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Wolfgang Rihms Oper „Die Eroberung von Mexiko“ im Kölner Staatenhaus
„Bauchmusik“ und pralles Theater

Der Regisseur Peter Konwitschny betrachtet Wolfgang Rihms Oper „Die Eroberung von Mexiko“ in seiner Inszenierung aus der Perspektive zwischenmenschlicher Beziehungen. Angetrieben und aufgeheizt von harschen Klängen und harten rhythmischen Impulsen, steigert sich sein Zugriff zum assoziationsgetränkten Bilderrausch.

Von Egbert Hiller |
    Szenenfoto aus Wolfgang Rihms Oper "Die Eroberung von Mexiko", die in Koproduktion zwischen Salzburg und Köln im Sommer 2015 die Salzburger Festspiele eröffnete, mit Angela Denoke als "Montezuma" und Bo Skovhus als "Cortez"
    Zuerst in Salzburg, jetzt in Köln zu sehen: Peter Konwitschnys Inszenierung von Rihms Oper "Die Eroberung von Mexiko" (Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus)
    Musik: Wolfgang Rihm, Die Eroberung von Mexiko
    Die Geschichte Mexikos ist geprägt von Eroberungen. In den Jahren 1519 bis 1521 wurde das Aztekenreich von den Spaniern eingenommen und kolonialisiert. Diese Herrschaft, die mit der Versklavung der indianischen Bevölkerung einherging, endete erst nach heftigen Unabhängigkeitskriegen mit der Ausrufung der Republik Mexiko im Jahre 1821. 1848 starteten dann US-amerikanische Truppen eine Invasion. Fast die Hälfte des mexikanischen Territoriums wurde von den USA erobert und nicht mehr hergegeben. Und heute: Da errichten die USA einerseits Mauern gegen Einwanderer aus Mexiko, während sie dem bitterarmen und vom Drogenkrieg zerrütteten Land andererseits im Rahmen eines Freihandelsabkommens US-Standards aufzwingen und mit dem Hebel vermeintlichen Investitionsschutzes Schadenersatzzahlungen an US-Konzerne abnötigen. Diese Eroberungen hatte Peter Konwitschny in seiner Inszenierung von Wolfgang Rihms Oper im Sinn. Dennoch schuf er kein großes Welttheater. Er betrachtete "Die Eroberung von Mexiko" vielmehr aus der Perspektive zwischenmenschlicher Beziehungen.
    "Die kleinste Zelle der Gesellschaft ist die Familie, ja, und in dieser Familie, in dieser Zweierbeziehung findet die gesamte Politik auch statt. Entweder es gibt da Liebe oder es gibt Verwüstung, und Besitz, Macht."
    Archaische Suggestivkraft
    Der spanische Konquistador Hernán Cortéz betritt als Verehrer die Szene. Ungeschickt macht er dem Aztekenkönig Montezuma, der bei Wolfgang Rihm weiblich ist, den Hof. Empfangen wird Cortéz mit offenen Armen, allerdings endet die erste Begegnung der beiden im Fiasko. Dieser Anfang rückt nicht nur die beiden stimmlich und darstellerisch brillanten Hauptpersonen, Ausrine Stundyte als Montezuma und Miljenko Turk als Cortéz, ins beste Licht, sondern nimmt auch spitzfindig auf das historische Geschehen Bezug. Denn immerhin ist überliefert, dass Montezuma die Spanier mit Geschenken begrüßt habe, was diese aber nicht von der gewaltsamen Eroberung abhielt. Was dann in Konwitschnys Inszenierung folgt, ist ein assoziationsgetränkter Bilderrausch – angetrieben und aufgeheizt von der Musik, die vom Gürzenich-Orchester Köln unter Leitung von Alejo Pérez großartig dargeboten wurde. Trotz der extrem trockenen Akustik im Staatenhaus, der Ersatzspielstätte der Kölner Oper, büßte Wolfgang Rihms Musik nichts von ihrer Expressivität und archaischen Suggestivkraft ein. Der argentinische Dirigent über das Raumklangerlebnis:
    "Die Musik ist um das Publikum herum, das Orchester verteilt, und eben diese Bewegung, dieser fast dreidimensionale Klang, macht eben eine gewisse Extradramaturgie als das, was auf der Bühne passiert."
    Musik: Wolfgang Rihm, Die Eroberung von Mexiko
    "Diese Bauchmusik, ich sage das mit Respekt, mit hohem Respekt, das überträgt sich natürlich auf das Publikum und unbedingt auf die Geschichte, also eben bei dieser Produktion hat Peter Konwitschny eine starke theatralische Richtlinie geschaffen für das Stück, was sonst eher im Abstraktum bleibt."
    Düsterer Autofriedhof
    Das Libretto schrieb Wolfgang Rihm selbst. Als Vorlage diente ihm ein visionärer Text des französischen Dichters Antonin Artaud, der den Begriff eines "Theaters der Grausamkeit" prägte, das sich radikal auf das Körperliche und Emotionale konzentrieren sollte. Rihms harsche Klänge und gnadenlos harten rhythmischen Impulse spiegeln diesen Aspekt wider und gehen in Peter Konwitschnys Inszenierung hoch spannende Wechselwirkungen mit dem Bühnengeschehen ein. Neben Montezuma, Cortéz und deren Begleitern, zwei Sängerinnen und zwei Sprecher, trumpfte vor allem ein Bewegungschor auf, der an einen entfesselten Mob, an Massenvergewaltigung, an Lynchjustiz oder auch an die Vorkommnisse in der Kölner Silvesternacht gemahnte. Als die schwangere Montezuma kein Kind, sondern Computer und mithin das Zeitalter der Digitalisierung zur Welt brachte, wurden in grellen Bildern Playstation- und Drohnenkriegsszenarien projiziert. Auch wenn manche Regieeinfälle ein wenig plakativ anmuteten, so gelang Peter Konwitschny aufs Ganze gesehen ein ebenso hintersinniges wie sinnlich pralles Musiktheater, wozu neben sämtlichen Darstellern auch das Bühnenbild von Johannes Leiacker beitrug. Es zeigt auf ganzer Breite einen düsteren Autofriedhof, dem ein trautes Heim als Glücksverheißung, aber auch als Angstraum aufgepflanzt ist. Noch einmal der Regisseur:
    "Die Geschichte spielt eben nicht im luftleeren Raum, sondern auf einer vernutzten Welt, einer kapitalistisch durch Profit vernutzten Welt. Womit am meisten Geld zu machen ist, das wird eben gemacht, gegen alle Gesetze, und das ist in dem Autofriedhof enthalten. Und das Zimmer ist da wie so eine angeschwemmte Hütte oder so."
    Musik: Wolfgang Rihm, Die Eroberung von Mexiko
    Weitere Themen der Sendung:
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    Uraufführung von Helmut Oehrings Melodram "AGOTA? Die Analphabetin" in Wiesbaden
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