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Zum Tod von Stefan Lübbe
"Ein sehr machtbewusster Mensch"

Der Verleger Stefan Lübbe ist im Alter von nur 57 Jahren gestorben. Holger Heimann, tätig als freier Journalist unter anderem für das "Börsenblatt" - dem Verbandsorgan des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels - sagte im DLF, Lübbe habe es wie kein anderer verstanden, Autoren an sich zu binden.

Holger Heimann im Gespräch mit Angela Gutzeit | 14.10.2014
    Der verstorbene Verleger Stefan Lübbe (aufgenommen im Oktober 2013)
    Der verstorbene Verleger Stefan Lübbe (aufgenommen im Oktober 2013) (picture alliance / dpa - Frank Rumpenhorst)
    Angela Gutzeit: Uns überraschte heute Mittag die Nachricht, dass der Verleger Stefan Lübbe im Alter von nur 57 Jahren gestorben ist. Der Mehrheitsaktionär des Kölner Verlagshauses Bastei Lübbe ist gestern in Südfrankreich einem Herzinfarkt erlegen. Die Bastei Lübbe AG ist eine der größten Verlagsgruppen Deutschlands, und ich bin nun mit Holger Heimann verbunden. Holger Heimann arbeitet unter anderem für das "Börsenblatt". Das ist das Verbandsorgan des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, aber auch für andere Medien. Ich grüße Sie, Herr Heimann!
    Holger Heimann: Ja, hallo, grüß Sie auch!
    Gutzeit: Stefan Lübbe konnte gerade noch eine der größten Attraktionen der Frankfurter Buchmesse verbuchen: Der britische Autor Ken Follett mit seinem dritten Band der Jahrhundertsaga "Kinder der Freiheit" war zu Gast. Ken Follett, das wissen wir alle, ist das absolute Zugpferd und die Geldmaschine – neben Dan Brown, kann man vielleicht noch sagen – des Verlages. Und jetzt also dieses abrupte Ende des Verlegers. Sagen Sie doch, Herr Heimann, ein bisschen was zur Geschichte dieses Verlages. 1949 gründete sich der Bastei-Lübbe-Verlag, und die Gründer waren Gustav und Ursula Lübbe.
    Heimann: Das sind die Eltern von Stefan Lübbe. Gustav Lübbe ist dann später ... er hat den Verlag vor allen Dingen geleitet, ist dann ... nachdem er gestorben ist, gingen seine Anteile an seine Frau über und an seine beiden Kinder, das heißt Stefan Lübbe und dessen Schwester. Und Sie haben es schon gesagt, 1949 ging's los, vornehmlich mit dem Vertrieb von Romanheften. Die eigentliche Verlagsgründung war dann 1953, vor allen Dingen diese Romanhefte haben dann den Verlag bekannt gemacht und auch erfolgreich gemacht. Also Jerry Cotton ist so eine Heftchen-Romanserie, die wir alle kennen und die enorm erfolgreich war, also die überhaupt zum größten Krimierfolg im deutschsprachigen Raum wurde. Und diese Heftchenromane, die werden ja auch bis heute verlegt, wenngleich sich der Verlag natürlich in den letzten Jahren sehr stark verändert und entwickelt hat. Und das ist vor allen Dingen tatsächlich Stefan Lübbe zu verdanken. Stefan Lübbe, auch ein sehr machtbewusster Mensch, der fest entschlossen war, diesen Verlag alleine zu führen und, ja, das ist ihm dann gelungen und das hat er mit Bravour gemacht.
    Gutzeit: Holger Heimann, Sie haben es eben schon gesagt, wir kennen den Lübbe-Verlag als einen sehr erfolgreichen Verlag oder diese Verlagsgruppe auf dem Gebiet der spannenden Unterhaltungsliteratur, der Mystery- und Fantasy-Romane. Reden wir doch jetzt mal darüber, was Stefan Lübbe an Innovationen eingebracht hat, das ist ja immer noch, würde ich mal sagen, die starke Säule des Verlages, einschließlich des Sachbuches. Was hat sich seitdem getan, seitdem er die Verlagsleitung übernommen hat?
    "Ein mittelständisches Unternehmen konkurriert mit international tätigen Konzernen"
    Heimann: Bevor ich das beantworte, muss man sagen, dass der Lübbe-Verlag der größte mittelständische Verlag ist in Deutschland mit einem Umsatz von fast 100 Millionen Euro und auch einem Gewinn von acht Millionen Euro zuletzt, was ja erheblich ist, wenn man denkt, dass andere Verlage, dass denen das längst nicht gelingt. Und man muss sagen, ein Verlag wie Bastei Lübbe, der eben ganz stark auf Unterhaltungsliteratur setzt, also wenn wir jetzt mal über den Buchbereich reden – auf die anderen komme ich gerade –, dann konkurriert der mit Konzernverlagen wie Heyne oder Goldmann, die zu Random House gehören, oder mit Droemer Knaur, der gehört zu Holtzbrinck. Das heißt, ein mittelständisches Unternehmen konkurriert mit international tätigen Konzernen, und das heißt natürlich, er muss mithalten können bei Vorschüssen, also Autoren wie Ken Follett oder Dan Brown – Ken Follett haben Sie schon genannt –, die sind natürlich nicht bei Lübbe nur deswegen, weil sie den Stefan Lübbe so sehr mochten, sondern er muss bei diesen enormen Vorschusszahlungen mithalten können, und das ist ihm tatsächlich gelungen, und das finde ich bemerkenswert. Also das mal zum Buchbereich. Und zu dem Umbau, den Sie angesprochen haben: Also er hat eben zu dem Unterhaltungsbereich, in der Literatur und im Sachbuch hat er einen Kinderbuchbereich aufgebaut oder aufbauen lassen, hat den Baumhaus Verlag und den Boje Verlag hinzugeholt, wo so ein Kinderbuchbestseller wie "Gregs Tagebuch" erscheint, der sicherlich auch ein Begriff ist und ein enormer Erfolg war. Er hat den Eichborn Verlag gekauft, übernommen, hat den "Hauptstadtverlag" Quadriga gegründet. Also das ist jetzt alles Buchbereich.
    Gutzeit: Dann gehen wir noch mal auf zwei andere Bereiche ein, und da ist zum Beispiel der Bereich der digitalen Technik und der Stoffentwicklung, und das ist ja etwas, was der Stefan Lübbe tatsächlich als Neuerung vorangetrieben hat.
    Heimann: Hm, ja, wie ich's gesagt habe. Er hat seinen Verlag oder er hat sein Unternehmen nicht nur als Buchverlagsunternehmen, sondern als Medienunternehmen verstanden, und sein Ziel war – das hat er im Gespräch mit mir auch häufiger gesagt –, die verlagseigenen Marken wirklich in allen Bereichen selbst zu vermarkten, also einen Ken-Follett-Stoff oder einen Dan-Brown-Stoff dafür am Ende auch zu verfilmen, aus Buchstoffen vielleicht Computerspiele zu generieren. Er hat auch frühzeitig auf die – Sie sagten es schon – auf die digitale Schiene gesetzt, indem er mit "Digital First" das erste reine digitale Programm etabliert hat, was es mittlerweile auch in anderen Verlagen gibt, was andere Verlage machen, also jetzt zuletzt der Hanser Verlag, mittlerweile auch eine ganze Reihe anderer Verlage, aber Lübbe war eben, Bastei Lübbe war eben der erste Verlag, der das etabliert hat.
    Gutzeit: Es gibt auch noch die Bastei Lübbe Academy als verlagseigene Autorenschule, das ist noch eine weitere Neuerung, die offensichtlich hinzugekommen ist. Vielleicht noch mal zuletzt einfach an Sie die Frage: Was ist Ihrer Meinung nach heute so die größte Stärke des Verlags oder der Verlagsgruppe?
    Entwicklungen frühzeitig erkannt
    Heimann: Also die Lübbe Academy, das ist wichtig, dass Sie die erwähnen. Ich denke, es geht darum, sozusagen den eigenen Autorennachwuchs da heranzubilden. Die ist jetzt auch sozusagen zu kurz erst etabliert, um sagen zu können, wie erfolgreich das ist, aber auch das zeigt, dass der Stefan Lübbe oder die Mitarbeiter, die er um sich versammelt hatte, durchaus weitsichtig agieren und agiert haben und auch agieren. Weil ich sehe das schon als eine Reaktion auf das Self Publishing, und Lübbe ist nicht der einzige Verlag, der sozusagen da erkennt, dass sich da neben den traditionellen Buchgeschäften eigentlich ein eigener zweiter Markt etabliert hat, der droht, sozusagen komplett unabhängig vom bisherigen, vom traditionellen Buchmarkt zu sein, zu agieren. Und die Verlage müssen natürlich daran interessiert sein, die Buchverlage, diese Autoren auch an sich zu binden. Und das ist eben auch etwas, was der Stefan Lübbe offensichtlich früher und deutlicher erkannt hat als andere, und die Bastei Lübbe Academy, die Sie erwähnt haben, ist sicher eine Folge dieser Überlegung. Und es gibt noch einen weiteren Punkt, wo Bastei Lübbe durchaus auch eigene Wege geht und andere Wege geht. Also mit der Frankfurter Buchmesse hat Amazon jetzt auch in Deutschland ein Angebot lanciert, was es in den USA schon länger gibt, nämlich die viel diskutierte E-Book-Flatrate, wo man in den USA seit dem Sommer für 9,99 Dollar im Monat aus einem riesigen Angebot von mehreren hunderttausend Büchern auswählen kann und die sozusagen leihen und lesen kann. In Deutschland hat sich da außer Bastei Lübbe kein etablierter deutscher Verlag dran beteiligt, eben weil man Amazon nicht noch weiter stärken will, sich nicht noch weiter von Amazon abhängig machen will, und darüber nachdenkt, eigene Angebote zu lancieren und zu etablieren. Aber Bastei Lübbe geht auch da einen eigenen Weg. Ich will gar nicht sagen, dass der jetzt richtig und gut ist, aber auch da ist Stefan Lübbe offensichtlich in einer Vorreiterrolle zu sehen. Und wenn Sie nach Stärken fragen oder wenn ich über Stärken und Perspektiven dieses Unternehmens reden sollte, dann liegt es eben meiner Ansicht nach genau darin, also Entwicklungen frühzeitig erkannt zu haben bislang – ob das weiter auch so sein wird, muss man sehen – und darauf zu reagieren. Sie haben vorhin eingangs erwähnt, dass Bastei Lübbe auch an die Börse gegangen ist, die haben da einen Emissionserlös von 30 Millionen Euro bekommen, also 2013 sind sie an die Börse gegangen. Ob das jetzt für einen Verlag so gut und richtig ist, an die Börse zu gehen, würde man eigentlich eher sagen – nach den Erfahrungen, die Eichborn da gemacht hat – eher nein. Aber Lübbe ist offensichtlich ein anderer Verlag, und diese 30 Millionen Euro sollen sicherlich dazu genutzt werden, weiter in neue Geschäftsfelder zu investieren und innovative Dinge voranzubringen.
    Gutzeit: Holger Heimann, ich danke Ihnen ganz herzlich für dieses Gespräch. Der Verleger Stefan Lübbe ist im Alter von nur 57 Jahren gestern gestorben. Den ersten Pressemeldungen zufolge übernimmt Stefan Lübbes Ehefrau Birgit Lübbe das verlegerische Erbe und wahrt die unternehmerischen Interessen der Familie, wie es heißt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.