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Wirtschaftlichkeit sticht Quote

Besonders der Mittelstand sei der Ansicht, dass Quoten grundsätzlich das Leistungsprinzip konterkarieren, sagt Michael Zondler, Chef der Personalberatungsfirma Centomo. Beim Besetzen von Positionen schaue man in erster Linie auf die Qualifikation und nicht auf das Geschlecht.

Michael Zondler im Gespräch mit Jürgen Liminski | 08.06.2012
    Jürgen Liminski: Der Mangel an Fachkräften macht Schlagzeilen. Die Wirtschaft schreit um Hilfe, es wird jetzt im Ausland geworben und das mag hier und da auch ein paar Lehrstellen füllen. Aber es sollen nicht nur Fachkräfte, es sollen auch weibliche Fachkräfte sein und es sollen außerdem junge Leute sein, die auch bestimmte Soft Skills, menschliche Eigenschaften, auch Humanvermögen genannt, mitbringen, und in diesem Sinne ist die seit einigen Monaten laufende Diskussion um Kopfnoten auf den Zeugnissen zu sehen. Wie kann man all diese Erfordernisse in der Praxis unter einen Hut bringen? Wie gehen Personaler oder auch Headhunter an diese Aufgabe heran? – Das wollen wir jetzt besprechen mit Michael Zondler, er ist Chef einer Personalberatungsfirma namens Centomo mit Sitz in Ludwigsburg. Guten Morgen, Herr Zondler.

    Michael Zondler: Schönen guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Herr Zondler, träumen Sie manchmal von der jungen, gut ausgebildeten, freundlichen und teamfähigen Ingenieurin?

    Zondler: Ja klar! Wer nicht?

    Liminski: Aber im Ernst: Der Fachkräftemangel wird nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit zu einer größeren Gefahr für die deutsche Wirtschaft als die Finanzkrise. Eigentlich rosige Zeiten für Firmen wie die Ihre. Wo finden Sie solche Fachkräfte?

    Zondler: Also das Ganze spielt sich in einem Mix aus verschiedensten Themen ab. Wir sind klassisch unterwegs mit Anzeigen im Internet. Researcher durchkämmen Social Media, wir gehen in die Direktansprache, sprich Headhunting in den Unternehmen, wir arbeiten stark natürlich auch im Netzwerk, über Empfehlungen einer großen Datenbank, die sich jetzt halt über die Jahre angesammelt hat, also ein ganzer Mix an verschiedenen Kanälen.

    Liminski: Die Bundesregierung will die Bedingungen für die Zuwanderung zum Beispiel aus Euro-Krisenländern lockern. Ist das der richtige Weg, um dem Fachkräftemangel Herr zu werden?

    Zondler: Es ist zumindest ein Additiv, also das ist sinnvoll. Es würde uns weiterbringen, weil einfach durch die schiere Anzahl an Fachkräften, die uns über die nächsten Jahre fehlen – man redet ja im Schnitt von ungefähr drei Millionen, die uns fehlen bis 2025, und da brauchen wir alleine schon mal jedes Jahr 200.000 mehr -, und dazu auch in Europa und dazu auch das Macht- und Lockmittel EU mit den barrierefreien Themen zu nutzen, ist absolut sinnvoll.

    Liminski: Jetzt streben viele junge Leute nach dem Abitur in eine Ausbildung oder an die Uni. Für welchen Beruf sollen sie sich entscheiden? Wie sind die Chancen für sie in fünf oder sechs Jahren auf dem Arbeitsmarkt, kann man das abschätzen?

    Zondler: Ja. Die Wirtschaft ist ja heute schon unterwegs. In manchen Automobilzulieferern sind die Auftragsbücher voll bis 2018. Also da haben wir schon die Perspektive sechs Jahre und da können Sie im Endeffekt alles empfehlen, was in technische Themen geht, Ingenieurswesen, aber auch jetzt gibt es neue Studiengänge. Zum Beispiel Energieeffizienz wird ein ganz großes Thema überall werden. Der Klassiker Gesundheit und Pflege, aber auch Ökolandbau, dann alles, was IT-gestützt ist, wird weiter wachsen, also auch Informatiker. Medien, das wird auch noch ein sehr wandelndes Gebiet, denke ich. Das Internet verändert auch hier vieles. Früher sehr klassisch der Werbekaufmann, der heißt heute zum Beispiel Kaufmann oder Kauffrau für Marketing-Kommunikation. Also da tut sich einiges. Und dann muss ich auch ein bisschen Eigenwerbung machen: Wir suchen auch viele Leute. Also die Personalbranche insgesamt wächst stark. Alleine in der Zeitarbeit hat sich die Zahl der Zeitarbeiter in den letzten zehn Jahren mehr als verdreifacht. Das alles muss ja gemanagt werden und deswegen gibt es auch seit 2009 den Ausbildungsberuf Personalkaufmann. Also auch das sind Felder, in denen sich viel tut, alles Perspektiven für die junge Generation.

    Liminski: Die Wirtschaft fordert die Rückkehr der Kopfnoten, Herr Zondler. Beteiligung, Betragen, Fleiß, das soll wieder in den Zeugnissen zu finden sein. Stimmt es denn, dass Jugendliche mit schlechteren Schulnoten bessere Chancen auf dem Ausbildungsmarkt hätten, wenn die Kopfnoten wieder wichtiger würden?

    Zondler: Also man kann zumindest sagen, dass es hilfreich wäre für einen Außenstehenden, den Menschen ganzheitlicher zu betrachten, weil wenn er in den Fachnoten schlecht ist, heißt das ja nicht per se, dass er schlecht ist im Team oder dass er schlecht ist, in einem gewissen Arbeitsbereich sich zu integrieren. Insofern Kopfnoten unbedingt ja. Die Frage ist aber, was machen wir da und welche machen überhaupt Sinn, weil das ist ja ein bisschen ein weiteres Feld wie nur Betragen oder Verhalten. Ich könnte mir vorstellen, dass man das Ganze im Endeffekt wie ein Arbeitszeugnis gestalten könnte, also eine schriftliche Beurteilung am Ende des Schuljahres, wo die Lehrerschaft des jeweiligen Schülers sich kurz zusammensetzt, jeden Schüler bespricht und nach einem Kriterienkatalog eine schriftliche Zusammenfassung schreibt. So hat man, denke ich, auch nach jedem Schuljahr die Möglichkeit, eine Entwicklung eines Schülers zu sehen, und das ist dann auch losgelöst von den Fachnoten und gibt dem ganzen dann noch mal ein vollständigeres Bild auf den Menschen, den ich unter Umständen für einen Job gewinnen möchte.

    Liminski: Welche Rolle spielen denn diese Soft Skills, diese menschlichen Eigenschaften bei den Fachkräften? Ist es angesichts des Ingenieurmangels nicht ziemlich egal, ob ein Ingenieur mit Messer und Gabel essen kann und gute Umgangsformen aufweist?

    Zondler: Sehr schön, wenn es so einfach wäre. Aber der Ingenieur, der ist ja gefragt in Teams, der ist gefragt häufig auch in interkulturellen Teams, der arbeitet in einer Zuliefererkette, der arbeitet mit verschiedenen Nationalitäten heute an diversen Themen, meistens auch zu unterschiedlichen Zeiten, sprich er muss kommunizieren können, er muss teamfähig sein, er muss Probleme offen ansprechen können, also braucht ein gewisses Potenzial auch fürs Konfliktmanagement, er sollte am besten auch ein bisschen kritikfähig sein, also all diese Dinge, die natürlich auch in den Vorstellungsgesprächen neben den fachlichen Eigenschaften abgeklopft werden können. Am Ende müssen sie sich, denke ich, unter Umständen sogar unterordnen, weil Fachlichkeit kann ich auch innerbetrieblich in Seminaren, in Kursen, in diversen Schulungen relativ leicht an halbwegs intelligente Leute heranbringen, aber die Eigenschaften, die ich brauche, um erfolgreich im Job zu sein und mit meinen Kollegen ein Ergebnis zu produzieren, die muss ich schon irgendwo auch in der Anlage haben.

    Liminski: Zur Frauenquote, Herr Zondler. Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" behauptete neulich großflächig, die Frauenquote machte die Karriereträume der heute 30- bis 45jährigen Männer zunichte. Ist da was dran, oder ist das nur Gerede aus dem redaktionellen Elfenbeinturm?

    Zondler: Also da ist mit Sicherheit auch irgendwo was dran. Aber das Gerede aus dem Elfenbeinturm, wenn Sie das so ansprechen, das hat hier das Schwergewicht. Wir haben ja dazu jüngst auch eine Studie gemacht, und zwar im deutschen Mittelstand. Wir haben 1300 Führungskräfte hierzu befragt, und das Ganze zeichnet ein ganz anderes Bild, wie es jetzt aktuell in den Medien sehr hochgekocht wird. Wenn man mal jetzt auf die Zahlen schaut, auf die nackten Zahlen, dann haben wir in den DAX-Konzernen 1,6 Millionen Mitarbeiter in toto in Deutschland. Dem gegenüber steht aber eine arbeitende Bevölkerung von 40 Millionen. Wir haben in Deutschland, wenn man jetzt die Führungskräfte anschaut, in den DAX-Konzernen 200 Vorstände und dort reden wir hauptsächlich über die Frauenquoten. Im Mittelstand ist das so gut wie kein Thema. Mit Sicherheit gibt es hier und da die Bestrebung, weil ein Team zu geschlechtslastig wird in eine Richtung, dass man ein bisschen versucht auszugleichen, das ist klar. Aber es ist in der Praxis de facto momentan so, dass man versucht, einfach die Positionen zu besetzen, in erster Linie auf die Qualifikationen schaut und dann vielleicht noch in zweiter Linie, sollte man den Luxus haben, ob ich dann vielleicht im Geschlechterbereich etwas in die eine oder andere Richtung bewegen muss.

    Liminski: Aber wenn Sie nun drei männliche Ingenieure haben, eine Firma will aber nur einen und noch zwei weibliche Ingenieure, was sagen Sie der Firma? Ist das überhaupt ein Thema in der Praxis?

    Zondler: Da sticht Wirtschaftlichkeit, denke ich, ganz klar die Quote oder die angestrebte Quote. Die würden natürlich alle drei anstellen, wenn sie denn für alle drei Jobs hätten, weil am Ende des Tages muss ja die Arbeit, die da ist, getan werden und ich glaube, dass kein Aktionär oder kein Unternehmer Verständnis dafür hätte, dass irgendein Ergebnis darunter leidet, nur weil man sich in der Personalabteilung einen Ingenieur durch die Lappen gehen lässt, weil er halt zufälligerweise das falsche Geschlecht hatte. Also das ist sehr, sehr theoretisch.

    Liminski: Herr Zondler, Sie haben gerade eine Studie Ihrer Firma genannt. Was für Erkenntnisse gibt es denn da noch?

    Zondler: Wir haben 80 Prozent der befragten Unternehmer oder Geschäftsführer, davon 57 Prozent weiblich und 43 Prozent männlich, die sagen, dass die Frauenquote für ihre tägliche Arbeit keine Rolle spielt, und daraus wiederum 70 Prozent sind der Ansicht, dass Quoten grundsätzlich das Leistungsprinzip konterkarieren. Also das ist auch eine interessante Erkenntnis, das entspricht auch dem, wie wir es täglich erleben. Und dann haben wir noch festgestellt, falls tatsächlich eine Frauenquote eingeführt werden sollte für deutsche Unternehmen, sind die Umfrageteilnehmer dann mehrheitlich dafür, dass das auch auf andere Bereiche als nur auf die Führungsebenen angewandt werden soll.

    Liminski: Der Fachkräftemangel und die Praxis – das war der Personalberater Michael Zondler, Chef der Firma Centomo in Ludwigsburg. Danke für das Gespräch, Herr Zondler.

    Zondler: Besten Dank, Herr Liminski.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.