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Yin und Yang der chinesischen Klimapolitik

Klima. - China hält seine Klimazusage ein, seine Energieeffizienz kräftig zu steigern. Inzwischen erzielt das Land dieselbe Wirtschaftstleistung mit deutlich weniger Energieaufwand als noch vor fünf Jahren. Das Problem: Absolut steigen die Emissionswerte, da Chinas Wirtschaft rasant wächst.

Von Volker Mrasek | 06.10.2011
    Panama ist bereits die dritte Zwischenkonferenz in diesem Jahr, die Zeit bis zum großen Klimagipfel in Südafrika im Dezember drängt. Doch Fortschritte bei den Verhandlungen sind weiterhin nicht erkennbar. Und auch ihr gemeinsames Ziel scheint die Staatengemeinschaft immer mehr aus den Augen zu verlieren.

    Eigentlich soll alles getan werden, um eine globale Erwärmung von mehr als zwei Grad Celsius zu verhindern. Forscher rechnen für diesen Fall mit unbeherrschbaren Kapriolen des Klimas ...

    "Im Moment sind wir sehr, sehr weit vom Zwei-Grad-Ziel entfernt. Stattdessen steuern wir auf eine globale Erwärmung von weit über drei Grad zu."

    Bill Hare leitet ein Fachbüro für Klimaanalyse in Potsdam. Zusammen mit anderen Experten legte der Physiker jetzt auf der Konferenz in Panama aktuelle Berechnungen vor über künftige Treibhausgas- und Temperatur-Trends, gestützt auf das, was Industrie- und Schwellenländer bis heute an Klimaschutzmaßnahmen zugesagt haben. Es sei immer noch eindeutig zu wenig, sagte Hare auf einer Pressekonferenz.

    Der Australier verwies insbesondere auf die beiden Elefanten im Klimahaus, wie er sie nennt:

    "”China ist der eine Elefant, die USA der andere. Wenn die beiden ihre Emissionen nicht rasch reduzieren, wird die Welt Probleme haben, den Temperaturanstieg in den Griff zu kriegen.""

    In den USA herrscht klimapolitischer Stillstand. Dabei will das Land mit seinen Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um fast ein Fünftel runter. Wie das funktionieren soll, weiß heute kein Mensch.

    Paradox ist die Situation im Fall von China. Seine Energie- und Klimaschutzpolitik sei durchaus ambitioniert, sagte Niklas Höhne auf der Pressekonferenz in Panama. Der Physiker ist Direktor für Energie- und Klimapolitik bei der Fachberatungsfirma Ecofys:

    "China hat sehr ehrgeizige Vorhaben umgesetzt, zum Beispiel beim Einsparen von Energie. Heute erzielt das Land dieselbe Wirtschaftstleistung mit 20 Prozent weniger Energie als noch vor fünf Jahren. Außerdem führt China in großem Umfang erneuerbare Energieträger ein. So sollen bis 2015 noch einmal Windräder mit einer Gesamtleistung von 70 Gigawatt aufgestellt werden - genauso so viele, wie heute schon am Boden stehen."

    Zugegeben: Das sind immense Fortschritte, und auf internationaler Bühne hat China auch zugesichert, diese Maßnahmen weiterzuverfolgen. Das Problem ist nur: Sie führen nicht zu absoluten Emissionsminderungen, da Chinas Wirtschaft zur gleichen Zeit rasant wächst - ja, sogar kräftiger, als bisher angenommen - nicht um sieben Prozent pro Jahr, sondern laut Niklas Höhne sogar um mehr als zehn:

    "Chinas Emissionen sind nun eine Milliarde Tonnen höher als nach unseren bisherigen Schätzungen."

    Eine neue Studie aus dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung bestätigt diesen Trend. Demnach gehen in China immer mehr Stahl- und Zementwerke in Betrieb. Benötigt werden sie für den Bau von Häusern, Kraftwerken und Straßen. Es handele sich dabei um sehr energieintensive Industriezweige. Mit dem Strukturwandel der chinesischen Wirtschaft seien deshalb höhere Kohlendioxid-Emissionen verbunden.

    Bei den internationalen Klimaverhandlungen hat China bisher nur zugesagt, seine Energieeffizienz kräftig zu steigern. Dieses Ziel dürfte das Land zwar tatsächlich erreichen, wie Bill Hare in Panama sagte. Chinas Treibhausgas-Ausstoß werde aber gleichwohl weiter zunehmen.

    Für den Physiker eine absolut unbefriedigende Situation. Er würde sich wünschen, dass China nachbessert und sich dann auch andere Elefanten im Klimaladen bewegen:

    "Wenn China weitergehende Angebote in die internationalen Klimaverhandlungen einbrächte, wäre das eine Herausforderung für andere. Dann würde vielleicht auch die Europäische Union noch einmal darüber nachdenken, ehrgeizigere Klimaschutz-Ziele zu formulieren."