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Weniger drin als draufsteht

In knapp einem Drittel der Speiseölflaschen ist zu wenig Inhalt. Das hat die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen festgestellt, als sie in Supermärkten und Discountern 100 Flaschen Raps- und Olivenöl überprüfte. Die Verordnung für verpackte Lebensmittel erlaubt Abweichungen.

Von Susanne Kuhlmann | 11.01.2013
    Mal zu wenig, mal zu viel, mal genau passend - das ist das Ergebnis der Stichprobenuntersuchung zur Füllmenge von Speiseölflaschen, die die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zusammen mit dem Eichamt gemacht hat. Nora Dittrich ist bei der Verbraucherzentrale für Fragen des Lebensmittelrechts zuständig:

    "Uns geht es darum, dass es diese 28 Flaschen gab, wo zu wenig drin ist und dass es letztendlich Verbraucher geben kann, die immer Pech haben und immer die Flasche ziehen, wo zu wenig drin ist. Da sagen wir ganz klar, dass das nicht sein darf."

    Innerhalb eines bestimmten Toleranzbereichs darf die Füllmenge allerdings nach unten und nach oben abweichen. Es gilt das sogenannte Mittelwertprinzip; und das bedeutet, dass zu wenig Öl in der einen Flasche durch zu viel Öl in einer anderen wieder ausgeglichen wird.

    Bezugsgröße ist die Nennfüllmenge, die auf der Verpackung steht; beim Speiseöl beispielsweise 500 oder 750 Milliliter. Dasselbe Prinzip gilt für andere verpackte Lebensmittel wie Käse, Joghurt oder Mehl. Ob beim Abfüllen alles mit rechten Dingen zugeht, wird in den Herstellerbetrieben regelmäßig kontrolliert.

    Abweichungen von der genannten Füllmenge lassen sich aber gar nicht vermeiden, erläutert Marcus Girnau, Geschäftsführer beim Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde:

    "Zum einen dürfen die Packungen nur so hergestellt werden, dass die Füllmenge zum Zeitpunkt der Herstellung im Mittel die Nennfüllmenge nicht unterschreitet. Das heißt, die Eichbehörden gehen in die Betriebe rein, ziehen Stichproben innerhalb von einer Stunde und überprüfen dann: Liegen die Füllmengen, die gefunden werden im Mittel über dem angegebenen Wert. Das heißt, wenn ich eine 1000-Gramm -Packung habe, dürfen einige Packungen unterhalb von 1000 Gramm liegen. Dafür müssen andere aber überfüllt sein, um im Schnitt die 1000 Gramm zu treffen in den Stichproben."

    Zwar ist das Abfüllen von Lebensmitteln ein vollautomatischer Prozess, aber auf Milliliter und Gramm genau lassen sich Puddingpulver, Getreideflocken und Trockenfrüchte nicht abwiegen.

    "Beispielsweise haben wir unterschiedliche Stückgrößen bei bestimmten Produkten. Wir haben pulverförmige Produkte, wo bestimmte Sachen hängen bleiben können in der Zuleitung, dass man nicht absolut immer den gleichen Wert trifft. Oder wir haben auch Austrocknungsprozesse innerhalb der Produkte, dass Produkte nachtrocknen, nach der Verpackung sich beispielsweise Füllmengen verändern. Die werden in der Produktion schon mit berücksichtigt. Aber es trägt eben dazu bei, dass aus produktionstechnischen Gründen nicht immer genau die Menge getroffen werden kann. Wir fordern, das muss möglich sein, und wir fordern auch, dass in jeder Flasche mindestens das drin sein muss, was auch drauf steht."

    Verbraucherschützer wie Nora Dittrich wollen das Mittelwertprinzip abgelöst wissen. Anstatt im Durchschnitt aller Verpackungen das richtige Gewicht zu haben - also manchmal mehr und manchmal weniger als angegeben - wünschen sie sich das Mindestmengenprinzip. Danach müssten in jedem 200 Gramm Becher Sahne mindestens 200 Gramm sein, in keinem einzigen weniger.

    Marcus Girnau vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde kann den Wunsch nach möglichst genau abgepackten Produkten nachvollziehen, erwartet aber keine Veränderung der Vorschriften:

    "Wir haben einen europaweiten Ansatz, der das geltende Prinzip hier fortschreibt, und das soll einen Ausgleich herstellen zwischen produktionstechnischen Schwierigkeiten, die bei den Herstellern bestehen und dem Verbraucherinteresse, immer möglichst genau die Nennfüllmenge zu treffen. Das war wahrscheinlich auch der Grund, warum sich die Mitgliedstaaten seit mehreren Jahren auf das geltende Prinzip geeinigt haben."

    Die Eichämter überprüfen gezielt Betriebe, mit denen es in der Vergangenheit Probleme gab. Den Rest besorge der Wettbewerb der Hersteller untereinander, meint Marcus Girnau.

    "Da hat die Konkurrenz ein Interesse, das nicht der Wettbewerber gezielt unterfüllt und damit mehr für sein Produkt bekommt als er. Und auch aus Wettbewerbsgesichtspunkten besteht schon ein Interesse, dass möglichst genau abgefüllt wird."