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Werben für eine umstrittene Technologie

CCS steht für die Technologie mit der C02 aus den Abgasen der Kohlekraftwerke abgetrennt und gespeichert werden soll. Die Kohlebranche würde sich damit gerne eine bessere Klimabilanz verschaffen. Doch das Verfahren ist sehr umstritten.

Von Philip Banse | 28.03.2011
    Kritiker fürchten, es könnte gefährlich sein, CO2 für sehr lange Zeit ins Erdreich zu pressen. Vor dem Veranstaltungsort in Berlin Mitte hatten sich denn auch rund 30 Aktivisten von Greenpeace versammelt, um auf die CCS-Risiken hinzuweisen. Greenpeace-Sprecher Martin Hausding:

    "Das Gefährliche ist: Bei der Verpressung wissen wir nicht, ob das CO2 wieder ausgast. Das ist nicht klar. Das muss über 1000 Jahre im Untergrund bleiben, niemand kann das versichern, dass das auch passiert. Und wenn es zu Ausgasung kommt, ist Mensch und Tier gefährdet."

    Doch CCS ist sehr umstritten. Selbst die Klimaschutzorganisation WWF hält CCS für wichtig. Wenn es gelinge CO2 dauerhaft in die Erde zu pressen, werde uns das dem Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen näher bringen. Klimaschutz – das ist auch das zentrale Argument der Industrievertreter, die im Café Moskau die Vorzüge von CCS priesen. Der Vorsitzende des Lobbyvereins IZ Klima, Klaus von Trotha, war früher CDU-Wissenschaftsminister in Baden-Württemberg. Er sagte, Klimaschutz sei ohne Technologie nicht machbar:

    "Und das gilt insbesondere für die CO2-Speicherung. Denn anders als die Gegner von CCS behaupten, ist CCS nicht die nächste Risikotechnologie, auf die man deshalb zu verzichten hätte. Nein, die CCS-Technik gehört zu den präventiven Maßnahmen, die weltweit ergriffen werden müssen, um Katastrophen, wie wir sie jetzt (in Fukushima, Anm. d. Redaktion) erlebt haben, zu verhindern. Das muss die Sichtweise sein – und nicht eine von Angstmacherei geschürte Gleichsetzung von CCS und radioaktiven Nukliden."

    Dennoch erinnerte Trothas Redebeitrag sehr an die Diskussion um Atomkraft: Hier eine neue Technik, für die es noch keine gesetzliche Regelung gibt, die erst an zwei Stellen in Deutschland erprobt wird – unter dem Protest der Bevölkerung, die Angst hat für CO2-Lecks, Salz und Schwermetallen im Trinkwasser. Da das Versprechen: Nur mit dieser neuen Technik CCS können wird das Zeitalter der erneuerbaren Energien erreichen. CCS-Lobbyist Klaus von Trotha preist CCS als Brückentechnologie:

    "Diejenigen, die heute glauben, auf die Entwicklung der CCS-Technik verzichten zu könne, haben die Dimension dieser Aufgabe nicht richtig realisiert. Denn wie man es dreht und wendet – die Welt wird in den nächsten 50 Jahren Kohle und Gas verbrennen, auch in Deutschland und erst recht, wenn man aus der Atomkraft aussteigt. Deswegen brauchen wir die CO2-Speicherung für fossile Kraftwerke in den Jahrzehnten des Übergangs zur Vollversorgung mit den Erneuerbaren – machen wir uns da gar nichts vor."

    Dieses Argument wollten die CCS-Kritiker, die auch auf dem Kongress vertreten sind, nicht gelten lassen. Auch Greenpeace-Sprecher Hausding, sagte CCS werde von den Stromkonzernen als Feigenblatt genutzt, um weiter Braunkohlekraftwerke betreiben zu können. Mit großer Spannung warten Kritiker und Befürworter auf das CCS-Gesetz, das seit Langem in den politischen Mühlen fest hängt. Es soll endlich eine gesetzliche Grundlage schaffen, wie mit CCS in Deutschland verfahren wird. Die CCS-Tests in Brandenburg und Niedersachsen fußen auf umstrittenen Genehmigungen. Greenpeace-Sprecher Hausding fordert, dass CCS entweder generell verboten werden müsse oder aber die Bundesländer sich explizit für CCS aussprechen müssen, erst dann dürfe CCS ausgebaut werden. Klaus Hänsch, ehemaliger Präsident des EU-Parlaments und vor Jahren Schlichter in Sachen Ausbau des Flughafens Frankfurt, sagte den Industrievertretern, ein CCS-Gesetz werde die Akzeptanzprobleme nicht lösen.

    "Selbst wenn sie dieses Gesetz haben, werden die Entscheidungen über Ort von Kraftwerken, Pipelines und Lagerstätten nicht nur von geologischen und technischen Möglichkeiten abhängig sein, sondern auch vom Widerstand lokal Betroffener und ihrer Organisationen."

    Der ehemalige Schlichter mahnte die CCS-Industrie vor Einsatz der Technik, mit allen Betroffenen zu reden, das sei auch die Lehre aus Stuttgart 21.