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Zerstörungen durch IS
"Die internationale Gemeinschaft ist weitgehend hilflos"

Mit seinen Zerstörungen und Plünderungen vorislamischer Tempel und Denkmäler wie zuletzt in Palmyra wolle der Islamische Staat seinen Herrschaftswillen innerstaatlich wie international klarstellen, sagte Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik im DLF. Dabei sei die Terrormiliz nicht zu stoppen. Es gebe nur eine Möglichkeit, die Kunstschätze für die Nachwelt zu erhalten.

Markus Kaim im Gespräch mit Thilo Kößler |
    Auf einem von der IS-Miliz veröffentlichten Foto ist über der antiken Stätte von Palmyra eine große Rauchwolke zu sehen.
    Die IS-Miliz veröffentlicht Fotos, die die Zerstörung des Baal-Schamin-Tempels im zentralsyrischen Palmyra zeigen. (picture alliance / dpa / Kyodo/MAXPPP)
    Mit der Zerstörung der altertümlichen Stätten verfolge der Islamische Staat mehrere Zwecke, sagte Kaim. Einerseits gehe es um innenpolitische Herrschaftslegitimation. "Man unterstreicht gegenüber der Bevölkerung derjenigen Gebiete, die man beherrscht, dass eine neue Epoche angebrochen ist, auch äußerlich, dadurch, dass Relikte alter Epochen zerstört werden." Die zweite Komponente sei die Zerstörung als "Illustration oder Beweis für die Internationale Gemeinschaft für die Allmacht, oder zumindest große Macht des IS", so Kaim. Es sei kein Zufall, dass die Bilder von den Zerstörungen in Mossul und Palmyra auch über die Sozialen Netzwerke des IS an die internationale Gemeinschaft gelangt seien. "Das dient der Manifestation und Legitimation des Herrschaftswillens."
    Eine spezifische dogmatische Herleitung oder Lehre aus dem Koran für die Zerstörung hat die Terrormiliz aus Kaims Sicht nicht: "Die Lehre ist vergleichsweise schlicht, und sie ist die Lehre aller Fundamentalisten, nicht nur islamischer Fundamentalisten, sondern auch christlicher, jüdischer oder hinduistischer Fundamentalisten: die Annahme, dass es eine Gesellschaftsordnung gegeben habe, einen Glauben, aus dem diese Gesellschaftsordnung entspringt, der in grauer Vorzeit einmal der richtige gewesen ist." Beim IS sei dies "die Gesellschaftsordnung, die zur Zeit Mohammeds vor 1400 Jahren geherrscht hat", welche aus Sicht der Miliz im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten sei und von der sich die Menschen abgewendet hätten, die es aber nun wieder herzustellen gälte.
    Das Ausland könne den Zerstörungen nur zuschauen, so Kaim. "Die internationale Gemeinschaft, da muss man ehrlich sein, ist weitgehend hilflos. Sie kann natürlich jetzt darauf verweisen, dass sie die Zerstörung von Kulturgütern, gerade diejenigen, die als UNESCO-Welterbe deklariert worden sind - das hätte den Charakter eines Genozids oder hätte den Charakter von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das hilft allerdings wenig weiter. Auch die Rufe, dass es jetzt darum ginge, den IS mit Waffengewalt zurückzudrängen um Palmyra oder andere Kulturgüter zu schützen - ich glaube, das wird ergebnislos verhallen."
    Kaim: Handel mit Kulturgütern ist drittgrößte Einnahmequelle des IS
    "Vielleicht hilft es eher, sich darauf zu beschränken, diese Zerstörung zu dokumentieren beziehungsweise auch zu dokumentieren, wo einzelne Artefakte, die ja nicht nur zerstört worden sind, sondern auch in den internationalen Kunsthandel gelangen." Schon bei Zerstörungen von Buddha-Statuen in Afghanistan vor wenigen Jahren sei es durch genaue Dokumentationen gelungen die Kunstwerke zu rekonstruieren - sonst wären sie für die Menschheit verloren gewesen."
    In den Ländern, in denen der Islamische Staat aktiv sei, gebe es auch Nichtregierungsorganisationen, die sich der Dokumentation der Zerstörung verschrieben hätten. Diese könnten aufgrund der Kriegshandlungen im Moment nicht wirklich arbeiten, versuchten aber, "so gut es irgendwie geht, in einem Kriegsgebiet diese Zerstörung beziehungsweise Plünderung zu dokumentieren - auch für die internationale Öffentlichkeit nachvollziehbar zu machen. Und das erlaubt dann auch internationalen Ermittlungsbehörden, im Einzelfall nachzuweisen, dass Artefakte illegalerweise außer Landes gebracht worden sind, beziehungsweise in westlichen Auktionshäusern auftauchen."
    Bisher sei die Arbeit aber kaum erfolgreich, so Kaim: "Nach allem, was wir wissen, ist illegaler Handel mit Antiquitäten, mit Artefakten die drittgrößte Einnahmequelle des Islamischen Staates, und dementsprechen muss man davon ausgehen, dass die internationalen Kontrollen nur begrenzt wirken. Das hat vor allem damit zu tun, dass in weiten Teilen des Iraks und in weiten Teilen Syriens Staatlichkeit faktisch erloschen ist und damit alle staatlichen Institutionen, die mit Denkmalschutz, mit der Sicherung von archäologischen Ausgrabungen befasst gewesen sind, entweder aufgelöst worden sind oder aufgrund der Kriegshandlungen im Moment darniederliegen."