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Zweikampf um die Landesspitze

Die Mitglieder des CDU-Landesverbandes NRW wählen einen neuen Vorsitzenden. Die Unzufriedenheit in der Partei ist groß und die Hoffnung liegt auf dem neuen Vorsitzenden. Zur Wahl stehen Armin Laschet und Norbert Röttgen. Eine Favoritenrolle konnte noch keiner belegen.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 28.10.2010
    "Vorstellen möchte ich mich: Ich heiße Friedrich Wilhelm Siebecke."

    Ein Urgestein der CDU. Seit 55 Jahren ist der rüstige Rentner Parteimitglied, jetzt kommt Friedrich Wilhelm Siebecke endlich auch einmal zu Wort. Armin Laschet und Norbert Röttgen, die derzeit um den Parteivorsitz der nordrhein-westfälischen CDU ringen, haben im völlig überfüllten Saal eines Düsseldorfer Hotels soeben ihre Bewerbungsrede gehalten. Jetzt beginnt die Fragerunde. Es ist die siebte von acht CDU-Regionalkonferenzen. Für die Basis eine Gelegenheit, die Kandidaten zu beschnuppern. Und um klare Auskunft zu bitten:

    "Lieber Herr Laschet - nur die erste kurze Frage. Bitte, Sie können antworten mit ja oder nein, so habe ich die Frage formuliert."

    Floskeln will die Basis hier nicht hören. Sie ist gekommen, um sich einen Eindruck zu verschaffen, womöglich eine Wahlentscheidung zu fällen. Denn in diesen Tagen haben die knapp 160.000 Mitglieder im Landesverband das Wort. Per Brief- oder Urnenwahl stimmen sie noch bis zum kommenden Sonntag über ihren neuen Vorsitzenden ab. Eine Wahl zwischen Steak und Kaviar, seufzt ein Mitglied von der Basis. So gut die Kandidaten ankommen, so groß ist die Unzufriedenheit über den Zustand der Partei. Die Mitglieder-Befragung gehört zur Selbstreinigung, die sich die NRW-CDU verordnet hat. Die Schmach der verlorenen Landtagswahl im Frühjahr sitzt noch immer tief. 330.000 Stammwähler sind am 9. Mai zuhause geblieben. Die eigene Klientel fühlte sich nicht mehr angesprochen, jetzt soll sie besänftigt werden - die Mitgliederbefragung ist also auch ein Stück Wiedergutmachung. Aber noch ist die Frustration bei der Basis unüberhörbar trotz der schlechten Mikrofonanlage:

    "Wie wollen Sie unseren Laden so wieder hinkriegen, dass wir nicht mit gesenktem Kopf CDU-Politik vertreten. Das ist die Kernfrage. Also wir haben Antworten auf viele Dinge, und dann kommt so eine Klatsche, wo sich Menschen nicht mehr verstehen, wo wir auf der anderen Seite aber immer unser christliches Weltbild nach vorne schieben."

    Alle Hoffnungen richten sich nun auf den Neuen, wie immer er am Ende des Zweikampfs heißen wird. Und so tingeln Armin Laschet und Norbert Röttgen seit Wochen von einem Kreisverband zum nächsten, um für sich zu werben. Aber keinem der beiden ist es bisher gelungen, die Favoritenrolle zu übernehmen. Denn auf den ersten Blick haben die Kandidaten ziemlich viel gemeinsam.

    Freunde seien sie, versichern Laschet und Röttgen immer wieder. Beide sind zudem katholische Rheinländer, Familienväter und Juristen. Gemeinsam zählten sie einmal zu den Jungen Wilden in der CDU, und beide haben ein Faible für schwarz-grüne Gedankenspiele. Als Mitglieder der sogenannten "Pizza Connection" trafen sich Laschet und Röttgen schon in den 90er Jahren regelmäßig mit führenden Grünen zu Pasta und Rotwein in einem Bonner Restaurant. An der Parteibasis schmeckt das nicht jedem. Vor allem bei den traditionellen Wählerschichten geht Skepsis um.

    "Mein Name ist Wolfgang Urban. Ich habe eine Frage an die beiden Kandidaten. Als Wahlberechtigter ist man ja immer sehr froh, wenn man zwischen zwei Kandidaten auswählen kann. Nur habe ich hier den Eindruck, dass die beiden Kandidaten politisch gar nicht so weit auseinander sind, Sie gehören nämlich beide dem liberalen Flügel der CDU an."

    Das stimmt. Deshalb ist das Rennen um den Landesvorsitz weniger eine Richtungs- als eine Persönlichkeitswahl. Und da unterscheiden sich beide Kandidaten sehr wohl. Armin Laschet, der 49-jährige Aachener, präsentiert sich jovial, lebenslustig, spitzbübisch - er raucht gerne mal ein Zigarillo und bleibt nach Parteiveranstaltungen oft noch auf ein Bierchen bei der Basis. Trotz Ausflügen als Abgeordneter nach Berlin und Brüssel - seine politische Heimat liegt seit Langem in Düsseldorf. Hier hat er fünf Jahre lang im Kabinett Rüttgers als Integrationsminister gedient, und hier will er auch als Landesvorsitzender der CDU jeden Tag vor Ort sein. Das ist Laschets schärfste Waffe gegen seinen Konkurrenten, den Bundesumweltminister aus Berlin:

    "Wir müssen uns die Zeit nehmen, vor Ort wieder zuzuhören, auf das, was unsere aktiven Mitglieder uns sagen. Und deshalb wird dieser Landesvorsitzende zu 100 Prozent im Land gebraucht, um diese Sichtbarkeit von CDU auch in den nächsten Wochen und Monaten zu erreichen. So haben wir eine Chance, wieder an die Regierung zu kommen."

    Noch Anfang September galt Laschet als der schwächere Kandidat. Für die Traditionalisten war er der "Türken-Armin", doch angestachelt durch die Integrations-Debatte kehrt er immer stärker seine konservativen Wurzeln hervor, streift in seinen Reden durch seine Jugend zwischen Kirche und Junger Union, und er spricht von Werten und dem christlichen Menschenbild. Woche für Woche holt Laschet damit auf und gewinnt an Profil. Zudem steht die Düsseldorfer Parteiführung hinter ihm. Gemeinsam mit Generalsekretär Andreas Krautscheid und Fraktionschef Karl-Josef Laumann könnte Laschet ein starkes Triumvirat bilden, das alle Interessengruppen in der NRW-CDU bedient: Laschet ist aktiver Katholik, kommt aber auch bei der liberalen Großstadt-CDU gut an. Der Münsterländer Laumann repräsentiert den Sozialflügel und stammt aus Westfalen. Der Dritte im Bunde, Andreas Krautscheid, steht für gute Wirtschaftskontakte und weiß die Junge Union hinter sich. Doch wie würde die neue CDU-Spitze harmonieren, wenn nicht Laschet, sondern Röttgen das Rennen macht? Bei dieser Frage wiegeln alle Beteiligten ab. Eine wolkige Antwort auch von Fraktionschef Laumann:

    "Für meine Aufgabe als Fraktionsvorsitzender ist völlig klar, wir werden mit dem Know-how der Fraktion unsere Partei auf diesem Weg mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, Ressourcen auch natürlich unterstützen."

    Armin Laschet nutzt derweil die Gunst der Stunde, in der die CDU-geführte Bundesregierung nicht gut dasteht. Mit der geballten Düsseldorfer Hausmacht im Rücken schickt er deutliche Spitzen in Richtung Berlin:

    "Dieses ganze Gequatsche über spätrömische Dekadenz und diese Streiterei in Berlin, die hat uns doch auch diese Wahl vergeigt hier. Deshalb, lieber Norbert, wenn ihr das in Berlin nicht in den Griff kriegt, dann werden nicht nur die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, sondern im nächsten Frühjahr die Nächsten verloren."

    Norbert Röttgen setzt bei diesen Anwürfen regelmäßig einen stoischen, fast spöttischen Gesichtsausdruck auf. In Anspielung auf Angela Merkel wird er in Berlin "Muttis Klügster" genannt. Besser als "Muttis Dümmster", gibt er darauf gern zurück. Röttgen weiß: Gewinnt er das Rennen um den mitgliederstärksten Landesverband, wächst auch seine Macht im Dunstkreis von Angela Merkel. Und während Karl-Theodor zu Guttenberg gerade Gefahr läuft, als Wunsch-Kanzler allzu früh verheizt zu werden, will sich Röttgen vorsichtig vom Rhein aus an die Macht pirschen. Der Landesverband könnte sich derweil mit der Prominenz des telegenen Bundesministers schmücken - eine Win-Win-Situation für beide Seiten, glaubt Röttgen. Deshalb auch lautet seine zentrale Botschaft: Wir sind eine Mannschaft!

    "Wir gewinnen nicht dadurch, dass wir in NRW sagen, wir sind hier ganz anders und haben mit denen, mit der CDU in Berlin nichts zu tun. Die Bürger erwarten von uns, dass wir als CDU erfolgreich sind, überzeugend sind, und dass wir geschlossen sind."

    So sehr Röttgen auf die Synergie von Bund und Land setzt, so sehr hält Armin Laschet dagegen. Denn während eine Niederlage für den versierten Bundesminister allenfalls ein marginaler Karriereknick wäre, könnte sie für Laschet das politische Aus bedeuten. Also profiliert er sich gegen Berlin. Zumal die Christdemokraten an Rhein und Ruhr auf Bundesebene seit Monaten durch Sprachlosigkeit glänzen. Vorbei die Zeiten, als der selbst ernannte Arbeiterführer Jürgen Rüttgers regelmäßig die Kanzlerin piesackte. In diese Fußstapfen will jetzt Armin Laschet treten. Hitzig verteidigt den Verbleib des Verteidigungsministeriums am Rhein und pocht auf die Einhaltung des Bonn-Berlin-Gesetzes. Für den Bundesparteitag, auf dem Mitte November Angela Merkels Stellvertreter neu gewählt werden, bringt Laschet sich auch schon einmal in Stellung:

    "Man erlebt eine Entwicklung in der Bundespartei, dass wir bisher drei stellvertretende Bundesvorsitzende haben, die Ministerpräsidenten waren: Roland Koch, Christian Wulff und Jürgen Rüttgers und eine Bundesministerin, nämlich Frau Schavan. Das scheint sich jetzt umzukehren. Frau von der Leyen ist Bundesministerin, Frau Schavan ist Bundesministerin. Und wenn aus Nordrhein-Westfalen auch noch ein Bundesminister käme, wäre das eine Umkehrung der Kräfteverhältnisse in der Bundespartei. Die CDU war immer eine föderale Partei, und ich glaube, es tut Berlin auch ganz gut, wenn ab und an mal einer aus den Ländern eine andere Position vertritt als das, was rund um Brandenburger Tor und Reichstag gedacht wird."

    "Die Landes-CDU kann nur dann ihren Einfluss vergrößern, wenn sie auch durch ihren neuen Landesvorsitzenden eine eigenständige Position wahrnimmt","

    sagt der Bonner Politologe und frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Gerd Langguth.

    ""Und wenn sie auch notfalls Unbequemes sagt. Und wenn sie auch entsprechend einheitlich auf Bundesparteitagen auftritt, woran ich allerdings Zweifel habe, weil natürlich auch in dem großen Landesverband Nordrhein-Westfalen immer sehr unterschiedliche Interessen vorhanden sind. Aber nur dann, wenn also auch der Landesvorsitzende sich genügend Zeit nimmt, diese Landespartei zu integrieren."

    Doch gerade der Faktor Zeit könnte für Norbert Röttgen ein Problem werden. Schon einmal hat sich ein führender Unions-Politiker an seiner Doppelfunktion als Bundesminister und Chef der NRW-CDU abgearbeitet. Norbert Blüm, zuständig für Arbeit und Soziales unter Helmut Kohl, war von 1987 bis 1999 Landesvorsitzender. Auch damals saßen die Christdemokraten in Düsseldorf auf der Oppositionsbank. Der doppelte Blüm - hier Landeschef, da Bundesminister - geriet damals zwischen die Mühlsteine, und mit ihm der gesamte Landesverband, als nämlich die Bergleute von der Ruhr für den Erhalt der Kohlesubventionen demonstrierten:

    "Die Kumpels haben auf der Straße gestanden, und die Hauptadresse war nicht Johannes Rau, das war die Bonner Regierung. Also ich war schon in Konflikte verwickelt, die in Nordrhein-Westfalen ihre Ursache hatten, und ohne dass ich in Bonn ein Amt gehabt hätte, wäre es mir leichter gefallen, an der Konfliktbewältigung teilzunehmen. Ich war nämlich immer gleichzeitig Adresse, nicht nur Absender."

    Ein Lehrstück, das Norbert Röttgen ins Grübeln geraten lässt? Überhaupt nicht. Er lässt solche Bedenken an sich abtropfen:

    ""Die CDU NRW ist eine Partei, die landes- und bundespolitischen Anspruch hat, die zeigt, dass sie Opposition kann, aber eben auch Regierung kann. Das macht, glaube ich die Kompetenz breiter, die CDU sichtbarer, und darum insgesamt stärker."

    Röttgen hält sich selten mit Details auf. In seiner Kenntnis der Landespolitik offenbart er deutliche Lücken und schaut daher lieber auf das große Ganze: Je nach Tagesform spricht er etwas verklausuliert über nachhaltige Energiepolitik, gerechte Bildungschancen und reitet Attacken auf Rot-Grün in Düsseldorf. Doch auch wenn sich Röttgen nach außen siegessicher gibt: Der politische Gegenwind bläst ihm derzeit scharf ins Gesicht. In der Auseinandersetzung um längere Laufzeiten für Atomkraftwerke zog er Anfang September den Kürzeren. Wenige Tage später traf sich Röttgen mit Abgeordneten aus NRW. Aus diesem Kreis wird hinterher ausgeplaudert, der Bundesumweltminister habe die Rechtmäßigkeit der Laufzeitverlängerung infrage gestellt. Röttgen dementiert halbherzig. Er ist sauer - eine gezielte Indiskretion ausgerechnet aus dem Landesverband, den er künftig anführen will. Bei einer der folgenden Regionalkonferenzen wirkt er erstmals dünnhäutig:

    "Und wenn ich das auch mal sagen darf, in der deutschen Bundesregierung, in aller Bescheidenheit, gibt es kein Mitglied, das sich so einsetzt, wie der Bundesumweltminister. Also wenn Sie das vielleicht auch einmal ein bisschen, also nicht so ganz lieblos, aufnehmen würden, sondern auch mal ein bisschen anerkennen würden, dann fände ich das auch ganz fair. Das darf ich auch mal sagen."

    Immerhin: Im Vergleich zu Laschet hat Röttgen einen großen Pluspunkt: seine bundesweite Bekanntheit. Aus seinem Umfeld heißt es, die NRW-CDU brauche einen Landesvorsitzenden, der in der "Tagesschau" vorkommt, und nicht in der Aktuellen Stunde des Dritten WDR-Programms.

    "Norbert Röttgen ist schon jemand, der über ein gewisses intellektuelles Niveau verfügt","

    sagt der Politikwissenschaftler Gerd Langguth.

    ""Andererseits ist er aber auch in der Lage, das andere spüren lassen. Und es ist so, dass er ja nun auch viele Freunde in der Bundestagsfraktion hatte, die er heute nicht mehr hat. Vielleicht hängt das eben damit zusammen, dass er seine intellektuelle Überlegenheit auch sichtbar macht. Und das ist vielleicht ein Unterschied zu Laschet. Laschet ist mehr der kommunikativere Typ, der innerhalb einer Partei meines Erachtens mehr die Freundschaften pflegt, und das ist ja doch wichtig für den eigenen Erhalt der Macht."

    Doch um welche Macht geht es eigentlich? Immer wieder ist zu hören, da bewerbe sich einer für den CDU-Landesvorsitz und der andere für das Kanzleramt. Hat Röttgen also in Wahrheit etwas anderes, nämlich die Macht in Berlin im Visier? Nein, ganz und gar nicht, beteuert er immer wieder. Und mit Nicolas Sarkozy, der eingestandenermaßen bereits vor seiner Wahl zum französischen Staatspräsidenten schon jeden Morgen beim Blick in den Rasierspiegel nur an den Élysée-Palast dachte, will Röttgen nicht verglichen werden:

    "Nein, beim Rasieren muss ich mich immer ganz genau konzentrieren, da denke ich noch nicht mal an den Landesvorsitz."

    Soviel Bescheidenheit nimmt man dem "George Clooney aus Meckenheim", wie die "Bunte" Röttgen jüngst nannte, dann doch nicht ab. Derweil meldet der SPD-Flurfunk in Düsseldorf, dass der rot-grünen Minderheitsregierung gar nichts Besseres passieren könne als ein Oppositionschef namens Röttgen. Denn der hat im Landtag kein Mandat und somit auch kein Rederecht. Hannelore Kraft, die Ministerpräsidentin, gibt sich einstweilen wortkarg. Armin Laschet und Norbert Röttgen seien beide ganz nett:

    "Ich schau mir das von außen an, das muss die CDU entscheiden. Was mich nur interessiert, ist: Was tut sich bei der inhaltlichen Ausrichtung der CDU?"

    Und das ist bislang nicht viel. Vor lauter Selbstbeschäftigung werden die Christdemokraten ihrer Oppositionsrolle kaum gerecht. Seit über 100 Tagen ist die rot-grüne Minderheitsregierung schon im Amt, doch erst jetzt tröpfeln erste inhaltliche Vorschläge aus der CDU-Fraktion heraus. Die Abkehr von der Hauptschule, ein Umdenken bei den kommunalen Finanzhilfen, ein neues Positionspapier zur Energiepolitik. Details soll es erst nach dem Landesparteitag am 6. November geben. Auch vom selbsternannten Moderator des Übergangs, Jürgen Rüttgers, ist nichts zu hören. Den Schock der verlorenen Landtagswahl hat der frühere Ministerpräsident bis heute nicht verwunden. Bei seinen seltenen öffentlichen Auftritten, etwa auf der CDU-Regionalkonferenz in Münster, wirkt er fast erleichtert, dass es vorbei ist mit seiner Macht am Rhein:

    "Sie haben ja mitbekommen, dass ich nach der verlorenen Landtagswahl schon am Abend gesagt habe, dass ich meine Ämter zur Verfügung stelle. Ich tue das nach fast zwölf Jahren im Amt des Landesvorsitzenden. Dann hängt man natürlich jetzt nicht am Amt, sondern man hängt an dieser CDU. Das ist auch meine CDU. Ganz, ganz persönlich."

    Fragen nach seiner politischen Zukunft lässt Rüttgers unbeantwortet. Zusammengesackt kauert er jetzt als einfacher Landtags-Abgeordneter im Plenarsaal. Und wirkt bisweilen beleidigt. Frühere Wegbegleiter, die ihn inzwischen links liegen lassen, könnten ihm den Buckel runterrutschen, mault er in einem der wenigen Interviews, die er wie eh und je nur zugeneigten Journalisten gibt. Und noch immer zeigt Rüttgers mit dem Finger auf Berlin: Die schwarz-gelbe Bundesregierung und die Milliardenhilfen für Griechenland seien schuld an seiner Abwahl. Über eigene Fehler schweigt der 59-Jährige. Die Partei ist ihm dennoch dankbar, weil er die NRW-CDU in den elf Jahren als Landesvorsitzender geeint und zumindest vorübergehend nach 38 harten Oppositionsjahren an die Macht zurückgeführt hat. Dafür könnte er jetzt mit dem Ehrenvorsitz belohnt werden. Ein Trostpflaster, während die Partei weiter ihre Wunden leckt. Norbert Blüm:

    "Das ist anders, dass sie vor fünf Jahren einen fulminanten Wahlsieg nach über 30 Jahren SPD-Herrschaft war plötzlich ein Schwarzer wieder Ministerpräsident. Das hat natürlich das Lebensgefühl der CDU-Mitglieder wieder gehoben: Wir sind wieder wer! Jetzt, fünf Jahre im Amt, von denen manche glaubten, es dauert länger als fünf Jahre, und da aus allen Himmeln rauszustürzen, kaum hat man sich nach 30 Jahren Frust wieder mit Regierungsämtern versöhnt, kann das Land wieder mitgestalten, und schon fliegt man raus - das ist natürlich ein schwerer Schlag."

    "Auferstanden in Ruinen" sei die NRW-CDU nun, versichert Andreas Krautscheid mit gewohnt ironischem Zungenschlag. Der Generalsekretär will seine Worte als Aufbruch zum Neuanfang verstanden wissen. Doch zur Ruhe kommt die Partei nicht. Stattdessen gibt es neue Querschläge - und das ausgerechnet gegen jene beiden Kandidaten, die den viel beschworenen Neuanfang bewerkstelligen sollen. Erst traf es Anfang Oktober Armin Laschet. Anonymen Quellen zufolge habe er angeblich Partei- und Regierungsarbeit verquickt. Einen Tag später startet die Bild-Zeitung eine Kampagne gegen einen engen Parteifreund von Norbert Röttgen. Die Vorwürfe waren allesamt dünn. Die Vorfälle zeigen jedoch: Die jeweiligen Lager, die hinter Laschet und Röttgen stehen, beäugen einander misstrauisch und arbeiten zuweilen mit Haken und Ösen. Vom Intrigantenstadl am Rhein ist die Rede. Klaus-Heiner Lehne, Kreisvorsitzender der CDU Düsseldorf spricht aus, was viele denken:

    "Da fühl ich mich eigentlich zum Kotzen, um das einmal ganz offen zu sagen, ja. Wir sollten uns eigentlich mit politischen Fragen und dem Neuanfang befassen, statt mit diesen alten Geschichten aus der Vergangenheit."

    Bleibt die Hoffnung auf den kommenden Sonntag. An diesem Tag, abends, da will die CDU in Düsseldorf das Ergebnis der Mitgliederbefragung bekannt geben. Die Wahlbeteiligung ist deutlich höher als erwartet. Doch nach fast zwei Monaten parteiinternem Wahlkampf ist die Basis so unentschieden wie eh und je - und dennoch siegesgewiss:

    "Ich hab gerade schon gedacht, das ist nicht die Wahl zwischen Pest und Cholera, sondern Blumenwiese und Biene. Also ich glaube, wir können dabei nicht verlieren."

    "Wenn es die reinen Funktionsträger wären, also Landtagsabgeordnete, die Bezirksvorstände - dann wäre meines Erachtens Laschet ganz klar im Vorteil","

    glaubt Politikwissenschaftler Gerd Langguth.

    ""Aber da hier jedes normale Mitglied abstimmt, da hat derjenige vielleicht den Vorteil, der den größeren Bekanntheitsgrad hat, und den hat zweifelsohne Röttgen."

    Eines haben sich Armin Laschet und Norbert Röttgen vorgenommen: Nach der Wahl wollen sie wieder Freunde sein - was immer das in der Politik, in der CDU, in Berlin und in Düsseldorf heißt.