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Wer zuletzt lacht, lacht am längsten

Der Volksmund weiß: Lachen ist gesund. Humor verbindet und trennt Menschen in allen Kulturen, auf allen Kontinenten und Entwicklungsstufen. Überall wird gelacht und gescherzt. Wie der Humor wissenschaftlich erklärt werden kann, was der Humor bewirken kann und warum der Humor gerade typisch für die Gattung Mensch ist, damit beschäftigt sich seit über 20 Jahren die Wissenschaft.

Von Grit Kienzlen | 26.02.2006
    Natürlich sind die Leute zu Dieter Nuhr gekommen, weil sie lachen wollen. Der Mensch giert nach Humor, er schafft ganz bewusst Gelegenheiten dafür und ist sogar bereit, Geld dafür zu bezahlen. Insofern, bemerkte der amerikanische Linguist Wallace Chafe, ähnelt die Freude am Spaß der erotischen Freude.

    Humor verbindet und trennt Menschen in allen Kulturen auf allen Kontinenten und Entwicklungsstufen. Überall wird gelacht und gescherzt, jeden Tag, fast jede Stunde. So allgegenwärtig ist der Humor, und gleichzeitig so eigentümlich für die Gattung Mensch, dass er ihr in der Evolution zu irgendeinem Vorteil gereicht haben muss; genau wie die Sprache oder der aufrechte Gang. Aber zu welchem?

    "Wenn sie sich mal die Physiologie des Lachens ansehen, dann ist die völlig anomal. Die meisten Emotionen setzen Energien frei, um etwas zu tun. Angst etwa bereitet auf Flucht oder Kampf vor. Wut ebenfalls auf Kampf und Bewältigung. Aber worauf bereitet das Lachen vor? Auf gar nichts. Tatsächlich geschieht das Gegenteil. Die Muskelspannung sinkt, Gelächter stört die Blutzirkulation und Atmung. Von einem Darwinistischen Standpunkt aus gesehen erscheint Gelächter also eher ein Anpassungshemmnis zu sein. Wir werden dadurch auf keinerlei Handlung vorbereitet. Lachen nützt nur, wenn es hilft überzogene Erregung zu unterbinden. "

    So John Morreall, der derzeit den Lehrstuhl für Theologie am College of William and Mary in Virginia inne hat und der Internationalen Gesellschaft für Humorstudien vorsitzt. Damit greift er wiederum einen Gedanken von Wallace Chafe auf: Humor hält uns davon ab, Dinge zu tun, mit denen wir uns in einer bestimmten Situation eher schaden würden. Er glättet die Wogen, entspannt die Lage.

    "Das Lachen entstand beim Menschen, als wir in kleinen Stämmen lebten und zwar als Signal dafür, dass etwas, was bedrohlich wirkte, nicht wirklich bedrohlich war. Das erklärt auch, warum Lachen ansteckend ist.

    Warum entstand Lachen als lautes stimmliches Signal? Der Wissenschaftler Robert Provine zum Beispiel weißt in seinem Buch: "Lachen, eine wissenschaftliche Untersuchung" darauf hin, dass sich Lachen von jeder anderen Vokalisation unterscheidet.Ha ha ha klingt anders als alles andere. Und man hört es über weite Strecken. Wenn Sie mich lachen hören, werden Sie wahrscheinlich auch damit anfangen und zwar bevor Sie wissen, worüber ich eigentlich lache. Lachen hat also diese Eigenschaft, sehr ansteckend zu sein. Und deshalb schlägt Provine vor, was auch meine Arbeit und die anderer Wissenschaftler ergeben hat, dass das Lachen in den ersten menschlichen Gesellschaften die Funktion hatte, etwas herunterzuspielen, es abzutun, die Bedrohlichkeit heraus zu nehmen."
    Das soll ausschlaggebend gewesen sein für das Überleben der Gattung Mensch, ist John Morreall überzeugt.

    "Humor ist ein Weichzeichner, er relativiert die Dinge, gibt uns mentale Distanz dazu und ermöglicht uns einen spielerischen Umgang damit. Deshalb brauchen wir ihn gerade in Krisenzeiten. Bei Naturkatastrophen - ich habe in mehreren Studien untersucht, wie die Leute in Hawai auf Vulkanausbrüche und Flutwellen reagieren – und die Leute machen sich darüber lustig, um sich gegen die negativen Emotionen zu schützen."

    Humor als Bewältigungsmechanismus. Galgenhumor als Ursprung allen Gelächters, als Taktik mit den Unzulänglichkeiten des Lebens zurechtzukommen. Ist es das? Im Kabarett spielt er diese Rolle, etwa wenn Urban Priol Krisensituationen beschreibt, die den Deutschen zu schaffen machen:

    "Konnten wir das Lokal nicht aufmachen, kam die Bauaufsicht und hat gemeint: Keine feuerfeste Decke. Haben wir schnell nachträgliche eine F30 Decke eingezogen, kamen sie wieder und haben bemängelt, dass die Raumhöhe nimmer stimmt. Kaum waren die fort, kam das Ordnungsamt: Wo ist der Sozialraum für das Personal? – Also der Raum, wo immer leere Kartons gestapelt werden. Habe ich gesagt: Komm, nicht über den Sinn nachdenken, Wand durchbrechen, Sozialraum einrichten. Kam wieder die Bauaufsicht: Ist das mit unseren Statikern abgesprochen? Ich wollte doch nur was machen! Weil unser Kanzler seit Jahren an die Eigeninitiative appelliert: Es geht nicht, dass in unserem Land alle immer nur sagen, was nicht geht. Jeder muss sagen, was er tun kann, damit was geht."

    Mit der Bundeskanzlerin dürfte Urban Priol stimmliche Probleme haben. Die Appelle ans Volk sind die gleichen geblieben. Glaubt man den Humorforschern, dann haben die Probleme im Land, die negative Stimmung viel mit einem Mangel an Humor zu tun. Zumindest ist der eindeutig bei depressiven Patienten festzustellen.

    "Ein interessantes Merkmal psychiatrischer Kliniken ist, dass es dort so wenig Humor gibt. Ein Patient mit psychischen Problemen hat typischerweise die Fähigkeit verloren, über sein jetzt und hier und ich hinaus zu denken. Er ist in seine individuelle Perspektive eingeschlossen, anstatt die Dinge im großen Zusammenhang zu sehen. Humor könnte der menschlichen Evolution also auch zuträglich gewesen sein, indem er diese objektive Sicht gefördert hat."

    Willibald Ruch, Humorforscher und Psychologie-Professor an der Uni Zürich hat einmal den Versuch unternommen, diese Funktion des Humors, als Puffer gegen die Widrigkeiten des Alltags und gegen unsere eigenen Unzulänglichkeiten im Experiment nachzuweisen.

    "Wir haben denselben Versuch einmal in einem sehr heiteren Raum durchgeführt und zu den Probanden gesagt: Die letzte Versuchsperson ist noch nicht fertig, wir müssen noch einen Ersatzraum suchen; und es gab dann zwei Ersatzräume. Der eine war halt, dass wir gesagt haben, da findet heute eine Diplomabschiedsfeier statt und der Raum war schon sehr hell eingerichtet mit vielen Farben und eher einem Party-Setting. Und der andere Raum, in dem Leute getestet wurden, war halt ein Wahrnehmungslabor, komplett schwarz ausgemalt mit so einem wackeligen Eisentisch mit einer Lampe ohne Lampenschirm, einer vertrockneten Blume drauf. "

    "Und für eine halbe Stunde wurde eigentlich dasselbe gemacht, ein Fragebogen ausgefüllt, ein paar Aufgaben gelöst; aber wir hatten auch zwei Stimmungsfragebögen, einen am Anfang und einen gegen Ende des Versuchs und da hat sich einfach gezeigt, dass die Leute, die mehr Sinn für Humor haben, ihre gute Laune auch in diesem widrigen Raum behalten haben und die Leute, die im selben Raum waren, aber weniger Humor hatten, deren Stimmung hat sich einfach vom Anfang bis zum Ende radikal verschlechtert."

    Damit ist zweifelsohne eine Funktion des Humors nachgewiesen. Noch lange nicht geklärt ist, ob sich Humor tatsächlich aus diesem Grunde entwickelt hat. Deshalb noch einmal zurück in die Frühgeschichte des Menschen. Zur Evolution des Humors:

    "Darüber haben wir eigentlich ganz unterschiedliche Ideen und viel zu wenige Ideen. Es gibt einige Theorien, bessere Theorien sogar zum Lachen, Lachen war einfach ein Spielsignal. Es gibt zum Beispiel Schimpansenforscher, die sagen, dass das Lachen als Teil dieser Raufspiele - man balgt sich, man trainiert Aggression ein und damit aber nichts passiert, wenn ich meinen Kiefer an den Hals des anderen lege, muss der andere auch wissen, ich werde nicht zubeißen und aus dieser ambivalenten Situation - Anspannung, Entspannung, Angst haben, keine Angst haben, kommt eben das Luft anhalten, auslassen, anhalten.

    Und das hat sich als Signal ritualisiert, ist einfach ein Symbol geworden für: Das ist nicht ernst. Und daraus soll sich nach diesen Theorien das Lachen entwickelt haben."

    Die meisten Forscher sehen den Spieltrieb als direkten Vorläufer des Humors. Bei Fleisch fressenden Arten ist der Spieltrieb bis heute deutlich ausgeprägter als bei Herdentieren.

    "Wenn Löwen lernen würden, wie sie sich gegenseitig umbringen, würde die Art verschwinden. Sie brauchen also eine Möglichkeit, die Rangordnung festzulegen und wer sich mit den Weibchen paaren darf, ohne sich dabei zu gefährden. Da liegt also die Parallele zwischen Humor und Verspieltheit bei Tieren."

    In Kalifornien gibt es eine Gorilla-Dame namens Koko, die etwa 1000 Zeichen der Taubstummensprache erlernt hat. Von Koko wird berichtet, dass sie sich Spottnamen für ihre Pfleger ausgedacht hat. Ihre Betreuer legen ihr das als Humor aus. John Morreall sieht es so ähnlich. Voraussetzung für die Entwicklung von Humor beim Menschen war der aufrechte Gang, die dadurch möglich gewordene Entwicklung des Kehlkopfes zum Sprechapparat, und der Spracherwerb:

    "Menschenaffen, die das Kommunizieren gelernt haben, haben eindeutig Humor. Gilt das auch für Menschenaffen die keine Zeichensprache beherrschen? Ich würde sagen, nein. Verspieltheit finden wir bei Menschenaffen, aber auch vielen anderen Tiergruppen. Aber Verspieltheit ist nicht gleich Humor.

    Humor setzt die Fähigkeit voraus, Freude an etwas zu haben, etwas zu genießen, das deplaziert ist; etwas, das nicht unseren Erwartungen entspricht. Wir nennen das die Incongruenz-Theorie des Humors. Der zufolge bedeutet Humor, die Inkongruenz, die Unvereinbarkeit, die Unstimmigkeit eines Sachverhaltes zu genießen. Ich glaube, Menschenaffen zeigen das noch nicht."

    Die Inkongruenz-Theorie beschreibt nicht die Evolution des Humors, sondern die mentalen Prozesse, die ihm zugrunde liegen. Demnach gibt es in allem Humor eine Diskrepanz zwischen Erwartungen und neuer Information oder Erlebnissen. Bilderwitze enthalten diese Inkongruenzen ebenso wie Sprachwitze.

    "Irgendwann entwickelte der Mensch diese Fähigkeit seine Erwartungen verletzt zu sehen und davon überrascht zu sein, aber nicht mit Angst oder Ärger zu reagieren, sondern Spaß an der Überraschung zu haben. Und darum geht es beim Humor. Humor bedeutet überrascht zu sein und das zu mögen."

    Humor entsteht hier beim österreichischen Kabarettisten Joseph Hader, wenn etwas nicht zusammen passt. Aber er entsteht dann nicht zwangsläufig. Wenn ich meinen Schlüssel morgens nicht am erwarteten Platz finde, finde ich das nicht unbedingt komisch.

    Ein Rätsel enthält ebenso Inkongruenzen wie ein Witz, aber die verursachen Kopfzerbrechen, nicht Heiterkeit. Warum und vor allem wann Inkongruenz komisch ist und wann nicht, dazu können die Humorforscher bislang nicht viel sagen. Appletree Rodden, versucht es und kommt dabei wieder auf die menschliche Unzulänglichkeit zu sprechen, sowie auf Gemeinsamkeiten zwischen Humor und Religion.

    "Irgendwie hat es zu tun mit unserer begrenzten Menschheit und ich glaube die Möglichkeit, diese Begrenztheit, die wir erkennen irgendwie in eine Geschichte einzuflechten und zu sagen: Ja wir müssen sterben, aber das ist nicht so schlimm und irgendwie damit spielerisch umzugehen, ist ein Geschenk von Evolution."

    Bei Appletree Rodden offenbaren schon die Inkongruenzen im Lebenslauf Sinn für Humor. Er hat eine Prediger-Lizenz der Methodistenkirche in Texas, studierte Biochemie und forschte in der Psychiatrie von Stanford, bevor er als professioneller Balletttänzer unter anderem ans Staatstheater in Kassel ging. In Deutschland studierte er Medizin und arbeitete als Neurochirurg, um dann eine Stelle als Dorfarzt in Burkina Faso anzutreten.

    Mit der Psychiatrie-Ärztin Barbara Wild in Tübingen untersucht er heute den Humor anhand von Gehirnaktivitäts-Bildern. Auf dem Gebiet sind die beiden Pioniere. Was passiert im Gehirn, fragen sie, wenn wir etwas komisch finden? Ihren 13 Versuchspersonen haben sie Cartoons des amerikanischen Zeichners Gary Larson vorgelegt. Damit aktivierten sie natürlich die Bild verarbeitenden Zentren im Hirn. Aber nicht nur die.


    "Wenn man einen Cartoon betrachtet, von dem man dann hinterher sagt, dass er witzig ist, dann werden Regionen aktiviert, hauptsächlich in der linken Hälfte des Gehirns. Diese Region wird zum Beispiel auch aktiviert in Experimenten, wo es darum geht, die Intention von anderen Menschen zu erkennen oder Sinnzusammenhänge herzustellen. Eine zweite Region ist weiter vorne im Bereich des Stirnhirns in der Nähe des dort liegenden Sprachzentrums, und dieses Gebiet hat wahrscheinlich auch etwas damit zu tun, Zusammenhänge zu verstehen, komplexere Abfolgen in einen logischen Zusammenhang zu bringen."

    Da versucht das Gehirn also möglicherweise, die Inkongruenzen zu ordnen. Wilds und Roddens Experiment ging aber noch weiter. Die beiden filmten während der Messungen die Gesichter der Probanden und stellten damit fest, ob ihnen die Cartoons auch ein unwillkürliches Lächeln, gar ein Lachen entlockt hatten. Ergebnis: Wenn die Testpersonen lächeln mussten, leuchteten zusätzlich emotionale Teile des Gehirns auf. Im Magnetresonanztomographen wird der Unterschied zwischen einem Witz, der nur verstanden wurde und einem solchen, den man wirklich komisch fand, sichtbar.

    "Die Cartoons, wo nicht gelächelt wurde, die aber schon als Witz erkannt wurden, da waren dann eben nur diese Gebiete in der linken Hirnhälfte aktiv, die mehr was mit dem Verstehen von Zusammenhängen zu tun haben. Und es ist ja auch so, dass bei erzählten Witzen, aber auch solchen visuellen Witzen wie den Cartoons, man oft zunächst mal stutzt - das passt nicht ganz zusammen. Beim Witz kommt dann die Pointe und beim Bild fällt der Blick auf einen bestimmten Anteil des Bildes und dann kommt so eine Aha-Reaktion und man fügt das, was vorher verwirrend und unverständlich war zusammen, und das ist wahrscheinlich das, was diese Gebiete in der linken Hirnhälfte machen."

    Es ist nicht leicht, solche Gehirnbilder richtig zu interpretieren, vor allem dann nicht, wenn das Gehirn so komplexen Aktivitäten nachgeht wie Nachdenken, Schlüsse ziehen oder eben humorvolle Bezüge zu begreifen. Andererseits sieht die Ärztin Barbara Wild hier eine Möglichkeit, den vielen Theorien zum Humor überhaupt einmal handfeste Daten gegenüber zu stellen.

    "Wie entsteht denn eigentlich Humor, wie kann man Humor greifen, was gehört alles dazu? Die Linguisten versuchen mathematische Modell zu formulieren, mit denen das möglich ist; und ich würde mir schon langfristig erhoffen, dass die funktionelle Bildgebung eine Möglichkeit ist, auch diese Modelle zu testen - also dann hinzugehen und zu fragen: Wie werden diese Areale durch unterschiedliche Arten von Humor aktiviert, oder auch: Welche anderen Tätigkeiten aktivieren diese Areale auch noch? Wo besteht da noch ein Zusammenhang? Welche Fähigkeiten werden da benötigt?"

    Humorforschung ist schwierig. Das beginnt schon bei der Definition. Wenn Willibald Ruch in Zürich humorvolle Testpersonen mit eher humorlosen vergleicht, wie kann er diese Einteilung machen? In der Regel geschieht das mit Hilfe von Fragebogen. Doch die müssen subtil formuliert sein, denn niemand spricht sich gern selbst den Humor ab.

    "Das wurde öfter demonstriert - also zum Beispiel, wenn man jetzt 100 Leute fragen würde, ist Ihr Humor unterdurchschnittlich, durchschnittlich oder überdurchschnittlich ausgeprägt, dann wäre es rein technisch ja nur möglich, dass 50 Prozent überdurchschnittlich sind und nicht mehr. Bei solchen Studien zeigt sich aber, dass über 93 Prozent sagen: Mein Humor ist durchschnittlich bis überdurchschnittlich. Wir schreiben uns gerne selbst diese Eigenschaft zu und das macht natürlich dann die objektive Erfassung schwierig."

    Alle Menschen wollen humorvoll sein und sie suchen die Nähe von humorvollen Menschen. Besonders springt das bei Bekanntschaftsanzeigen ins Auge:

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    "Die Schwierigkeit ist auch, gerade bei diesen Kontaktanzeigen, wenn man sagen würde, ich suche jemanden mit Humor oder ich bin eine Person mit Humor: Weil der Begriff Humor so schwammig ist, kommuniziert man ja eigentlich nur: Ich suche einen netten Menschen, der umgänglich ist und nicht oft wütend und böse ist. Das heißt, was man hier wirklich unter Humor versteht, bleibt ja ganz offen und weil der Begriff so vage ist, kann jeder etwas hinein projizieren. Und umgekehrt - wenn man selbst von sich behauptet, dass man Humor hat - der kann ja so unterschiedlich sein; also ich kann selbst humorvoll sein, weil ich über jeden Unsinn lache in meiner Selbstwahrnehmung, ich kann humorvoll sein, weil ich aus einer ernsten Situation eine humorvolle Wendung erzeugen kann und viele andere Komponenten.

    Humor ist aber wahrscheinlich auch eine Einstellung zum Leben – Temperament, wie wir uns typischerweise verhalten, das heißt, wenn man Humor umfassend erfassen will, dann muss man all diese verschiedenen Ebenen anschauen und so weit sind wir eben noch nicht."

    Trotzdem: Bei der Partnerwahl spielt das miteinander lachen können eine wichtige Rolle - worüber auch immer. Humorvolle Menschen müssten demnach in der Evolution mehr Erfolg bei dem gehabt haben, was Charles Darwin die "Sexuelle Zuchtwahl" nannte. Ein Mann mit Sinn für Humor demonstriert potentiellen Partnerinnen seine mentale Flexibilität und Offenheit für Erfahrungen, Zeichen für psychologische Gesundheit und Reife, die übermäßig ernsthaften Personen oft fehlen. Stabiler sind Partnerschaften mit humorvollen Menschen deshalb noch lange nicht:

    "Also es gibt einen kanadischen Kollegen, der hat zum Beispiel die Dauer von Partnerschaften untersucht, auch zwischen Collegestudenten meistens, die halt davon abhängt, ob die Leute einen eher sozialen oder eher aggressiven Humor haben. Was herauskam ist dass zum Beispiel Paare schneller auseinandergehen, wo der Mann einen eher aggressiveren Humor hat, aber dasselbe war der Fall für einen eher geselligen Humor. Das heißt gerade Männer, die eher lustig sind, sozialen Humor verwenden, haben auch kürzere Partnerschaften und das ist etwas, was man nicht erwarten würde."

    Woran das liegt, darüber kann nun wieder trefflich spekuliert werden. Entscheidend für die Weitergabe von Genen ist das aber nicht. Da zählt, ob humorvolle Menschen schneller wieder eine Partnerin oder einen Partner finden – und das tun sie.
    Überhaupt sind die sozialen Funktionen von Humor unübersehbar. Man denke nur an den Insider-Witz, der das Gruppengefühl stärkt. Auch das politische Kabarett operiert viel mit Insider-Wissen über politische Ereignisse. Wer nicht informiert ist, darf nicht mitlachen:

    " Ja aber diese Merkel ist gefährlich für Deutschland, weil sie ist gegen alles. Ja will sie nicht Türkei in EU. Ist sie extra gefahren nach Türkei und hat gesagt: Bleibt daheim. Und dann hat sie gesagt zu Türkei, kannst Du haben privelligierte Partnerschaft. Das ist wie Homoehe. Sagst Du mal zu Türke: Willst Du Homoehe."

    Humor schafft Solidarität innerhalb einer Gruppe und dient gleichzeitig dazu, die Gruppe gegen andere Gruppen abzugrenzen. Gruppen nämlich, die den Witz nicht verstehen, weil ihnen das Insider-Wissen dazu fehlt. Ein anderes Beispiel für soziale Ausgrenzung durch Humor sind die so genannten ethnischen Witze, obwohl die, die da übereinander spotten selten als ethnisch unterschiedlich bezeichnet werden können. Gemeint sind die Österreicher-Witze der Bayern, die Belgier-Witze der Franzosen, die Schotten-Witze der Briten. Der britische Humorforscher Christie Davies hat darauf aufmerksam gemacht, dass sich hier nicht etwa Erbfeinde mit humorvollen Mitteln gegeneinander in Stellung bringen, sondern es sind typischerweise Nachbarn, die sich so voneinander abgrenzen.

    "Grüß Gott, wie man bei mir daheim gern sagt. Ich find des immer wieder schön, dass da, wo so gebabbelt wird – dass des Bayern ist. Doch, Aschaffenburg, so Ascheberg, Bayrisch-Hessisches Grenzland. Aber ich freu mich da – jedes Mal – neulich war ich wieder in Garmisch, habe ich gesagt: Servus Landsleut’, hier kommt ein waschechter Bayer – da merkst Du schlagartig, was Rassismus bedeutet."

    Der britische Biologe John Hewitt hat eine eigene sehr komplexe Theorie zur Evolution des Humors entwickelt. Deren zentrales Element ist die Abgrenzung einer Gruppe von einer anderen durch Humor. Er glaubt an eine soziale und kulturelle Evolution des Menschen, bei der nicht nur die Weitergabe von Genen, sondern auch die von Gruppen-spezifischem Wissen einen entscheidenden Überlebensvorteil für die Gruppe bedeutet hat.

    Seine Thesen versucht er durch Beobachtungen bei Naturvölkern zu belegen, bei denen väterliche Erblinien eingehalten werden. Humorvolle Beziehungen treten dort dem Anthropologen Mahadev Apte zufolge nicht unter engen Verwandten auf, sondern vor allem unter nicht verwandten Heranwachsenden gleichen Alters und zwischen Jugendlichen und ihren Onkeln mütterlicherseits, die ja nicht der gleichen väterlichen Abstammungslinie angehören. Dabei sind die Onkel meist Ziel kleiner Sticheleien und Streiche.

    Und die wiederum, Sticheleien, Streiche und kleine Gemeinheiten sind typisch für den männlichen Humor, sagt der Humorforscher John Morreall. Er deutet dies allerdings anders als John Hewitt. Männer, betont er, haben Humor schon immer auch innerhalb ihrer eigenen sozialen oder kulturellen Gruppe eingesetzt, um ihren Status zu verbessern, während Frauen selten miteinander in Konkurrenz treten und dafür auch keinen Humor einsetzen:

    "Wie macht sich das nun heute bemerkbar? Männer und Frauen benutzen Humor, um Kameradschaft und Bindungen zu schaffen, aber Frauen nutzen Humor nicht, um andere, konkurrierende Frauen herabzuwürdigen. Sarkasmus und Streiche sind deshalb praktisch die Domäne der Männer. Männer sind bereit, erheblichen Ärger auf sich zu nehmen, um andere Männer in Schwierigkeiten zu bringen. Diese Form von Humor ist meiner Ansicht nach ein Überbleibsel der frühen menschlichen Evolution, in der Männer miteinander um Partnerinnen konkurrierten."

    Die englische Humorforscherin Ann Snowden hat einmal alle Funktionen von Humor zusammengezählt, die in der Literatur beschrieben sind. Sie kam auf rund 2500. Humor ist eine zutiefst menschliche Fähigkeit, unsere Spezies ohne ihn ebenso wenig vorstellbar wie ohne ihre Intelligenz. Deshalb gibt es sie wahrscheinlich gar nicht, die eine richtige Theorie zu seiner Entstehung. Doch wer seine Humorforschung mit Humor betreibt, wie Appletree Rodden, der jagt auch nicht der einen, wahren Hypothese nach:

    "Was Humor ist und wie wir das überlebt haben für Millionen von Jahren. Humor - ich weiß es nicht, ob das gelöst werden kann. Aber es macht Spaß zu machen. Ich kann alle meine Witzbücher von der Steuer absetzen. Das tut gut."