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Sexismus sells

Eine nackte Frau in einer Anzeige für Angelhaken oder Spielzeug-Werbung, die Mädchen fürs Backen begeistern will und Jungen fürs Forschen: Wo fängt Sexismus in der Werbung an? Damit befasst sich die Initiative Pinkstinks - und stößt mit ihren Vorschlägen nicht nur auf Begeisterung.

Von Jan Schilling | 16.01.2018
    Über ein Plakat, dasss eine Frau in Dessous zeigt steht mit schwarzer Sprühfarbe "Sexismus" geschrieben.
    Eine Werbung mit Frau in Dessous - sexistisch oder sexy? (imago/Steinach)
    Wer Werbung schaltet, will Aufmerksamkeit für sein Produkt. Noch immer halten sich manche Werbeagenturen an die angebliche Faustregel: Sexism sells.
    "Ich habe meiner Freundin Verivox erklärt, so dass sie das auch versteht. Pass auf: Die vergleichen Tarife, Strom, Gas, Versicherung und du kannst sofort zum günstigsten wechseln. Dit is wie Schuhe. Du bekommst exakt dieselben High Heels woanders, nur günstiger. Det fand se interessant."
    So wirbt Verivox für seine Angebote. Ist das nun sexistische Werbung oder nur ein schlechter Männerwitz? An dieser Frage scheiden sich die Geister.
    Ziel: Über Sexismus aufklären
    Sexistische oder geschlechterdiskriminierende Werbung ist das Spezialgebiet von Stevie Schmiedel. Die Hamburgerin ist promovierte Geschlechterforscherin. Für sie ist sexistische Werbung keine Geschmacksache.
    "Sexismus ist, wenn eine Werbung lediglich durch ihre Sexualität definiert ist oder durch ihr Aussehen. Zum Beispiel bei einem Flyer für ein Fitnessstudio 'Mit dieser Figur, brauche ich kein Abitur' oder wenn eine Frau lediglich als sexueller Blickfang für ein etwaiges Produkt benutzt wird, sprich der nackten Frau neben der Werbung für die Angelhaken."
    Werbe aber beispielweise ein Unterwäschehersteller mit einer Frau im BH, sei das nicht sexistisch, sondern sexy.
    2013 gründete Schmiedel in Hamburg den Verein Pinkstinks, um über Sexismus aufzuklären. Er fordert auch ein Gesetz gegen sexistische Werbung.
    "Es gibt kein Gesetz genau hierfür. Es gibt zwar das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, kurz GUW. Hier ist aber das Wort sittenwidrig vor einiger Zeit gestrichen worden, und insofern kann man ganz schlecht gegen Sexismus als solches angehen. "
    "Überhaupt nicht die Aufgabe des Wettbewerbsrechts"
    Das sieht der Deutsche Werberat anders. Seit 1972 ist das Selbstkontrollgremium zuständig, wenn Verbraucher Werbung beanstanden. 2016 erreichten den Werberat 273 Beschwerden wegen sexistischer Werbung, mehr als die Hälfte aller geprüften Beschwerden insgesamt. Geschäftsführerin Julia Busse hält das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb für vollkommen ausreichend.
    "Ansonsten sind wir der Meinung, dass das über die Selbstkontrolle sehr gut funktioniert. Und sind eben auch der Meinung, es ist überhaupt nicht die Aufgabe des Wettbewerbsrechts, die Gesellschaft zu anderen Geschlechternormen zu bringen."
    Auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages habe diese Auffassung bestätigt, so Julia Busse. Aus der Gesetzesnorm wird vorerst ohnehin nichts. Stattdessen fördert das Familienministerium das Projekt "Werbemelder*In" von Pinkstinks, um zwei Jahre deutsche Werbung zu beobachten. "Werbemelder*In" gibt es als Internetseite und als App.
    Nicht-sexistisch, stereotyp oder sexistisch?
    Dort können Nutzer Werbung melden, die sie sexistisch finden. Wo sie die gesehen haben, erscheint dann auf einer interaktiven Karte samt Bildern. Das Team um Feministin Schmiedel bewertet die Werbung und legt fest, ob sie nicht-sexistisch, stereotyp oder eben sexistisch ist.
    Erstens würden die Verbraucherinnen sensibilisiert, so Schmiedel.
    "Zweitens können wir mit Werbung, die wirklich übergriffig ist, einen Shitstorm lancieren, das heißt, wir stellen das in unsere sozialen Netzwerke ein, die haben sehr viele Follower, die wiederum teilen das an ihre und so entsteht wiederum eine öffentliche Empörung."
    "Erst einmal mit den Unternehmen sprechen"
    Gut 40.000 Menschen folgen dem Verein in den sozialen Netzwerken. Beim Werberat läuft es gemächlicher, sprich bürokratischer. 2016 dauerte ein Beschwerdeverfahren durchschnittlich zwei Wochen. Julia Busse vom Werberat sieht die "Werbemelder*In" kritisch.
    "Unser Kritikpunkt ist, dass man das ungeprüft hochlädt. Und das andere ist, dass wir sagen, man muss immer erst einmal mit den Unternehmen sprechen und nicht vorher schon ihre Werbung, ihren Unternehmensnamen veröffentlichen, ohne dass diese Unternehmen überhaupt Gelegenheit hatten, zu der Werbung Stellung zu nehmen. Das ist ein Grundsatz bei uns. Juristisch sagt man, der Anspruch auf rechtliches Gehör."
    Stadt-Land-Gefälle
    Große Agenturen und große Unternehmen haben mittlerweile ein Bewusstsein für geschlechterdiskriminierende Werbung entwickelt, freut sich Stevie Schmiedel, und führt das auch auf die Vereinsarbeit zurück. In Großstädten sei beispielsweise kaum noch sexistische Werbung zu finden.
    "Dafür umso mehr auf dem platten Land. Da hat die KFZ-Werkstatt die Nachbarin wieder halbnackt über Autoreifen drapiert, und Klaus und Uwe finden das in der Kneipe ganz klasse und hauen sich auf die Schenkel."
    Genau diese Werber möchte Pinkstinks nun erreichen. Wird eine Werbung gemeldet, rufen die Vereinsmitglieder die Verantwortlichen an und sprechen mit ihnen. Die Resonanz sei größtenteils positiv.
    "Wir hoffen, durch die #metoo-Debatte natürlich auch angestoßen, dass sich das Thema Sexismus auch weiter verbreitet in den Medien, ernst genommen wird und ich denke, da haben wir noch etwas zu tun, aber im Moment sind wir auf einem guten Weg."