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Wolkenimpfen
Wettermachen in Wyoming

Das Prinzip ist seit Langem bekannt: Man kann künstlich Regen erzeugen, wenn man feinste Salzpartikel als Kristallisationskeime in feuchte Luft einbringt. Doch die Ausbeute ist offenbar gering. Das zeigen Erfahrungen aus einem sechsjährigen Projekt in den USA

Von Volker Mrasek | 28.01.2015
    Ein Vogel fliegt durch Wolken.
    Im trockenen Wyoming hoffen die Wolkenmacher auf Erfolge (MANAN VATSYAYANA / AFP)
    Fünf Jahre dauerte das Experiment im US-Bundesstaat Wyoming. Fünf aufeinanderfolgende Winter von 2009 bis 2013. Fast 120mal warfen die Forscher in dieser Zeit ihre Generatoren in den Rocky Mountains an. Geräte, die jedes Mal Silber-Iodid freisetzten. Damit Aufwinde die feinen Salzpartikel in die Wolken emportragen und sie dazu bringen, mehr Schnee zu fabrizieren.
    Jetzt liegen die Ergebnisse des bisher längsten Projektes dieser Art vor. Sie zeigen: Das sogenannte Impfen von Wolken funktioniert. Doch nur unter ganz bestimmten Bedingungen. Der wissenschaftliche Leiter des Experiments, Roy Rasmussen, vom Nationalen Zentrum für Atmosphärenforschung der USA:
    "In unseren Feldversuchen konnten wir eine Zunahme des Niederschlags von bis zu 15 Prozent beobachten. Außerdem haben wir die Hälfte der Experimente zusätzlich im Computer simuliert, mit ziemlich ausgefeilten, dreidimensionalen Wolken-Modellen. Da waren die Ergebnisse ganz ähnlich. Sodass wir alles in allem sagen können: Das Impfen von Wolken bringt schätzungsweise 5 bis 15 Prozent mehr Niederschlag."
    Silberiodid als Impfstoff
    Das Experiment war klug konzipiert. Es lief in zwei parallel verlaufenden Gebirgszügen in der Nähe der Stadt Saratoga. Jedes Mal, wenn die Generatoren Silberiodid produzierten, geschah das nur in einem der beiden Gebiete. Im anderen schneiten die Wolken unbeeinflusst ab. So konnten die Forscher stets natürliche und manipulierte Schneemengen in derselben Region miteinander vergleichen. So etwas ist vorher noch nie gemacht worden, und das macht das Projekt in Wyoming so einzigartig.
    Nicht immer gelang es dabei, das Silberiodid tatsächlich in die Wolken über den Rocky Mountains zu bugsieren. Obwohl die Salz-Generatoren ziemlich weit oben postiert waren, knapp 3.000 Meter hoch, wie Rasmussen sagt:
    "So ein Generator schießt die Partikel nicht direkt in die Wolken. Sondern er verbrennt eine Lösung, die das Silberiodid enthält, und produziert so einen Rauch aus feinen Salzteilchen. Der wird in Bodennähe freigesetzt, und natürliche Luftströmungen müssen diesen Rauch in die Wolke transportieren."
    Man könnte die künstlichen Keime auch direkt in die Wolken eintragen. Per Flugzeug. Das ist aber sehr teuer. Nimmt man lieber die Rauchentwickler, müssen die meteorologischen Bedingungen absolut stimmen. Der Wind muss die richtige Richtung und Stärke haben. Zudem darf die Luft-Temperatur nicht wärmer als minus acht Grad sein, und in den Wolken muss Wasser dann noch flüssig vorhanden sein -"unterkühlt", wie man sagt. Sonst kristallisiert nämlich kein Eis an den Silberiodid-Partikeln, und es kann auch nicht mehr Schnee fallen.
    Geringe Erträge
    An den meisten Tagen ist es deshalb gar nicht möglich, Wolken erfolgreich zu impfen. Darauf verweist auch Terry Deshler, kürzlich emeritierter Professor für Atmosphärenwissenschaft an der Universität von Wyoming. Der Physiker war Berater bei dem Projekt:
    "Eine Doktorandin von mir hat untersucht, wie häufig solche Bedingungen im Südosten Wyomings auftreten. Sie fand heraus: Nur an drei von zehn Wintertagen kann man überhaupt Wolken impfen. Und auch dann schneit es nicht immer! Das ist nur in jedem sechsten bis siebten Fall so. Wenn man also den ganzen Winter betrachtet, dann fällt die Niederschlagszunahme durch das Impfen von Wolken viel geringer aus. Nach unseren Schätzungen beträgt sie dann nur noch 1,5 bis 4,5 Prozent."
    Mehr Niederschlag durch künstliche Wolkenkeime aus Silberiodid - das Ganze funktioniert, wie der Langzeitversuch in den Rocky Mountains bestätigt. Nur ist der Effekt offenbar bescheiden.
    Der Projektleitung war er dennoch groß genug, um ein dauerhaftes Wolkenimpf-Programm in Wyoming anzuregen. Dort ist der Schnee im Gebirge eine wichtige Ressource. Sein Schmelzwasser versorgt im Frühjahr Städte und Agrarbetriebe. Das Wolkenimpfen könne mehr davon liefern, zu den üblichen Marktpreisen für Wasser, sagen die Wissenschaftler. Ökologische Bedenken haben sie nicht. Die frei werdenden Silber und Iod-Mengen gelten als zu gering, um Mensch oder Umwelt zu schädigen.
    Wie sich die Regierung von Wyoming entscheidet, steht allerdings noch nicht fest.