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Zum Tod von Götz George
Der Anti-Typ

Selten gibt es so viele Reaktionen auf eine Meldung wie auf die vom Tod Götz Georges. Alle sind betroffen – warum eigentlich? Weil Götz George so ein "Charakterdarsteller" war, wie es jetzt immer heißt. Das ist eine ziemlich hilflose Umschreibung für einen, der im deutschen Kino über Jahrzehnte präsent und doch immer ein Außenseiter war. George hat die Öffentlichkeit möglichst gemieden.

Von Beatrix Novy | 27.06.2016
    Götz George in der Karl-May-Verfilmung "Der Schatz im Silbersee".
    Götz George in der Karl-May-Verfilmung "Der Schatz im Silbersee". (picture alliance / dpa / Jutta Schweden)
    "Schimmi lebt ewig" versichert heute auf ihrer Titelseite die "Bild"-Zeitung, darunter der Klarname des Verewigten: Götz George ist tot. Dass er selbst sie lieber "Blöd"-Zeitung genannt hatte, kümmert die "Bild" nicht, denn "Schimmi" alias Tatort-Kommissar Schimanski gehört allen. Den meisten Deutschen war Götz George bekannt, geradezu verehrt wurde er im Ruhrgebiet.
    "Ich bin nun mal ein Serienheld geworden, und damit musst du dich abfinden. Die Tatsache, dass die Leute sagen: 'Hallo Schimanski!' Und wenn ich sage: 'Ich bin nicht Schimanski', dann sagen die: 'Entschuldigen Sie, Sie sehen genauso aus.'"
    Die Einführung dieses Tatorts war ein Experiment
    Die Einführung von Schimanski war Anfang der 80er Jahre ein Experiment der ARD gewesen, aber ein nachhaltiges: Dieser Anti-Typ unter den Tatort-Kommissaren kam unverhofft gut an. Das Ruhrgebiet bekam einen Mythos und eine Identifikationsfigur, an der Tradition und Strukturwandel gleichermaßen abzulesen waren. Ein Typ vom alten, harten Schlag. Aber modern - schon weil er komplexe Zusammenhänge gern in einem einzigen Kraftausdruck zusammenfasste. Die "Bild"-Zeitung zählte damals übrigens genau mit, wie oft er "Scheiße" sagte.
    Kraft, Präsenz, Virilität – damit fiel Götz George schon viel früher aus dem Rahmen bundesrepublikanischer Filmunterhaltung. Die jugendlichen "Bravo"-Leserinnen schwärmten für den hübschen Kerl, vor allem, als er in den 60ern für die heute unerfindlicherweise als Kult gehandelten Karl May-Western durch jugoslawische Berge ritt: Der Schatz im Silbersee, Winnetou I. Er überflügelte mühelos die im heruntergekommenen deutschen Filmgeschäft verschlissenen Kollegen, erst recht die handzahmen Bubis des heimischen Showbusiness.
    Meuterei der Bürgerkinder vorweg genommen
    Die Meuterei der Bürgerkinder schien er ein bisschen vorwegzunehmen. Als "deutscher Belmondo" nutzte er zeitweilig die Requisiten Kabrio und Sonnenbrille. Er war ja jung. 1938 geboren - mit einer Last allerdings, die sein Leben so exemplarisch für diese Generation der frühen Bundesrepublik machte. Sein Vater, der hochberühmte Mime Heinrich George, hatte sich von den Nazis benutzen lassen und wie viele andere auch den Naivitätsbonus für sich in Anspruch genommen. Er wollte ja nur spielen.
    George vs. Gottschalk bei Wetten das
    Natürlich legte dieses Erbe eine Last auf Götz Georges Leben, und vielleicht kam von da sein rastloses Arbeiten an sich selbst, das Mehr- und Besseres-Wollen. Seine enorme Popularität war ihm auch Stachel im Fleisch. Sie genügte ihm nicht. Als er 1998 einmal bei Thomas Gottschalk saß, um seinen neuen Film zu promoten, ließ er sich die Unlust an dieser Art Showgeschäft überdeutlich ansehen.
    "Also kommen wir auf den Film zu sprechen, der ist mir wichtiger als das, was du redest. – Götz, so verscherzt man sich sein Publikum! – Ja, aber ich muss hier einen Film vertreten, der passt eigentlich in diese Runde nicht. – Ach komm, bin ich zu dumm? Bin ich noch keine 18 oder bin ich dir moralisch nicht gewachsen? – Nein, er ist einfach sehr kompliziert. – Ich auch!"
    "Und dann hab ich zu Fassbinder gesagt: 'Lecken Sie mich am Arsch."
    Götz George wollte mehr, und er machte sie ja auch, die guten Filme. Er beeindruckte in der Darstellung abgründiger Charaktere wie Haarmann, Höss und Mengele. Ganz kongenial brillierte er in Filmen wie Schtonk oder in Rossini, wo er, bis zur Unverständlichkeit nuschelnd, die Durchsetzertypen von Presse und Film mit perfekter Selbstverständlichkeit verkörperte.
    Götz George fand tatsächlich nie ganz aus dem Schatten des Vaters heraus. Er wies das von sich, erklärte die Rede von Fluch oder Segen für haltlos, nahm aber doch die immense Herausforderung an, den eigenen Vater zu spielen, im halb-dokumentarischen Film "George". Und er bekannte, sich mit Heinrich George als Schauspieler zu vergleichen: der aber sei besser gewesen, weil besessener.
    In seinem Streben nach Besserem war allerdings für Demutsgesten gegenüber anderen Stars kein Platz, auch wenn sie Fassbinder hießen: "Und dann hab ich mit ihm reden wollen, und er stand am Flipper. Wenn ich die Hauptrolle spielen soll, dann müssen wir doch miteinander reden, und Sie flippern hier die ganze Zeit. Und dann hab ich gesagt: 'Lecken Sie mich am Arsch. Hier haben Sie die Bücher. Ich spiel das nich.'"