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Yachtrock-Duo Young Gun Silver Fox
Der diskrete Sound der Dekadenz

Yacht-Rock: Ohrenschmeichelnde Gebrauchsmusik, die einfach in der Struktur aber detailliert in der Ausarbeitung ist und die nichts anderes soll, als gut zu klingen: Young Gun Silver Fox machen Musik, die auch auf festem Boden funktioniert, und zwar besser als ihr Ruf.

Von Fabian Elsäßer |
    Musik: "You can feel it"
    Es gibt einen todsicheren Trick, sich einen Profimusiker, der eigene Songs schreibt, zum Feind zu machen. Loben Sie seine Musik und sagen Sie dann ganz beiläufig, "oh, das klingt ja wie…" oder "das erinnert mich an…" und dann am besten noch: "Sie wurden bestimmt beeinflusst von…" Klappt immer! Na, fast. Bei Young Gun Silver Fox klappt es nicht. Die finden Vergleiche völlig legitim.
    Man muss es sich erklären können
    Shawn Lee: "People always need to reference you against something that they know – they need to explain it!"
    Und geben freimütig zu, wer sie geprägt hat.
    Andy Platts: "People like the Doobie Brothers and their seminal albums with Michael Mc Donald, Steely Dan, Fleetwood Mac. Ambrosia, certainly, people like America…."
    Und wie nennen wir das jetzt?
    Lee: "There’s something that we call AM Gold".
    AM Gold also - Mittelwellengold.
    Platts: "Yacht Rock or AOR or whatever you wanna call it – I think we tend to call it Westcoast Music"
    Lee: "One of the best music on the radio ever!"
    Musik: "So bad"
    Es steckt eine ganze Menge in diesem Song der britischen Band Young Gun Silver Fox. In die Höhe schießende Bläsersätze, eine schwer zu durchschauende Fülle an mehrstimmigen Gesangsspuren, sogar noch eine elektrisch verstärkte Mundharmonika wie bei Stevie Wonder so um das Jahr 1985 herum: "So bad" ist aber glatte drei Jahrzehnte jünger und auf dem Debütalbum "West End Coast" von 2015 zu finden. Damals war Musik, die irgendwie nach früheren Jahrzehnten klang, schon längst etabliert. Die Australier von Tame Impala hatten es geschafft, den Psychedelic-Rock wiederzubeleben, und das Electropop-Duo Daft Punk ließ sich seinen Discofunk von Giorgio Moroder persönlich absegnen. Insofern passten Young Gun Silver Fox zum Trend. Aber: sie beriefen sich auf Vorbilder, die zumindest von europäischen Musik-Kritikern lange ignoriert, eher als Gebrauchskunst wahrgenommen und mit Sicherheit nicht als cool empfunden wurden. Die Doobie Brothers, und zwar in der Ära mit dem sehr gefühligen Leadsänger Michael Mc Donald.
    Musik: "What a fool believes"
    Die Folkpopper von America….
    Musik: "Ventura Highway"
    Musik: "You make loving fun"
    Ein postironischer Begriff für anspruchsvolle Popmusik
    Aber auch Fleetwood Mac, natürlich als sie schon längst KEINE Bluesband mehr waren, sondern auf dem Weg zum Pop-Thron. Immerhin genießt deren Album "Rumours", eine Ansammlung von Trennungs-Liedern, inzwischen auch bei renommierten Musikmagazinen Kultstatus. Früher sagte man Album Orientated oder auch Adult Orientated Rock zu dieser Art von Musik, vor ein paar Jahren kam dann irgendwie der Begriff Yacht Rock auf. Es gibt sogar Kompilationen mit diesem Titel. Gemeint ist damit: Diese Art von Musik hören weißgekleidete Yachtbesitzer, wenn sie bei strahlendem Sonnenschein mit dem blitzblanken Boot aufbrechen in die blaue Lagune. Weil diese Musik im besten Falle Hintergrundmusik bleibt, aber auch, weil sie so etwas Gediegenes, Ausbalanciertes hat, irgendwie wertig, hochwertig, vielleicht sogar dekadent, auf jeden Fall teuer in der Herstellung wirkt – einem guten Segelboot nicht unähnlich.
    Lee: "Es ist ein post-ironischer, leicht comedy-artiger Begriff. Ich glaube, ursprünglich war das einfach nur gute Popmusik, die man im Radio gehört hat. Es war sehr amerikanische Musik und es war der Klang der 70er. Der Singer-Songwriter-Softrock hat sich auf eine natürliche Weise zu dieser Musik entwickelt mit Bands wie den Doobies, Fleetwood Mac, den Eagles, Steely Dan. Es war einfach anspruchsvolle Popmusik. Richtig gut geschrieben, gut dargeboten, gut produziert. Es war wohl eine der besten Radiomusiken aller Zeiten."
    Young Gun Silver Fox-Gründer Shawn Lee ist 1963 geboren und im mittleren Westen der USA aufgewachsen. Profimusiker wurde er nach eigener Aussage schon mit 16 Jahren, eine Alternative zu diesem Traumberuf habe er nie gesucht.
    Lee: "I started as a professional Musician at age 16 and I just stuck with it all these years."
    Schon als Kind sei Musik alles für ihn gewesen: er liebte Schallplatten, guckte sich Musiksendungen im Fernsehen an, vor allem aber lief die ganze Zeit das Radio.
    Eine Jugend zwischen Mittel - und Ultrakurzwelle
    Lee: "Auf Mittelwelle wurden eher Single-Auskopplungen gespielt, das UKW-Radio war hingegen eher ein Album-Format mit Bands wie Pink Floyd, also längere Songs, etwas weniger kommerziell, anspruchsvoller, aufregender. Nach einer Weile verblasste AM etwas und FM wurde größer. Es gibt aber definitiv etwas, was wir in den USA "AM Gold" nennen, diese wunderbaren Popsänger wie Andrew Gold oder Gilbert O Sullivan. Sachen, die einen echten Gute-Laune-Faktor haben."
    Auf besagtes AM Gold, also das Gold der Mittelwelle, bezieht sich auch der Titel des zweiten Albums von Young Gun Silver Fox aus dem Jahr 2018: "AM Waves".
    Musik: "Take it or leave it"
    Mit dem Song "Take it or leave it" von ihrem zweiten Album "AM Waves" von 2018 segeln Young Gun Silver Fox schon sehr deutlich im Windschatten des großen Doobie-Brothers-Hits "What a fool believes". Aber genau das war ja die Idee von Multiinstrumentalist Shawn Lee: die Musik seiner Jugend zu würdigen, den Vorbildern möglichst nahe zu kommen. Er hat dabei einen starken Verbündeten: den Sänger und Songwriter Andy Platts. Als Shawn Lee ihn vor einigen Jahren fragte, ob er Lust auf diese Art von Musik hätte, und zwar als Duo, musste er keine Überzeugungsarbeit leisten, erklärt Andy Platts:
    Platts: "Genau wie er habe ich eine tiefe Wertschätzung für alles, was funky und seelenvoll ist und für die reiche Geschichte schwarzer Musik. Da bewege ich mich auch selbst als Songwriter. Ich habe es immer geliebt, die strukturelle Tightness und Komposition von, man würde es wohl weiße Rockmusik nennen, mit der Ausgelassenheit, Lebensfreude und Wärme von Funk, Blues, Gospel, all diesen Sachen zu kombinieren. Ich liebe es, wenn diese beiden Welten sich treffen. Das tun ein paar meiner Lieblingsbands. Das ist eine gute Grundlage für das Genre selbst: tighte, melodische Popsongs, untermauert von diesem tiefen klassischen R n B Einfluss."
    Kennengelernt haben sich die beiden Musiker Anfang der 2010er Jahre bei Aufnahmen von Platts‘ damaliger Haupt-Band Mamas Gun. Für die sollte Shawn Lee eigentlich ein ganzes Album produzieren, doch es entstanden nur ein paar Songs.
    Lee: "Andy und ich haben gerne zusammengearbeitet. Aber innerhalb der Band funktionierte es irgendwie nicht. Da wollten zu viele verschiedene Leute unterschiedliche Sachen. Deshalb wurde nichts daraus. Aber ab diesem Moment wussten wir, dass die Chemie zwischen uns stimmt und wir in Zukunft weiter zusammenarbeiten wollen."
    Musik: "Kids"
    Der Titel "Kids" des britisch-US-amerikanischen Duos Young Gun Silver Fox stammt von dessen dritten, wohl bis dato ausfeiltesten Album "Canyons" aus dem Jahr 2020. Auch wenn Sänger Andy Platts und Multiinstrumentalist Shawn Lee musikalisch an einem Strang ziehen und dieselben Vorbilder haben, sind sie ein ungleiches Duo: Shawn Lee geht inzwischen auf die 60 zu und gibt mit seiner langen silbernen Mähne dem Namensteil "Silver Fox" jede Berechtigung. "Young Gun" Andy Platts ist zwar auch schon über 40, aber damit doch wesentlich jünger als sein Partner. Der eine ein Provinzkind der USA, das die Musik aus erster Hand kennt, der andere ein britisches Großstadtgewächs der 90er.
    Alte Seele, schwer bescheiden
    Platts: "Zuerst mal gehöre ich wohl zur letzten Generation, die mit einem Haus voller Vinyl, Kassetten und CDs aufgewachsen ist, bevor alles digital wurde. Meine Plattensammlung wurde sicher stark vom Musikgeschmack meines Vaters beeinflusst….und wenn ich Musik suche, und es gibt gute neue Musik da draußen, dann komme ich meistens doch wieder auf Sachen aus den guten alten Zeiten zurück, vor allem aus den 60er und 70er Jahren."
    Lee: "Andy hat vielleicht so etwas wie eine alte Seele. Er steht auf die Klassiker. Das heißt, dass sein Songwriting zurück geht auf Klassik-Pop, die Beatles, die Beach Boys, Burt Bacharach, diese Ahnenreihe….. Es ist im Grunde Post-Beatles-Musik der 70er….. Er versteht das einfach."
    Und vor allem kann er es singen.
    Musik: "Baby Girl"
    Young Gun Silver Fox-Sänger Andy Platts kombiniert in seinem Gesang eine tonsicheren Soul-Tenorlage mit sehr kontrollierter Kopfstimme. Meist sanft und schmeichelnd, im eben gehörten Song "Baby Girl" vom 2020er-Album "Canyons" aber auch mal aufgekratzt und angeraut – fast schon wie Prince.
    Platts: "I never really considered myself a vocalist. It was something I had to end up doing, because I could never find someone to sing my songs the way I heard them, originally."
    Da überrascht es, wenn Platts mit fast schon öligem Understatement sagt, er habe sich eigentlich nie als Sänger gesehen, sondern das zwangsläufig tun müssen, weil sonst niemand seine Lieder so gesungen habe wie er sich das vorgestellt hatte.
    Platts: "Ich weiß, dass meine Stimme, wenn sie funktioniert, ziemlich gute Sachen zustande bringt. Aber es ist schon noch ein Unterschied zu Stimmen, die so klingen, als kämen sie direkt aus dem Himmel, wie eine Gabe, die jemandem geschenkt wurde, etwas wirklich magisches, das die Zeit anhält."
    Womit er vor allem Stimmen wie die von Scott Walker oder Jimmy Scott meint.
    Platts: "So eine Stimme hätte ich mir immer gewünscht. Aber weil ich eben diese Art von Stimme NICHT habe, ist das eher eine Übungssache. Ich arbeite daran, sie in Form zu halten und ich versuche die ganze Zeit, mich zu verbessern… ich sage nicht, dass ich nicht singen kann. Ich denke, ich schlage mich ganz gut. Aber man sieht sich selbst wohl immer anders als andere einen sehen oder hören."
    Vertonte Sehnsucht des Provinzbewohners
    Vor allem hört man bei Young Gun Silver Fox – Songs nur ganz selten Shawn Lee, obwohl der ebenfalls singen kann. Der wunderbar mehrstimmige Backgroundgesang, der sich durch alle Alben zieht – das ist alles Andy Platts in diversen Stimmlagen.
    Platts: "Ich benutze gerne eine Technik, die Michael Jackson für seine Backing Vocals benutzt hat…. Nehmen wir mal an, man hat drei Background-Stimmen: tief, mittel und hoch. Dann hat er erst die ersten vier Takes der tiefen Stimme direkt am Mikro aufgenommen. Dann ist er zwei Meter zurückgegangen, hat die selbe Zeile in einer anderen Lage gesungen und das Mikrofon lauter gestellt. Und dann ist er nochmal zwei Meter zurückgegangen und hat es nochmal gesungen. Das schafft Raumklang mit Tiefe. Das wird sehr dreidimensional, sehr unverwechselbar."
    Musik: "Midnight in Richmond"
    "Midnight in Richmond" vom zweiten Album "AM Waves" ist der vielleicht schönste Song von Young Gun Silver Fox. Die Harmonie-Schwelgerei ist handwerklich perfekt, unterstreicht aber auch dieses Gefühl von Einsamkeit oder Sehnsucht, von dem hier die Rede ist. Dieser Song spricht allen Provinzkindern der Babyboomer-und Generation X aus dem Herzen, die jemals nachts allein oder mit Freunden im Auto unterwegs waren, ohne Ziel, ohne Zweck, einfach nur unterwegs, denn wirklich weg kann man noch nicht, weil man noch auf der Highschool ist oder kein Geld hat oder alles zusammen. Die Assoziation funktioniert in West Virginia oder Northern Michigan, sie funktioniert aber auch in Ostwestfalen-Lippe oder Mittelhessen oder Unterfranken. Vor allem in Mittelhessen und Unterfranken: dort konnte man in den 90ern die Vorbilder von Young Gun Silver Fox hören, da gab es nämlich AFN, den amerikanischen Truppensender. "Midnight in Richmond" könnte aber auch den einsamen Road Warriors gelten, wie man im US-Amerikanischen so martialisch die Außendienstler nennt, Menschen jedenfalls, die eben gerade nicht weg, sondern nur noch heim wollen. Es ist in beiden Fällen ein Sujet, das in AOR-Radio-Hits öfter zu finden ist, und das sich der Brite Andy Platts geschickt aneignet.
    Platts: "I don’t think you can avoid it putting something of yourself into the song."Man könne es gar nicht vermeiden, etwas von sich selbst in einen Song einfließen zu lassen, sagt er. Auch wenn man sich etwas ausdenkt oder über jemand anderen schreibt. Etwa im Song "Danny Jamaica" vom dritten Album "Canyons".
    Kiffen hilft - für spätere Songtexte
    Musik: "Danny Jamaica"
    Platts: "In den späten 90ern habe ich sehr viel Gras geraucht. Und Danny Jamaica war der Typ, von dem ich das Zeug gekauft habe. Mich hat das immer beeindruckt, wie der so war und wie er gelebt hat. Er war in seiner Nachbarschaft sehr beliebt, ein Familienmensch, einer der nettesten Menschen, die es gibt. Er hat jedes Drogendealer-Klischee unterlaufen, das man sich vorstellen kann. Eine Art Anti-Drogendealer. Ich spreche noch heute mit ihm. Er vertickt aber keine Drogen mehr. Da ist er schon vor langer Zeit rausgekommen."
    Andere Songs auf dem Album "Canyons" wurden von aktuellen Entwicklungen in Andy Platts Leben wie seiner frischen Vaterschaft geprägt. "Dream Woman" dagegen ist eine totale Fantasiegeschichte. Es geht um…
    Platts: "…den Weltuntergang und nur ein Typ auf der ganzen Welt bleibt übrig. Und er hätte die Gelegenheit mit diesem weiblichen Roboter zu schlafen und weiß nicht, ob er es tun soll oder nicht. Um es kurz zu machen: Er tut es… keine Ahnung, wo so ein Zeug herkommt. Manchmal muss man einfach mit den Ideen arbeiten, die einem so durch den Kopf schießen."
    Musik: "Dream Woman"
    Die Texte, die Andy Platts für Young Gun Silver Fox schreibt, sind also nicht inhaltsleer. Wichtiger ist dem Duo aber doch die Handwerkstradition, die es mit seiner Musik fortschreibt: dieser makellose Sound der späten 70er und frühen 80er Jahre. Das sei eine Zeit gewesen, in der jeder seinen Job möglichst gut machen wollte, egal ob als Arrangeur, Produzent, Musiker oder Toningenieur, finden die beiden Künstler. Dieses Klangbild erreicht Shawn Lee nach eigenen Aussagen mit einer Mischform aus digitaler und analoger Technik. Er benutzt das Aufnahmeprogramm Logic, spielt aber manche Spuren erst auf Tonband ein.
    Lee: "Es gibt schon Tricks und Techniken, mit denen man Musik wie eine echte Platte klingen lassen kann jedenfalls vergleichen mit dem, was irgendjemand im Schlafzimmer auf dem Laptop aufgenommen hat. Der Fender Rhodes ist schon mal ein wichtiges Instrument für unseren Klang, auch Phaser-Gitarre, ich benutze 70er und 80er Jahre-Ausrüstung, die auch die Leute damals benutzt haben. "
    Gitarren-Hybrid: Fender und Gibson in einem
    Auch das Lieblingsinstrument von Jazz- und Blues-Gitarristen: eine Gibson ES 335.
    Lee: "Es ist eine wunderbar vielseitige Gitarre, was den Ton angeht. Meine ist aus den späten 70ern. Ich habe einen Coil-Tab-Switch, womit ich den Humbucker in Single Coils aufteilen kann. Wenigsten ein Pick-Up ist ein Single-Coil, und damit habe ich so eine Art hybriden "fenderischen" Gibson-Sound. Klingt also wie eine echt coole Fender. Die hat die richtige Dünnigkeit, aber mehr Körper als eine Stratocaster oder Telecaster."
    Gitarre und Fender Rhodes haben einen ähnlichen Frequenzbereich, sehr mitten-lastig. Das vernünftig aufeinander abzustimmen, sei eine wahre Kunst, die er sich über eine sehr lange Zeit beigebracht habe, meint Shawn Lee.
    Musik: "Saturday"
    "Saturday" vom Album "West End Coast" von Young Gun Silver Fox aus dem Jahr 2015. Bis sich die Wege von Shawn Lee und Andy Platts kreuzten, verliefen sie sehr unterschiedlich. Platts schreibt seit Mitte der 00er Jahre für andere, und zwar in aus europäischer Sicht recht exotischen Märkten, zum Beispiel für südkoreanische oder japanische Popstars, aber auch für die britische Soul-Sängerin Jo Harman oder den niederländischen Jazz-Popper Wouter Hamel. Mit seiner Band Mamas Gun, die neben Young Gun Silver Fox weiter aktiv ist, hat er seit 2008 vier recht ordentlich verkaufte Alben aufgenommen.
    Musik: "London Girls"
    Platts: "Mamas Gun klingt kantiger, das ist mehr Soul und RnB der alten Schule. Young Gun Silver Fox klingt viel stärker nach Pop mit Souleinflüssen aus den späten 70er und frühen 80er Jahren. Es ist viel sanfter und die Akkorde sind reicher. Mamas Gun ist ursprünglicher, denke ich. Aber manchmal gibt es schon Überschneidungen, weil ich der Typ bin, der die Songs schreibt. Manchmal beeinflusse ich die Richtung, in die der Song gehen soll, manchmal frage ich auch einfach meine Frau: was meinst Du, für wen ist das? Und wenn Sie sagt: eindeutig für Young Gun Silver Fox, dann sage ich: okay, Du hast recht."
    Frau Winehouse kommt heute nicht ins Studio
    Shawn Lee, der gut 16 Jahre ältere Partner bei Young Gun Silver Fox, schlug sich in seiner Jugend erst mit Coverbands durch, arbeitete dann als Lohnschreiber, spielte bis zu dessen frühen Tod mit Folksänger Jeff Buckley und landete zwischendurch in einer Late Night Show- Band. Seit seinem Umzug nach London in den 90er Jahren hat er ein Dutzend weitgehend unbeachteter Solo-Alben aufgenommen, aber immer wieder lukrative Studiojobs ergattert, zum Beispiel für Amy Winehouse. Die er allerdings nie zu Gesicht bekam.
    Lee: "In den späten 90ern, frühen 2000er-Jahren habe ich eine Menge Sessionarbeit gemacht, aber die Sänger oder Künstler waren kaum im Studio. Die Platten wurden von Produzenten und Programmieren gemacht. Alles drehte sich um Protools und Autotune, es war sehr entmenschlicht, aber in den 90ern gab es immer noch Geld im Studio, es wurde noch sehr für Plattenproduktionen ausgegeben. Sogar ein Programmierer konnte 500 Pfund am Tag verdienen, nur fürs Schneiden und Samples einfügen, und manchmal hatte man sogar zwei davon: ein Typ hat dann vielleicht nur den Gesang gepitcht und der andere hat sich um den Schnitt gekümmert. Und Produzenten und Ingenieure gab’s ja auch noch. Die Musiker kamen und spielten mal was, und dann kümmerten sich die ganzen Arbeitsbienen um den Rest."
    Ähnlich wie sein Partner Andy Platts schreibt Shawn Lee weiterhin für andere, produziert aber auch, spielt sporadisch auf den Alben anderer Künstler mit und hegt mit seinem Langzeit-Projekt Shawn Lees Ping Pong Orchestra seit mehr als zehn Jahren einen unübersehbaren Hang zum Obskuren.
    Musik: "God rest ye merry gentlemen"
    Ein Baustein für den Soundtrack des kulturellen Gesamtüberblicks
    Lee: "Young Gun Silver Fox ist auf keinen Fall psychedelisch. Es gibt vielleicht hier und da mal ein paar "spacige" Momente, aber es geht dabei viel mehr um HiFi, um gediegene Arrangements und Details, es soll nicht verrückt oder seltsam in der Weise sein, wie das Ping Pong Orchestra es manchmal sein kann."
    Musik: "Just a man"
    "Just a man" vom 2018 erschienenen Album "AM Waves" von Young Gun Silver Fox ist noch so ein Beispiel für nostalgischen Detailreichtum. Fast so, als würden die Doobie Brothers mit Earth Wind and Fire zusammen einen Disco-Hit schreiben wollen. Man mag das rückwärtsgerichtet nennen, oder retro. Man kann es aber auch als zeitgemäß verstehen in Analogie zum Hip Hop, der ganz wesentlich vom Referenzieren anderer und früherer Stile lebt, was beispielsweise darin gipfelt, dass Kanye West sogar den gänzlich fachfremden Mike Oldfield versampelt. Insofern passen Young Gun Silver Fox mit ihrem, nennen wir es ruhig ironiefrei und freudvoll, "Yachtrock" durchaus in das Zeitalter des überall verfügbaren kulturellen Gesamtüberblicks. Sie widmen sich nur eben einem Genre, das von den Kanonschreiberinnen bisher etwas übersehen wurde. Und einer Ära, in der noch sehr viel Geld für Musik- und Studio-Handwerk übrig war, und die leider für immer dahin ist, wie Andy Platts befindet:
    Platts: "I think that era of record making is just a blip that’s been and gone and we won’t see that kind of investment in music in a recorded sense, I think, in the same way ever again."
    Musik: "Kingston Boogie"