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Wolf im Schafspelz

Google wird von Datenschützern immer sehr kritisch beobachtet. Nun hat sich das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz angeschaut, ob dessen Programm Google Analytics Daten unterschiedlicher Nutzer zusammenführt.

Von Pia Grund-Ludwig |
    Waren Sie heute schon im Internet? Haben Sie dort online Zeitung gelesen, eingekauft oder Informationen für den nächsten Urlaub geholt? Dann ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass Ihre Datenspuren von Google Analytics ausgewertet worden sind. Das Programm weiß zum Beispiel, wie lange Sie einen Artikel eines extremistischen Internet-Auftritts geöffnet hatten, der sich mit dem islamischen Djihad beschäftigt. Oder welche Angebote eines Mobilfunkanbieters Sie interessieren und in welcher Reihenfolge Sie dessen Seiten besuchen. Das kann ja durchaus nützlich sein. Weiß ein Reiseanbieter zum Beispiel, was seine Kunden besonders gerne nutzen, kann er sein Angebot verbessern. Er merkt vielleicht, dass Kunden den Netzauftritt immer am gleichen Punkt verlassen, weil sie sich auf den Internet-Seiten verheddert haben. Google könnte aber mehr tun als nur einen einzelnen Seitenbetreiber mit nützlichen Informationen versorgen, meint Marit Hansen vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz in Kiel:

    "Für den Website-Betreiber allein würde es ausreichen, wenn in dessen Bereich sein Nutzungsverhalten, wo gehen Nutzer besonders hin, was lassen sie weg, was finden sie vielleicht nicht auf der Webseite , dass diese Information ihm bekannt wird. Das wäre ja toll, aber bei Google Analytics ist das so, dass alle Informationen von allen Website-Betreibern, die Google Analytics einsetzen, zusammen in eine Datenbank geführt werden."

    Während ein Webseitenbetreiber nur seine Besucher sieht, habe Google Kenntnis aller Analytics-basierten Webseiten, die der Nutzer besucht hat, so das Landeszentrum. Das stimme nicht, betont Stefan Keuchel, Pressesprecher von Google Deutschland gegenüber dem Deutschlandfunk.

    Zitat: Die Daten werden NICHT zusammengeführt und auch nicht für andere Zwecke als das Reporting für den Google Analytics Kunden verwandt. Anders ausgedrückt: Mit Google Analytics werden nur und ausschließlich aggregierte Statistiken erstellt.

    Wie viele Webseiten das Werkzeug in Deutschland einsetzen ist unklar. Schätzungen aus anderen europäischen Ländern kommen zum Ergebnis, dass vier von fünf Betreibern die Software nutzen. Das dürfte auch für Deutschland realistisch sein, genaue Zahlen sind aber von Google nicht zu bekommen. Datenschützerin Hansen hat bei ihrer Recherche herausgefunden, dass vor allem ein Großteil der Seiten, die hohe Reichweiten haben, den Dienst verwendet. Dessen Plus aus Sicht der Betreiber: Er ist kostenlos. Doch dessen Nutzung kann bedenklich aus Sicht des Datenschutzes sein. In den Nutzungsbedingungen gibt es deshalb eine Musterformulierung. Darin müssen Betreiber von Web-Seiten, die Google Analytics einsetzen, sich verpflichten, dies auf ihren Seiten kenntlich zu machen. Google behält sich auch das Recht vor, das zu kontrollieren und gegebenenfalls Änderungen der Seiten zu fordern. Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz hat nun stichprobenartig Internet-Seiten besucht, die das Programm verwenden und sich angeschaut, ob das auch umgesetzt wird. Datenschützerin Hansen zum Ergebnis:

    "Erst mal die gute Nachricht von unserer Stichprobe, dass etwa 30 Prozent das auch gemacht haben. Das heißt, sie hatten eine Datenschutzerklärung und hatten so etwas immerhin schon mal reingepackt. Die schlechte Nachricht ist, erstens reicht das gar nicht aus und zweitens: es widersprach teilweise dem, was die an anderer Stelle in ihrer Datenschutzerklärung geschrieben hatten. Die haben also relativ tumb diesen Text von Google genommen und reingepackt und das stimmte überhaupt nicht mit anderen Dingen überein. So macht das jedenfalls keinen Sinn. Das heißt, eine richtige Datenschutzinformation gab es nicht."

    Diese Information ist derzeit auch vor allem deshalb kaum möglich, da weder die Betreiber der Internet-Seiten noch die Datenschützer wissen, was Google mit den Nutzerdaten eigentlich macht. Die Kieler Datenschützer haben vor zwei Wochen bei der deutschen Dependance von Google nachgefragt, aber noch keine Antwort bekommen. Dafür hat Hansen zwei mögliche Erklärungen:

    "Anscheinend ist das entweder keine einfache Antwort auf unsere Fragen oder wir werden da gar nicht ernst genommen als Aufsichtsbehörde."

    Das gefällt der Datenschützerin natürlich gar nicht. Schließlich habe sich Google ja verpflichtet, im Rahmen des Safe Harbor-Abkommens das europäische Datenschutzniveau einzuhalten. Dazu gehöre auch die Kooperation mit den Datenschützern. Ob sich Google Analytics derzeit Datenschutz-konform einsetzen lässt, bezweifelt Hansen:

    "Im Augenblick sehen wir nicht, dass das konform mit den Anforderungen geht."

    Sie beurteilt den Einsatz durch deutschen Betreiber von Internet-Präsenzen kritisch, und zwar nicht nur deshalb, weil sie damit möglicherweise gegen Datenschutzrecht verstoßen. Sie geben auch wertvolle Informationen über ihre Kunden aus der Hand. Und die könnte Google durchaus nutzen, um selbst konkurrierende Angebote aufzubauen.