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Wettbewerb beim Ökostrom
Wind gegen Sonne

Seit 2017 müssen sich Betreiber neuer Wind- und Solaranlagen bei einer Ausschreibung um Fördergelder bewerben. Neuerdings stehen dabei beide Technologien im Wettbewerb zueinander. Nach Ansicht von Energie-Experte Christoph Podewils stellt diese EU-Vorgabe den bewährten Energiemix in Deutschland auf den Kopf.

Christoph Podewils im Gespräch mit Stefan Römermann | 20.02.2018
    Bei Sehnde in Niedersachsen geht die Sonne hinter einem Windrad inmitten von Nebelschwaden auf
    Wind- und Solarkraft könnten sich dauerhaft gut ergänzen, glaubt Christoph Podewils von der Denkfabrik Agora Energiewende (picture alliance/ dpa/ Julian Stratenschulte)
    Stefan Römermann: Die Ökostrom-Förderung in Deutschland wird umgebaut. Früher gab es staatlich festgelegte feste Fördersätze für jede Kilowattstunde Sonnen- oder Windstrom, die ins Netz eingespeist wurden. Seit vergangenem Jahr müssen sich die Betreiber von neuen Anlagen bei einer Ausschreibung oder Auktion um die Fördergelder bewerben. Gestern ist wieder solch eine Auktion gestartet und zum ersten Mal müssen da Sonnen- und Windkraftanlagen gegeneinander antreten.
    Wie sinnvoll das ist, darüber habe ich mit Christoph Podewils von der gemeinnützigen Denkfabrik Agora Energiewende gesprochen. Ihn habe ich vor der Sendung gefragt, wie eine solche Auktion eigentlich funktioniert.
    Christoph Podewils: Die Unternehmen bieten bei den Ausschreibungen für erneuerbare Energien letztlich Kilowattstunden an beziehungsweise genauer einen Preis, den sie gerne pro Kilowattstunde hätten. Dann nehmen sie an einer Ausschreibung teil. Die Bundesnetzagentur ruft dazu mehrmals im Jahr auf. Ein bestimmtes Volumen an Leistung wird da auktioniert. Jetzt zum 1. April sind es 200 Megawatt Wind- und Solarleistung. Und wer immer eine Anlage baut und eine Vergütung haben möchte, der muss ein paar Formulare der Bundesnetzagentur ausfüllen, und das Wesentliche daran ist: Ich baue eine Anlage mit einer Leistung von so und so viel Megawatt und ich hätte gerne für meinen Strom, ich dann einspeisen kann, so und so viel Geld.
    Dann guckt die Bundesnetzagentur, wer bietet denn da wie viel Megawatt an, wie viel Geld wollen die jeweils haben, und sortiert diese Gebote der Reihenfolge nach. Und wenn sie im aktuellen Fall die 200 Megawatt voll haben, dann sagen sie, jetzt haben wir das bekommen, was wir gerne hätten, und das ist das Günstigste, was auf dem Markt zu haben war.
    "Sie sind von der EU letztlich dazu gezwungen worden"
    Römermann: Jetzt werden bei so einer Ausschreibung zum ersten Mal Sonnen- und Windenergie in einen Topf geworfen und müssen quasi gegeneinander antreten. Das klingt erst mal ein bisschen wie Äpfel mit Birnen vergleichen, oder?
    Podewils: Ja, in der Tat. Eine Windkraftanlage ist etwas komplett anderes als eine Solaranlage. Die produziert zu ganz anderen Zeiten und auch in ganz anderen Mengen Strom als eine Solaranlage mit einer gleichen Nennleistung. Deswegen ist es schwierig, die miteinander zu vergleichen.
    Das weiß auch das Bundeswirtschaftsministerium und schreibt deshalb selber, dass sie das gar nicht so toll finden. Aber sie sind von der Europäischen Union letztlich dazu gezwungen worden, weil nämlich das aktuelle Erneuerbare-Energien-Gesetz, sozusagen das Grundgesetz der Erneuerbaren-Energien-Förderung, von der EU genehmigt werden musste, und Teil dieser Genehmigungsbedingungen war, ihr schreibt jetzt mal technologieneutral aus. Es werden einfach nur Kilowattstunden ausgeschrieben und es ist dann egal, woher die kommen, ob von Wind- oder Solaranlagen. Das Ganze ist ein Versuch und man wird sehen, wie der dann läuft.
    Römermann: Was ist Ihrer Meinung nach daran besonders problematisch?
    Podewils: Man hat in Deutschland relativ viel Erfolg damit gehabt, technologiespezifisch zu fördern, eine bestimmte Menge von Windanlagen, von Windstrom, von Solarstrom, von Biomasse. Das ist im Grunde genommen die Grundlage dafür gewesen, dass wir ein Wettrennen letztlich auch hatten zwischen den verschiedenen Energieerzeugungsarten, und bei der Fotovoltaik ist es auch die Grundlage dafür gewesen, dass die überhaupt so billig geworden ist. Hätten Sie vor zehn Jahren gesagt, Windkraft und Sonnenstrom, tretet mal schön gegeneinander an, das wäre total nach hinten losgegangen. Man hat immer noch wahrscheinlich ein bisschen die Befürchtung, dass es so sein könnte. Das ist das eine, also historische Gründe.
    "Vorstellbar, dass beide Technologien am Ende Erfolg haben werden"
    Römermann: Wird da jetzt voraussichtlich die Windkraft gewinnen, oder wie muss ich mir das vorstellen?
    Podewils: Das werden wir sehen. Das hat sich tatsächlich geändert. Solarstrom kostet heute ähnlich viel wie Windstrom. Ich kann mir schon vorstellen, dass da beide Technologien am Ende Erfolg haben werden.
    Es gibt noch ein zweites, wahrscheinlich wichtigeres Argument: Sie haben tagsüber natürlich Sonne, manchmal haben Sie aber auch Wind, und nachts haben Sie manchmal Wind, aber in jedem Fall keine Sonne, und man sieht daran und auch an anderen Charakteristika, dass Wind- und Solarstrom sich ganz gut ergänzen können.
    Es gibt viele Untersuchungen, die sich damit beschäftigt haben, was ist denn eigentlich der optimale Mix zwischen Windstrom und Sonnenstrom, und da kommt eigentlich immer so eine Zwei-Drittel-ein-Drittel-Regelung heraus. Das brauchen wir, damit das Energiesystem gut funktioniert, und diese Technologieneutralität, die stellt das natürlich ein bisschen auf den Kopf und kann tendenziell die Steuerbarkeit der Energiewende erschweren.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.