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"Wir werden das Tabakwerbeverbot umsetzen"

Die Bundesregierung hat gegen eine Richtlinie aus Brüssel geklagt, die Tabakanzeigen in Zeitungen, Zeitschriften und bei Großveranstaltungen verbieten will. Trotzdem macht sich die Verbraucherschutzexpertin der Grünen, Ulrike Höfken, für eine Umsetzung der EU-Richtlinie stark. Es gehe vorrangig um den Schutz von Kindern und Jugendlichen, sagte sie.

13.05.2005
    Müller: Beim Rauchen hört der Spaß auf. Da werden Friedensaktivisten mitunter militant und Menschenrechtler fordern drakonische Verbote und Strafen gegen diejenigen, die auf einen genussvollen Zug nicht verzichten wollen. Ein bisschen ähnlich, die Auseinandersetzung zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission über das Werbeverbot für Zigaretten. Die Bundesregierung hat gegen die Richtlinie aus Brüssel geklagt, die Tabakanzeigen in Zeitungen, Zeitschriften, im Internet und bei Großveranstaltungen verbieten will. Doch offenbar hat das Kanzleramt nun den Widerstand gegen die Neuregelung aufgegeben, doch so richtig will das niemand in Berlin bestätigen.

    Am Telefon sind wir nun verbunden mit der Grünen-Politikerin Ulrike Höfken, stellvertretende Ausschussvorsitzende für Verbraucherschutz im Bundestag. Guten Morgen!

    Höfken: Ja, guten Morgen Herr Müller!

    Müller: Frau Höfken, wie raucherfreundlich ist rot-grün?

    Höfken: Erst einmal möchte ich sagen, diese Klage der Bundesregierung vor dem EuGH richtet sich ja nicht gegen den Inhalt des Werbeverbots, sondern richtet sich gegen die Kompetenzen, die sich die EU in dem Fall bei einem Thema nimmt. Ich sage aber als verbraucherpolitische Sprecherin, angesichts von 100.000 vorzeitigen Todesfällen und etwa 28 Milliarden direkten und indirekten Krankheitskosten durch den Tabakkonsum ist es ja geradezu fahrlässig, wenn man nicht alle Maßnahmen ausschöpft, um hier mehr Schutz zu praktizieren. Gerade Kinder und Jugendliche sind sehr anfällig für Werbung, sind auch sehr preisorientiert. Insofern sind diese beiden Maßnahmen, die jetzt in der Diskussion stehen, nämlich einmal das Tabakwerbeverbot und die Fortsetzung der Tabakbesteuerung, wirksame Mittel. Das sehen wir ja auch aus den Erfahrungen der letzten zwei Jahre.

    Müller: Frau Höfken, noch mal die Frage. Ich habe raucherfreundlich gesagt. Ich interpretiere jetzt aus Ihren Aussagen heraus, rot-grün ist raucherfeindlich?

    Höfken: Mir geht es weniger um ich sage mal einen Kampf gegen die Raucher. Ich denke mal die Raucher, die um die 50 sind, die wird man wenig beeinflussen können. Es geht mir um den Schutz von Kindern und Jugendlichen und da fühlen wir uns absolut in der Pflicht. Tatsächlich ist es so: es wäre auf jeden Fall sinnvoll, das Rauchen zurückzudrängen.

    Müller: Also Kampf gegen das Rauchen, wenn wir das so formulieren, ist kein...

    Höfken: ...auch nicht gegen die Raucher!

    Müller: Kampf gegen das Rauchen ist kein, wie Sie eben gesagt haben, europäisches Thema, keine europäische Angelegenheit?

    Höfken: Natürlich ist das eine europäische Angelegenheit. Wenn Sie nach Italien gucken, wenn Sie nach Frankreich gucken, da gibt es umfassende Rauchverbote, die hier überhaupt nicht umgesetzt sind. Man könnte da auch noch mehr tun. Ich meine es gibt eine Menge Berechtigungen, hier den Schutz der Gesundheit über die Gewinninteressen von Verlagen oder von der Tabakindustrie zu stellen. Es kann ja nun nicht angehen, dass die Gewinne privatisiert werden, aber die Öffentlichkeit an den enormen wirtschaftlichen und gesundheitlichen Kosten hängen bleibt.

    Müller: Frau Höfken, ändert sich in Deutschland erst etwas, wenn auch der Kanzler aufhört, Zigarren zu rauchen?

    Höfken: Das glaube ich nicht. Ich denke wir werden jetzt in die Diskussion gehen. Wir werden das Tabakwerbeverbot umsetzen und dann auch die entsprechende Tabakbesteuerung weiter fortsetzen. Das ist auf jeden Fall die Forderung der Grünen. Wenn Sie mal sehen, was wir jetzt erreicht haben, ist das eigentlich wirklich ermutigend. Auch wenn es nicht so riesige Erfolge gibt im gesundheitspolitischen Bereich, was das Rauchen angeht, muss man aber sehen, in den letzten zwei Jahren haben wir … bei Verbraucherumfragen hat sich das herausgestellt, 0,5 Zigaretten weniger am Tag im Schnitt, aber minus 13 Prozent bei den 12- bis 17-Jährigen… Das ist für mich die entscheidende Größe. Da muss man auch sagen, wir haben dann etwa 12.000 Erkrankungen weniger: also Schlaganfall, Lungenkrebs, um die 8.500 Sterbefälle weniger und drei Milliarden Euro eingespart an Krankheitskosten. Also ich denke man kann nicht so zynische Rechnungen aufmachen, die sich hier auf die Einnahmeausfälle der Werbeindustrie oder der Tabakwirtschaft beziehen, sondern man muss das wirklich im Verhältnis sehen zu dem Schaden, den der Tabak insgesamt anrichtet.

    Müller: Frau Höfken, aber vielleicht helfen Sie uns in diesem Punkt weiter. Sie müssen uns weiterhelfen, am besten sogar namentlich, wie Sie verstehen können. Wer blockiert bei der Bundesregierung, dass Rauchverbot durchgesetzt wird genauso wie in Italien oder in Frankreich?

    Höfken: Unsere Einigung besteht wie gesagt darin, dass die Bundesregierung ja nicht gegen den Inhalt der Umsetzung der Werberichtlinie ist, sondern sich nur im Hinblick auf die Kompetenzen vor den EuGH begeben hat.

    Müller: Rauchverbot, das war jetzt unser Stichwort. Frau Höfken, Rauchverbot. Wer verhindert ein Rauchverbot in Deutschland?

    Höfken: Von Rauchverbot hat ja gar keiner geredet.

    Müller: Aber das habe ich Sie gefragt!

    Höfken: Ja, aber das ist nicht die Maßnahme, die hier in Deutschland an vorderster Linie diskutiert wird.

    Müller: Sie haben doch Frankreich und Italien gelobt?

    Höfken: Ja. Es geht uns aber vor allem um den Schutz von Kindern und Jugendlichen. Aber ich denke bei Erwachsenen muss man sagen, das sind eigenverantwortliche Menschen. Wir können aber nicht zulassen, dass die subtilen Werbemethoden oder aber auch andere Maßnahmen gerade Kinder und Jugendliche zum Rauchen verführen und dort setzen wir an. Bei Erwachsenen sagen wir, die sollen weitgehend selbst entscheiden, aber der Schutz der Nichtraucher ist natürlich ein wichtiges Thema, so dass hier ein Interessensgut gegen das andere steht. Hier ist ganz klar: wir haben ja auch in den letzten Jahren schon einen deutlicheren Schutz der Nichtraucher erreicht durch die Selbstverpflichtung der Industrie oder der Gastronomie vor kurzem und ich denke auch das ist ein Fortschritt.

    Müller: Aber in Kneipen, in Restaurants wird immer noch geraucht. Das heißt Sie raten den Nichtrauchern, dann rauszugehen?

    Höfken: Nein! Es gibt ja nun die neuen Schutzmaßnahmen auch für die Nichtraucher, so dass es hier getrennte Plätze und Möglichkeiten gibt, dass beide Gruppen, die Raucher und die Nichtraucher, zu ihrem Recht kommen. Allerdings sage ich klar: das Recht der Nichtraucher ist natürlich genauso einzuschätzen wie das der Raucher und das wird in Deutschland ja auch jetzt umgesetzt. Ich persönlich hätte nichts dagegen, wenn man hier noch etwas deutlicher wird, auch in der Information, auch in der Prävention. Aber ich denke auch mit dem neuen Präventionsgesetz wird es hier zu verstärkten Maßnahmen kommen.

    Müller: Aber wir halten zum Schluss fest: es wird kein Rauchverbot geben?

    Höfken: Nein! Da sehen wir doch die Eigenverantwortlichkeit des Konsumenten. Das ist auch ein hohes Gut. Aber wie gesagt, die Abwägung muss die Interessen der Nichtraucher mindestens genauso stark berücksichtigen.

    Müller: Ulrike Höfken war das, stellvertretende Ausschussvorsitzende für Verbraucherschutz im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Höfken: Danke ebenfalls!