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Zwischen "Anfüttern" und Bestechlichkeit

In Wien wird an einem neuen Antikorruptionsgesetz gearbeitet, das der verbreiteten Korruption einen Riegel vorschieben soll. Bis zum Sommer soll ein ganzes Antikorruptionspaket geschnürt sein. Falls es denn im Zuge der erbitterten Debatten nicht wieder aufgeschnürt wird.

Von Karla Engelhardt | 14.03.2012
    Für Franz Fiedler von Transparency International Österreich ist die Grenze zwischen sogenanntem "Anfüttern" und Korruption fließend:

    ""Kugelschreiber, Kalender und Klumpat, aber nicht, dass man eine Grenze von 100 Euro einführt, die 100 Euro-Grenze, die damals zu Diskussion stand, ist viel zu hoch - das ist bereits Korruption."

    In Deutschland liegt sie bei 25 Euro, in Österreich derzeit noch bei 100 Euro - für Geschenke und Einladungen. 2008 hatte die Alpenrepublik kurzzeitig eins der schärfsten Korruptionsgesetze Europas. Damals wurde das Anfüttern beziehungsweise die sogenannte "politische Landschaftspflege" generell unter Strafe gestellt. Kein Amtsträger dufte etwas annehmen. Wenige Monate später wurde das generelle Verbot wieder aufgehoben - Firmen und Kulturveranstalter liefen Sturm. Auch vielen Österreichern ging ein Verbot viel zu weit:

    "Die alte Regelung war so, dass man faktisch nach drei Espresso oder drei Braunen "angefüttert" wurde, das ist absurd. Ich denke es kann nicht um den Brauen gehen oder um ein Fußballspiel, aber es muss Grenzen geben."

    Beim Sportfischen steht der Begriff "Anfüttern" für das Anlocken von Beute. "Anfüttern" in der Politik ist Klimapflege, es soll Amtsträger bei Laune halten. 2008 war das strikt verboten. Doch auf Druck der Wirtschaft wurde das Anfütterungsverbot gelockert. Kritiker sahen damals gängiges Sponsoring in Gefahr. Was, wenn die Salzburger Festspiele oder der Wiener Opernball keine Politiker und Beamte mehr einladen können? Wer sponsert dann noch irgendwas?

    Die Liste der Korruptionsskandale ist derzeit lang, ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss versucht Licht ins Dunkel zu bringen - mit bisher mäßigem Erfolg. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa - kurz: OECD - bezeichnete Österreich jüngst als "Korruptionsoase".

    Das, singt der Wiener Barde Rainhard Fendrich, ist schon seit Jahrzehnten. Mehr als 80 Prozent der Österreicher halten das Land für korrupt, sogenannte Freunderlwirtschaft - wie Korruption manchmal verniedlichend genannt wird - sei Alltag. Bis Sommer will das österreichische Parlament ein neues Anti-Korruptions-Paket schnüren, die Vorschläge der Justizministerin Karl liegen auf dem Tisch. Ein Balanceakt: Das sogenannte Anfüttern soll nur strafbar sein, wenn dahinter bestimmtes Geschäft steht. Also, beschenken ja, aber nicht grenzen- und absichtslos.

    "Der Bürgermeister wird für sie irgendwann für zu relevant sein, wird irgendwann von Bedeutung für sie sein und sie laden ihn regelmäßig zu einem guten Wein ein, zu einem gutem Essen und da muss man trotzdem natürlich auf den konkreten Einzelfall achten."

    Sieben Korruptionsskandale allein im vergangenen Jahr bringen die Regierung unter Druck. Einer der spektakulärsten Fälle: das private Finanzgebaren des ehemaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser. Viel Geld soll gegen Gefälligkeiten geflossen sein. Telefonabhörprotokolle der Polizei zu diesem Skandal gerieten an die Öffentlichkeit - Kabarettisten verlasen sie in der Universität Wien. Augen öffnend - nicht nur für Studenten:

    Die verzweifelte Frage von Walter Maischberger - Bezieher von Millionenprovisionen bei der Privatisierung öffentlichen Vermögens - ist in den Volksmund übergegangen, sein Fall vor einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss und ein wirksameres Anti-Korruptions-Paket wollen nun alle Parteien in Österreich anpacken.