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Wissenschaftskommunikation
Inhalte bleiben auf der Strecke

In einem gemeinsamen Projekt haben Wissenschaftsakademien und Hochschulen zwei Jahre lang das Verhältnis zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und Medien untersucht. Wissenschaftskommunikation sei kein rechtsfreier Raum, Standards müssten geschaffen werden, so das Ergebnis.

Von Verena Kemna | 17.06.2014
    Der wissenschaftliche Mitarbeiter vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, Dennis Mronga, justiert am 04.03.2013 auf der weltgrößten Computermesse CeBIT in der Messe Hannover (Niedersachsen) den rechten Arm der Roboterdame AILA.
    Wissenschaftler verlangen mehr mehr Qualität im Journalismus. (picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
    Wissenschaftskommunikation braucht klare Qualitätskriterien, das fordern die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, acatech- Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften. Heute treffen sich etwa achtzig Wissenschaftsjournalisten und Hochschulvertreter in Berlin, um die Ergebnisse einer Studie zum Zustand der Wissenschaftskommunikation zu diskutieren.
    Mit möglichst vielen Pressemitteilungen Aufmerksamkeit erzielen
    In einem gemeinsamen Projekt haben Wissenschaftsakademien und Hochschulen zwei Jahre lang das Verhältnis zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und Medien untersucht. Vor allem der ökonomische Konkurrenzdruck für kritischen Wissenschaftsjournalismus sei immens, erklärt der Soziologe Peter Weingart. Kostenlose Internetangebote konkurrierten mit klassischen Medien, ein Trend, der sich seit Jahren abzeichnet. Aber auch Universitäten und Forschungseinrichtungen versuchten all zu oft mit möglichst vielen Pressemeldungen auf sich aufmerksam zu machen. Die Inhalte bleiben dabei oft auf der Strecke, vermeintliche Information wird zur PR Veranstaltung, meint Peter Weingart, Projektleiter der Studie.
    "Das schadet der Wissenschaft, die Wissenschaft selbst verliert an Vertrauen und das ist in ihrem ureigenen Interesse, dass sie da gemahnt wird, sich wieder auf ihre eigenen Werte zu besinnen."
    Themen werden aufgebauscht oder verharmlost
    Initiativen wie etwa das Projekt Medien-Doktor der Technischen Universität Dortmund versprechen mehr Qualität im Wissenschaftsjournalismus. Beim Medien-Doktor bewerten Journalisten wissenschaftliche Beiträge nach bestimmten Kriterien. So sollten etwa bei medizinischen Themen Risiken und Nebenwirkungen thematisiert und mehrere Experten befragt werden. Auch alternative Behandlungsmöglichkeiten und Kosten sollten selbstverständlich erwähnt werden. Werden Themen aufgebauscht oder verharmlost, in verständlicher Sprache vermittelt? Auch diese Fragen sind im digitalen Zeitalter ein Indikator für vertrauenswürdige Wissenschaftskommunikation. Peter Weingart fordert ein Qualitätslabel für vertrauenswürdige Wissenschaftskommunikation.
    "Wie das genau das im Endeffekt aussehen kann, so weit sind wir in unseren Vorschlägen gar nicht gegangen. Da müsste sich jetzt die Wissenschaft Gedanken machen, wie sie das tun will. Vor allem muss das Qualitätslabel nach außen ja auch Renommee haben, also es muss einen Anreiz für Journalisten sein, in dieser Weise ausgezeichnet zu werden und dazu braucht es Zeit in jedem Fall."
    Keine einheitlichen Kriterien
    Von einheitlichen Kriterien für gute Wissenschaftskommunikation kann derzeit keine Rede sein. Dabei ist die Themenvielfalt angefangen von Forschungsvorhaben bis hin zu wissenschaftspolitischen Themen riesig. Für den Soziologen Peter Weingart gilt auf jeden Fall die Empfehlung: Weg vom Hype der schnellen Sensation.
    "Eine bestimmte Atmosphäre der Berichterstattung ist eigentlich das, worum es geht."
    Auch die Politik sei gefordert, die Finanzierung der Wissenschaftskommunikation zu stärken und wissenschaftliche Weiterbildungen zu fördern, meint Holger Wormer. Er leitet an der Technischen Universität Dortmund den Lehrstuhl Wissenschaftsjournalismus.
    "Das ist bisher so ein Randthema, es gibt einige wenige, die sich damit beschäftigen, aber die Politik muss erkennen, dass eine demokratische Gesellschaft darauf angewiesen ist, dass Bürger vernünftige Informationen bekommen und da muss die Politik sich zusammen mit den Sendern und Verlegern Strategien überlegen, wie man das künftig fördern kann."
    Qualität statt Quantität gefordert
    Dabei sollten die Hochschulen mit gutem Beispiel voran gehen. Weg von der Quantität, der Vielzahl an täglichen Pressemitteilungen, hin zu mehr Qualität, sagt Holger Wormer.
    "Wir haben auf der einen Seite eine gute wissenschaftliche Praxis, da gibt es Regeln dazu. Wir haben journalistische Standards, wir haben einen Pressekodex und es kann eigentlich nicht sein, dass an der Stelle die dazwischen ist, nämlich die Wissenschafts PR oder Wissenschaftskommunikation von Hochschulen und Forschungseinrichtungen eine Art rechtsfreier Raum ist. Auch da müssen Standards her, die sich an den Journalismus, aber auch an die Wissenschaft anlehnen können und da sind wir noch lange nicht weil jeder eine ganze Menge macht, aber es macht auch jeder das, was er gerade will."
    Ein Wissenschaftspresserat sollte Leitlinien für die journalistische Darstellung wissenschaftsbezogener Themen erarbeiten, so eine weitere Empfehlung der Wissenschaftsakademien.