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"Zuhören" im Berliner Radialsystem
Kultur und ihr Einfluss auf die Politik

Im Berliner Radialsystem suchen Kulturschaffende nach künstlerischen Strategien, um politisch Einfluss zu nehmen: im Film, im Tanz und in Diskussionen. Zu sehen bei dem Festival "Zuhören" ist das Tanzstück "Continu" von Sasha Waltz.

Von Jutta Schwengsbier |
    Die Tänzer bewegen sich dicht gedrängt, wie an Fäden gezogen durch den Raum. Plötzlich stehen alle in einer Reihe still. Ein kurzes "Pah, Pah, Pah". Einer nach dem anderen fällt um und scheint tot. Woher die Schüsse kamen? Wer geschossen hat? Die Verantwortlichen für das Massaker sind nicht zu sehen.
    Viele der Konflikte, die derzeit die ganze Welt in Flammen setzen, seien orchestriert und inszeniert wie ein Theaterstück, urteilt Keti Dolidze. Die Grande Dame der georgischen Kunstszene hat mit atemlosen Staunen beobachtet, wie in Serbien, in ihrer Heimat Georgien und dann später auch in der Ukraine Aufstände geplant und durchgeführt wurden, - wie nach einem Marketingplan.
    "Schauen sie sich die vergangenen 20 Jahre an. Sehen sie was passiert ist? Sehen sie sich diese sogenannten Farbrevolutionen an. Gibt es eine Einzige, die nicht im Desaster endete für das betroffene Land?"
    Rosen Revolution. Orangene Revolution. Trotz der schönen Namen sei wenig Gutes daraus entstanden, urteilt Dolidze.
    "Diese Revolutionäre wurden nur neue Diktatoren. Sie übernahmen die Macht und berauschten sich daran. Das beste Beispiel ist Saakaschwili. Das ist ein Desaster. Saakaschwili war auch ein Projekt des Westens."
    "Wir müssen klüger sein"
    Erst angetreten, um Korruption zu bekämpfen, baute Micheil Saakaschwili Georgien zu einem Polizeistaat um. Nachdem ein Foltervideo aus einem Gefängnis in Tiflis bei YouTube zu sehen war, wurde er als Präsident erst abgewählt und wird von Georgien nun wegen Amtsmissbrauch per Haftbefehl gesucht. Dennoch wurde Saakaschwili in der Ukraine als Gouverneur eingesetzt. Für Keti Dolidze ist das eine politische Farce.
    "Wir müssen klüger sein. Keine Marionetten. Mit starken menschlichen Aktionen. Wir müssen zusammen helfen. Das ist der einzige Weg. Kinder werden getötet. Frauen werden getötet. Seit der Französischen Revolution bis heute. Diese Bastarde werden niemals aufhören. Das Militär, das immer etwas gewinnen will. Ich nenne sie alle Banditen."
    Das viele Politiker und selbst religiöse Führer heute vor allem Angst verbreiten und Konflikt schüren, um selbst an der Macht zu bleiben, sei das Krebsgeschwür unserer Zeit, urteilt auch Salomé Jashi, eine junge, preisgekrönte Dokumentarfilmerin aus Georgien.
    "Kunststudenten haben eine großartige Performance gemacht. Fünf Studenten saßen dabei in einem Kreis und haben sich gegenseitig angespuckt. Das war eine der besten Kunstperformances in jüngster Zeit in Georgien. Es wurde sehr kritisiert. Als wäre es unmoralisch. Tatsächlich illustriert es am besten die Zeit, in der wir leben."
    Andere nicht mehr zu akzeptieren, wie sie sind. Menschen zu töten, weil sie sich anders kleiden, weil sie Musik hören, weil sie einen anderen Lebensstil wollen. Beim Versuch, die Welt wieder nach islamischen Prinzipien zu regieren, zerstörten Extremisten im Irak sich selbst und andere. Der Terror richte sich heute gegen das Leben selbst, sagt Karim Wasfi, Dirigent des nationalen Symphonieorchesters in Bagdad.
    Menschen vor allem ihre Würde wiedergeben
    "Viele glauben, dass Extremisten intellektuell überhaupt nichts reflektieren. Sie hängen von Ideologien und Werten ab, die vor Hunderten von Jahren aktuell waren. Es ist unmöglich, Philosophien und Glauben zu bewahren, ohne die Ideen über die Jahrhunderte dem Leben im 21. Jahrhundert anzupassen. Wenn Extremisten Bach, Mahler oder Vivaldi hören, wenn sie sich mit Zivilisationen auseinandersetzen, die bestanden lange bevor die Religionen Abrahams entstanden, dann würde das ihre Ideen verändern."
    Karim Wasfi begann, während des alltäglichen Bombenterrors in Bagdad inmitten der Trümmer Cello zu spielen. Wer Frieden will, sagt Wasfi, müsse Menschen vor allem ihre Würde wiedergeben.