Freitag, 26. April 2024

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Transparenz im Fernsehrat
"Es existieren zwei Kulturen nebeneinander"

Der Fernsehrat vertritt die Interessen der Allgemeinheit gegenüber dem jeweiligen Sender. Öffentlich wird dennoch nur selten, was genau besprochen wird. Leonhard Dobusch, Neu-Mitglied im ZDF-Fernsehrat, wünscht sich mehr Offenheit - und plädiert im Deutschlandfunk für neue Aufgaben.

Leonhard Dobusch im Gespräch mit Christoph Sterz | 09.05.2017
    Leere Stühle stehen vor ZDF-Logos in den Konferenzräumen des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF).
    Der ZDF-Fernsehrat besteht aus 60 Mitgliedern. (picture alliance / dpa / Fredrik Von Erichsen)
    Christoph Sterz: Im Vorgespräch haben Sie gesagt, Sie dürfen gar nicht alles erzählen - lohnt sich das Interview dann gar nicht?
    Leonhard Dobusch: Sagen wir es mal so: Die Vertraulichkeitsbestimmungen im ZDF-Fernsehrat, dem ich jetzt seit knapp einem Jahr angehöre, sind relativ streng. Eigentlich sind nur die Plenumssitzungen öffentlich. Schon die Ausschüsse sind nicht öffentlich. Seit Kurzem steht da im Gesetz: grundsätzlich nicht öffentlich. Das heißt, Ausnahmen von dieser Nichtöffentlichkeit sind zulässig, allerdings habe ich bislang noch keine Ausnahme erlebt.
    Sterz: Und Sie haben ja auch vor allem am Anfang relativ viel getwittert, auch über die erste Sitzung zum Beispiel. Haben Sie da dann einen links und rechts rüber bekommen oder ging das?
    Dobusch: Also, was ich gehört habe, war das sogar Thema in der Pressekonferenz, dass ja hier Fotos aus dem Fernsehrat getwittert wurden, obwohl in der Geschäftsordnung ein Verbot von Ton- und Videoaufnahmen quasi festgehalten sei. Ich interpretiere das aber anders: Das bezieht sich, meiner Meinung nach, auf das Publikum, nicht auf die Mitglieder des Fernsehrates. Das wäre zumindest meine Rechtsauslegung. Hinzu kommt auch, dass man schon sagen muss: Es ist ein bisschen ein Dilemma. Also einerseits wird dadurch, dass es nicht öffentlich ist, natürlich offener diskutiert im Ausschuss, aber für jemanden, der da drinnen sitzt und auch gerne einen öffentlichen Diskurs über bestimmte Themen führen möchte, ist es dann teilweise nicht so einfach, das auch dann zu tun.
    "Schlagseite hin zu großen kommerziellen Plattformen"
    Sterz: Dadurch, dass ja nicht so viel nach außen dringt, was den ZDF-Fernsehrat angeht, nehme ich mal an, wussten Sie auch nicht vorher so richtig, was Sie erwartet. Als Sie dann das erste Mal und die ersten Sitzungen miterlebt haben, wie war das für Sie im Fernsehrat?
    Dobusch: Mir fehlt natürlich ein bisschen der Vergleich dazu, wie es vorher war, weil ich bin ja quasi ein Mitglied des Fernsehrats einer neuen Zeitrechnung nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das ja vorgeschrieben hat, den Fernsehrat vielfältiger zu gestalten. Mein Eindruck ist schon: Es gibt einen großen Teil von Mitgliedern des Fernsehrats, die schon vorher dabei waren und die eigentlich gerne so weitermachen würden wie vorher, und dann gibt es welche, die neu reingekommen sind, die vielleicht auch ein wenig ein anderes Verständnis davon haben, was Aufgabe eines Fernsehrats ist - ist das immer nur Programmbeschwerden und eher stark defizitorientiert, irgendwie Fehler zu suchen und dann irgendwie euch auf die Finger zu klopfen und dann irgendwie darin den Sinn zu sehen? Oder geht es auch eher um konstruktivere, nach vorne gerichtete, pro-aktive Ideen einzubringen? Und das ist ein Verständnis, das ich für mich zumindest mir zurechtgelegt habe.
    Sterz: Was für Ideen bringen Sie da so ein?
    Dobusch: Also eine aktuelle Debatte, die wir gerade haben, ist, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet stärker auf Drittplattformen, also sowas wie YouTube und Facebook, aktiv sein möchte, so nach dem Motto, dort hingehen, wo die Beitragszahlenden sind, und gerade die Jungen sind natürlich in diesen Plattformen, und diesem Ansinnen kann ich prinzipiell etwas abgewinnen, allerdings stört mich, dass es bislang eine Schlagseite hin zu großen kommerziellen Plattformen gibt, dass aber andere Plattformen, wo auch sehr viele junge Menschen sich tummeln, wie zum Beispiel Wikipedia, die noch dazu nicht profitorientiert ist und damit eigentlich dem Gedanken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks näher steht, dass es keinerlei Initiativen gibt, dort auch etwas unterzubringen oder ZDF-Inhalte für Wikipedia verfügbar zu machen.
    "Freundeskreise gibt es nicht nur im ZDF Fernsehrat"
    Sterz: Jetzt lassen Sie uns noch mal ein bisschen über das Sein des Fernsehrates reden und zwar auch über die Freundeskreise. Ja, es sind Institutionen, die keine sind. Es sind Gruppierungen, die offiziell ja gar nicht so wirklich existieren. Ein SPD-Freundeskreis, ein CDU-Freundeskreis – also, gibt es die jetzt noch, gibt es die nicht mehr?
    Dobusch: Freundeskreise gibt es ja nicht nur im ZDF-Fernsehrat, gibt es auch in den Rundfunkräten und sind nicht SPD, CDU, sondern eigentlich sind sie benannt nach dem Vorsitzenden, aber das deutet schon drauf hin, dass das kein Freundeskreis ist, sondern, das ist einfach eine Fraktion. Da braucht man gar nicht drum rumreden, und im Fernsehrat gibt es auch jetzt noch zwei Fraktionen, und soweit ich das überblicken kann, sind alle Mitglieder in einer dieser beiden Freundeskreisfraktionen zugegen.
    Sterz: Sie auch?
    Dobusch: Ich bin auch in einem dieser Freundeskreis, in dem Freundeskreis Frank Wernecke. Das wäre sozusagen quasi der rote Freundeskreis. Der schwarze Freundeskreis von Franz Josef Jung, dem ehemaligen Verteidigungsminister, quasi dort bin ich nicht. Allerdings war das einfach so: Man bekommt zu Beginn die Einladung zu beiden Freundeskreisen und dann entscheidet man sich für einen der beiden, und ich muss sagen, was mich überrascht hat - das hatte ich vorher nicht so erwartet -, wie formalisiert diese Freundeskreise wirklich sind. Also damit meine ich, es gibt eine Tagesordnung, es gibt einen Vorsitzenden, es gibt einen Vorstand des Freundeskreises, der wird in geheimer Wahl - zumindest war das beim roten Freundeskreis, wo ich dabei war - gewählt, und ich finde das gar nicht mal nur schlecht. Diese Formalisierung führt dazu, dass bestimmte Prozesse, Entscheidungsprozesse zumindest nach innen transparenter sind, und paradoxerweise darf ich zum Beispiel in meinen Blogeinträgen über eine Fernsehratstätigkeit mehr über die Freundeskreise erzählen, weil dort gibt es keine Vertraulichkeitspflicht, weil die Gremien gar nicht offiziell existieren. Ich bin natürlich auch vorsichtig, was ich schreibe, aber ich kann zumindest selbst entscheiden, was will ich quasi mit der Öffentlichkeit teilen. Das ist bei den Ausschüssen anders: Da darf ich ja prinzipiell nichts, was in den Ausschüssen besprochen wird, ohne explizite Entscheidung frei erzählen.
    Sterz: Jetzt mal über die Ausschüsse und auch über die Freundeskreise hinaus generell geschaut: Nach fast einem Jahr im Fernsehrat – wie gefällt es Ihnen?
    Dobusch: Der Fernsehrat ist nicht das erste Mal, dass ich mit größeren Institutionen irgendwie zu tun habe. Ich war auch vorher schon öfter in parlamentarischen Kontexten tätig, und es war mir schon klar, dass da nicht drauf gewartet wird, dass da irgendwer kommt und jetzt sagt, jetzt machen wir Dinge anders, die Beharrungskräfte sehr groß sind und dass ich den Eindruck habe, was da im Fernsehrat passiert, es wird dem Gremium zwar Respekt gezollt, es kommen wirklich fast alle Spitzen des ZDF da zu jeder Plenumssitzung, auch zu den Ausschüssen sind sie stark präsent. Gleichzeitig ist es eine Pflichtübung, und man absolviert das. Aber es ist nicht so, dass die Fernsehräte da ernsthaft als Gesprächspartner auf Augenhöhe akzeptiert werden, aber ich habe eben auch genug Erfahrung mit solchen großen Institutionen, dass ich sage, das braucht seine Zeit, und die will ich mir auf jeden Fall nehmen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Leonhard Dobusch ist seit 2016 Mitglied im ZDF-Fernsehrat. Als Wirtschaftswissenschaftler lehrt der Österreicher am Institut für Organisation und Lernen der Universität Insbruck. Außerdem arbeitet er als Autor, schreibt einen eigenen Blog und regelmäßig für netzpolitik.org.