
    "Ein Kleid aus Oberteil und Unterteil, also zusammengenäht, dazu eine Bluse oder auch keine Bluse. Das Dirndl ist nicht zweiteilig, ist ursprünglich ein Arbeitsgewand. Und erst um 1910, 1915 kommt es über die österreichische Trachtenmode wieder nach Bayern. Und wird erstmals zur Trachtenmode."
    Die Stoffe: anfangs einfaches, primitives Leinen, einfache Baumwollstoffe, zum Teil farbig bedruckt. Ab 1915 dann kommen geblümte Dirndl-Gewand-Stoffe auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstehen die sogenannten Wasch-Dirndl: Aufgrund der Stoffknappheit nähte man die Dirndl aus Bettwäsche. Und dann, so Alexander Wandinger, beginnt eine Art Revolution:
    "Ein ganz großer Bruch entsteht 1960 bis 65, bis 1970. In dieser Zeit wird das Mini-Dirndl geboren, das Mini-Dirndl, eine Entwicklung zur Mini-Mode der 60er-/70er-Jahre. Und hier haben wir dann natürlich auf einmal ganz verrückte Stoffe. Auch in den 70er-Jahren. Lurexstoffe, total verrückte durchgeknallte Stoffe mit allen Farben, die sie sich vorstellen können."
    Dirndl als Begleiter der allgemeinen Mode
    Und das sei dann auch das Besondere am Dirndl:
    "Die Mode war immer Teil der Dirndl-Tracht. Das Dirndl-Gewand ändert sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, von Generation zu Generation. Bleibt immer so der allgemeinen Mode verhaftet. Und es gäbe es nicht mehr, wenn es sich nicht der allgemeinen Mode angepasst hätte."
    Heidi Stellwag und ihre Nähkursfrauen nähen in Weilheim zwar kein Mini-Dirndl, Variationsmöglichkeiten gibt es dennoch schier unendlich viele, vor allem am Oberteil.
    "Ich meine, wir können am Rock auch experimentieren, in dem wir mal andere Falten machen oder unten noch Borten drauf oder einen falschen Saum oder ein Kittelblech, das rausschaut. Kittelblech ist einfach ein falscher Saum, der mit einem anderen Stoff gemacht wird, der kann jetzt rausschauen, der kann jetzt nur innen sein. Wenn es beim Tanzen schwingt, damit mal ein bisschen was blitzt. Aber am meisten experimentieren kann man am Oberteil."
    Das zu nähen, ist außerdem am Aufwendigsten und kann bis zu 20 Stunden dauern. Denn: Wenn das Oberteil nicht sitzt, dann sitzt das ganze Dirndl nicht. Und wie ist das denn jetzt eigentlich mit dem Ausschnitt und dem Busen und dem Dirndl?
    "Es gibt Dirndl, die genau an der Brustspitze enden – da braucht man dann eine schöne Bluse – oder man ist frech und macht die Bluse auch noch auf. Ich tue immer mit der Kundschaft lang reden. Ich tue immer mit der quasi ihr ihre Vorstellungen ein bisschen aus dem Kopf rausziehen und dann tun wir miteinander das erarbeiten. Und ich tue erst ausschneiden den Ausschnitt, wenn wir das probieren. Das die Kundschaft drinsteht in dem Kleid und erst dann sieht: Was möchte ich haben. Und dann wird auch nicht gleich geschnitten, sondern es wird großzügig, das heißt mit viel Zugabe, erst einmal weggeschnitten. Dann tue ich ihr das hinein und feststecken und sage, so jetzt schauen sie in den Spiegel, gefällt ihnen das."
    In Tutzing, in der Gemeinde am Westufer des Starnberger Sees, 20 Autominuten von Weilheim entfernt, führt Ulrike Stadler ein Handarbeits-, Wäsche- und Stoff-Geschäft. Sie kennt sich aus mit Dirndl-Gewändern, Zubehör und mit Dirndl-Oberteilen. Bei ihr zu kaufen gibt es auch spezielle Dirndl-BHs:
    "Ja, der gehört dazu, weil man muss ja ein bisschen einen schönen Balkon haben. Der Dirndl-BH der schaut so aus dass er die Träger hauptsächlich an der Seite hat. Dann drückt es die Brust also schön in die Mitte, gibt eine Stabilität. Und man hat also dadurch ein wunderschönes Dekolleté."
    Ulrike Stadler sagt, dass das Dirndl die Frau sich sehr weiblich fühlen lässt.
    "Also, ich fühle mich im Dirndl einfach am wohlsten. Das gibt mir Selbstbewusstsein, hebt mich auch von den anderen ab, die immer bloß mit der Hose daherkomme."
    Und Carola Falkner von der Tutzinger Gilde, dem Heimat- und Trachtenverein, beschreibt es so:
    "Der Rock ist weit, der dreht sich, das ist ... ja, das schnürt an den richtigen Stellen, das macht auch die Figur einfach irgendwie fraulicher, auch, wenn man jetzt sonst in Jeans gar nicht so ausschaut. Das macht schon ... ja, man fühlt sich weiblicher, ja, das stimmt. Auch, wenn man sonst dann immer Hosen anhat. Da ist so ein weiter Rock. Und dann schwingt der so. Und dann hat man so eine Gegenbewegung, das macht schon was mit einem, das stimmt."
    Noch mal zurück nach Weilheim zu den Dirndl-nähenden Frauen. Das was da an Röcken und Oberteilen vor ihnen auf den Tischen liegt nimmt langsam Form an und sieht sehr ordentlich aus. Das findet auch Heidi Stellwag:
    "Ja, schaut gut aus. Wir müssen jetzt auch noch messen, ob wir die Taille richtig gemacht haben. Ansonsten ist Petra ja auch sehr versiert im wieder auftrennen."