Dienstag, 19. März 2024

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Zerfall von Angkor Wat
Fachleute im Wettlauf gegen die Zeit

Angkor Wat zählt zum UNESCO Weltkulturerbe. Doch der Zustand der berühmten kambodschanischen Tempelanlage ist besorgniserregend: Viele der kunstvollen Sandsteinbauten sind bereits stark verwittert. Ein Kölner Geowissenschaftler kämpft seit 20 Jahren vor Ort gegen den Verfall - mit ungewissem Ausgang.

Von Michael Stang | 20.06.2018
    Eingang zum Angkor Wat Tempel in Kambodscha
    Eingang zum rund einen Kilometer vom Angkor Wat Tempel entfernten Angkor Thom (imago stock&people / Westend 61)
    Wie an jedem Wochentag strömen Tausende Touristen nach Angkor Wat, dem Wahrzeichen Kambodschas, einst Zentrale der Khmer Hochkultur, seit 1992 UNESCO Weltkulturerbe. Die Scharen werden von Jahr zu Jahr größer, seufzt Hans Leisen. Seit mehr als 20 Jahren kommt der Geowissenschaftler der TH Köln regelmäßig für Restaurierungsarbeiten im Rahmen des "German Apsara Conservation Projects Köln" hier her. Ein Wettlauf gegen die Zeit, den niemand gewinnen könne.
    "Also, wir sind da relativ puristisch, wir konservieren den Status Quo, das heißt wir stabilisieren das Ganze, was wir am Objekt finden, ohne groß zu rekonstruieren."
    Es geht Richtung Tempel, der dunkel schimmert. Vor jeder Maßnahme müssen die Restauratoren die Steine erst von dieser Schicht befreien. Plötzlich fängt es an zu regnen.
    Festhaftende Biofilme
    "Und das ist auch relativ mühsam, weil vor allem die Flechten, die hier noch drauf sind, die sehr, sehr, sehr gut haften, es ist alles voll. Also diese schwarzen Dinger, das ist alles eine Vergesellschaftung von Algen, von Pilzen, so genannte Biofilme."
    Der mittlerweile emeritierte Professor bahnt sich zwischen den Menschenmassen den Weg zu seinem Team, das hoch oben auf einem Gerüst arbeitet. Am Gerüstbau hat sich hier seit den 1990er-Jahren nicht viel geändert, an der Dokumentation und Vermessung schon.
    Ein Forscher liest auf einem in Messgerät für Wasseraufnahme
    Messung, wie schnell der Stein Wasser aufnimmt (Deutschlandradio / Michael Stang)
    "Wir waren die ersten, die hier Drohnen eingesetzt haben, um so ein Objekt wie diesen Turm fotografisch zu erfassen bevor wir ein Gerüst haben, weil man ja dann viele Dinge nicht mehr so richtig dokumentieren kann, weil wir dann eben diese Bilder auch brauchen, um da die ganzen Kartierungen drauf anzubringen."
    Messungen, wie schnell der Stein Wasser aufnimmt
    Hans Leisen öffnet eine Gittertür und betritt die Baustelle. Er steigt eine Metalltreppe hoch. Auf der zweiten Gerüstetage begrüßt der Wissenschaftler sein Team: Konservatoren, Geowissenschaftler und Hilfsarbeiter. Manager Sophose Luy führt uns herum. Er zeigt auf einen Kollegen. Dieser hat sich hingehockt und beobachtet aufmerksam ein mit Wasser gefülltes Röhrchen, das an einem Relief angebracht ist.
    "Das ist eine Wasseraufnahmemessung mit dem sogenannten Karsten`schen Prüfröhrchen. Wir messen, wie schnell der Stein das Wasser aufnimmt. Geht es sehr schnell, dann ist der Stein stark verwittert, weil es viele Gänge gibt, durch die Wasser fließen kann. Läuft das Wasser nur langsam, so wie jetzt gerade, ist der Verbund im Sandstein noch gut."
    Zwei Meter weiter rechts sitzt ein Arbeiter auf einer Bohle. Vorsichtig führt er einen Schlauch in einen Riss. Daran hängt eine mit Kieselsäureester gefüllte Spritze.
    Versiegelung mit Kiesel-Gel
    "So, now he starts sealing all the stone crack."
    Forscher injiziert Kieselsäureester mit einer Spritze
    Forscher injiziert Kieselsäureester mit einer Spritze (Deutschlandradio / Michael Stang)
    Damit wird der Riss verschlossen, erklärt Sophose Luy. Es entsteht Kiesel-Gel, dass in dem Zwischenräumen verwittertes Sandgestein ersetzt. Eine langwierige Arbeit, die vor allem Geduld erfordert. Wir gehen ein paar Schritte weiter.
    Ein Arbeiter bohrt ein Loch in Sandstein.
    "Das ist die sogenannte Bohrwiderstandsmessung. Damit prüfen wir, wie fest oder porös der Stein ist."
    Teilweise sei der Sandstein bereits stark geschädigt, erklärt Hans Leisen.
    "Das Problem ist, dass bei bestimmten von diesen Tonmineralen Wasser in diese Zwischenschichten reingeht und die Tonminerale quellen lässt. Und wenn das Wasser rausgeht, wenn es trocknet, dann schrumpfen die wieder. Und das passiert eben in diesem Stein zwischen den Sandkörnern. Permanent, täglich: Quellen, Schrumpfen, Quellen, Schrumpfen, Quellen, Schrumpfen. Und da zermürbt dieser Prozess, dieser ständige Wechsel, zermürbt das Gestein vollständig."
    Finanzierung weiter schwierig
    In den vergangenen Jahrzehnten hat der Geowissenschaftler mit vielen Kollegen in Kambodscha zusammengearbeitet und auch viele Fortbildungsmaßnahmen organsiert. Doch wirklicher Nachwuchs ist nicht in Sicht. Zum einen gibt es keine etablierte Ausbildung, zum anderen war und ist die Finanzierung weiter schwierig.
    Die Regenzeit hat gerade begonnen. Der Regen wird immer stärker.
    "Und man muss natürlich schon auch sehen, es gibt einen ganz, ganz erhebliche … [ein Donner ist zu hören] oh, dann gehen wir mal auf die Holzbretter und nicht auf Metall."
    In den kommenden drei Jahren soll das Konservierungsprojekt vollständig an kambodschanische Behörden übergeben werden, das betrifft die Finanzierung und die praktische Arbeit. Wer auch immer Hans Leisens Nachfolger als Projektleiter wird, hat eine Herkulesaufgabe zu bewältigen.
    "Dieser Tempel, da ist praktisch über 800 Jahre nie was gemacht worden."