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Zwischen Benachteiligung und Chance

Die Wirtschafts- und Finanzkrise sei eine Männerkrise, so hieß es in den vergangenen Jahren. Doch dieses Bild ändere sich. Gerade Frauen seien von ihr besonders betroffen. Darüber wurde in Brüssel zum internationalen Frauentag diskutiert.

Von Sarah Zerback | 08.03.2013
    "Ich bin farbig, ich bin 38, aber ich sehe nicht wirklich so aus, und ich bin eine Frau. Ich denke, da gibt es diesen gewissen Überraschungsmoment wenn ich Geschäftspartnern das erste Mal begegne - Nach dem Motto: Wer zur Hölle ist das? Die meisten trauen mir dann zunächst weniger zu. Deshalb bereite ich mich besonders gut vor. Aber das ist okay so und spornt mich an."

    Situationen wie diese waren lange Alltag für Marie Martens. Vor zwei Jahren hat sich die Unternehmensberaterin aus Brüssel selbstständig gemacht und für sich und ihr größtenteils weibliches Team Arbeitsplätze geschaffen - mitten in der Wirtschaftskrise. Nach einem Bericht der EU-Kommission sind Frauen davon besonders stark betroffen. Und zwar in doppelter Hinsicht, sagt Elisabeth Morin-Chartier, stellvertretende Vorsitzende im EU-Frauenausschuss:

    "Einerseits, weil die Frauen besonders häufig in prekären Arbeitsverhältnissen oder Teilzeitverträgen arbeiten. Und in den Zeiten der Finanzkrise sind es solche Arbeitsverhältnisse, die stark bedroht sind. Andererseits werden Frauen schlechter bezahlt, bei gleicher Kompetenz, gleichem Abschluss und gleicher Position sind das im europäischen Durchschnitt 17 Prozent Gehalt weniger. Man könnte sagen, damit lässt man sie für das Risiko der Schwangerschaft zahlen."

    Wenn weniger Geld in Kinderbetreuung und soziale Absicherung investiert wird, sind Frauen die ersten, die zurückstecken müssen, sagt die Europa-Abgeordnete weiter. Dabei ist die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt unerlässlich für den Wirtschaftsaufschwung. Der Vorwurf der Christdemokratin: Die Kürzungen dienen nur als Feigenblatt, um das lästige Thema Gleichberechtigung ausklammern zu können. Die Politik muss dafür eine entsprechende Infrastruktur schaffen und die Leistungen auch einfordern, betont sie:

    "Also es gibt natürlich schon viele rechtliche Instrumente, die von der Kommission eingesetzt wurden, um gleiche Gehälter zu gewährleisten. Es gibt viele Mitgliedstaaten, die sagen, bei uns ist das sowieso schon gesetzlich vorgeschrieben. Und das stimmt zwar, es ist gesetzlich verankert, aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Deshalb verlangen wir, dass das Gesetz in Tatsachen umgesetzt wird."

    Der Bericht des Frauenausschusses empfiehlt daher eine Reihe verbindlicher Maßnahmen. Sozialfonds und unternehmenseigene Krippen sollen Frauen künftig den Wiedereintritt ins Berufsleben erleichtern, Gleichberechtigung soll im Rahmen der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik finanziell stärker bezuschusst werden und - ganz oben auf der Liste - die staatliche Förderung von Unternehmerinnen. In Deutschland etwa sind bisher nur rund 30 Prozent der Unternehmer weiblich. Für Mary Papaschinopoulou steckt darin viel ungenutztes Potenzial. Sie ist die Gründerin des Eurochambers Netzwerks, das Unternehmertum für Frauen unterstützt. Seit dem Ausbruch der Krise beobachtet sie einen Trend:

    "Wir denken da gibt es definitiv eine neue Attitüde bei den Frauen. Sie trauen sich vielmehr, also die Gründung. Sie wissen inzwischen, wo es professionelle Hilfe und Beratung gibt. Auf der anderen Seite, zum Beispiel in Südeuropa, wo die Austerität besonders prägnant ist, da sind die Frauen gezwungen, sich selbst erst einmal zu beschäftigen, darüber hinaus aber auch andere."

    Bessere Berufschancen schaffen, für Europas Frauen: In Zeiten der Wirtschaftskrise eine schwierige Aufgabe, die sich lohnt.