Archiv

Zwischenbilanz Heiliges Jahr
Mutter Teresa muss helfen

Zwei Drittel des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit sind vorbei. Ob die Welt barmherziger geworden ist, lässt sich nicht beziffern. Messbar sind aber die Pilgerzahlen: Die bleiben weit hinter den Erwartungen zurück, auch wegen der Terrorangst. Ob die Heiligsprechung von Mutter Teresa an diesem Sonntag die Bilanz verbessern kann?

Von Renardo Schlegelmilch |
    Papst Franziskus von Hinten, wie er die großen Flügel der "Heiligen Pforte" öffnet. Das Portal besteht aus zwei großen Kassettentüren mit schwarzen Rahmen und goldenen Kassetten mit Motiven der Heilsgeschichte.
    Papst Franziskus öffnet die Heilige Pforte. Sie wird nur in Jubeljahren geöffnet. Pilgern, die sie durchschreiten werden ihre Sünden erlassen. (imago stock&people / ZUMA Press)
    Es sind gut 14 Millionen Menschen die in den vergangenen Monaten nach Rom gepilgert sind, um eine der vier 'Heiligen Pforten' in der Ewigen Stadt zu durchschreiten. Am 8. Dezember 2015, auf den Tag genau 50 Jahre nach Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde das sogenannte "Jahr der Barmherzigkeit" eröffnet. Die Zahl der Pilger, die nach Rom gekommen sind, entspricht aber alles andere als die Erwartungen, erklärt Pfarrer Werner Demmel, der das deutschsprachige Pilgerzentrum in Rom leitet.
    "Wir waren Anfang des Jahres, also im Januar und Februar eigentlich noch sehr ungewiss, wie es sich entwickeln wird. Es war ungewöhnlich ruhig. Wir hatten ein niedrigeres Pilgeraufkommen als vor einem Jahr, und das trotz Heiligem Jahr. Sicherlich, im Winter ist es nicht die große Masse, die hier runter kommt, aber spätestens in der Woche vor Palmsonntag geht’s dann los."
    Im 'Heiligen Jahr der Barmherzigkeit' sah das allerdings anders aus. Ein Grund dafür ist der ungünstige Zeitpunkt der Eröffnung des Jubeljahres. Anfang Dezember hat Papst Franziskus die Heilige Pforte des Petersdoms aufgestoßen, die nun für ein Jahr lang offen steht und den Pilgern beim Durchschreiten einen Sündenablass gewähren soll. Anfang Dezember war die Terrornacht von Paris mit 130 Toten gerade mal drei Wochen her. Dem Tourismus in ganz Europa hat das geschadet, auch dem Heiligen Jahr in Rom.
    Mit dem Osterfest ist die Zahl der Pilger angestiegen. Im August, nach acht Pilger-Monaten zählt die offizielle Internetseite des Heiligen Jahres gut 14 Millionen Rom-Reisende. Immer noch weit entfernt von den erhofften 30 Millionen bis Ende des Jahres. Laut Vatikan seien diese Zahlen der Stadt Rom aber von Anfang an nicht realistisch gewesen. Pfarrer Demmel:
    "Wir sind froh, dass es sich so entwickelt hat, aber es ist deutlich weniger als letztes Jahr. Ich denke auch eine Folge der Verunsicherung nach Paris und Brüssel."
    Ein kompliziertes Online-Verfahren steht dem Pilger im Weg
    Es ist aber nicht nur die Terrorangst, die die Katholiken vom Pilgern abhält. Wer zum Sündenablass durch die Heilige Pforte im Petersdom schreiten will, der kann nicht einfach hinfahren. Ein kompliziertes Online-Anmeldeverfahren steht zwischen dem Pilger und seinem Ziel, einige verzweifeln daran:
    "Wir erleben immer wieder, dass der Pilger, in der Regel, sich schwer tut mit der Planung dieser Sache. Es ist nicht ganz so einfach für die Leute draußen. Die müssen erst mal auf diese Seite kommen, die sie sich irgendwo erfragen. Sie müssen einen Account anlegen. Sie müssen mit diesem Account, dann wenn sie hier sind, zum Pilgerbüro des Heiligen Jahres. Dort müssen sie ihre eigentliche Durchlasskarte erst mal abholen. Manche geben da einfach auf."
    Dabei bekommt jede Pilgergruppe auch ein bestimmtes Zeitfenster zugeordnet, um die Pforte im Petersdom zu durchschreiten. Das heißt Reisegruppen müssen sich an den Zeitplan des Vatikans halten. Der ganze Organisationsaufwand sei allerdings durchaus nötig, sagt Pfarrer Demmel.
    "Ich denke man wollte damit etwas Gutes tun. Aber wahrscheinlich auch eine Erhebung erstellen, wer kommt. Woher kommt er? Wie alt ist er? Welches Geschlecht hat er? Aber man wollte natürlich auch in St. Peter, weil die meisten Pilger natürlich zu St. Peter wollen, das Ganze ein wenig entzerren. Man wollte keine großen Stauzeiten und Wartezeiten aufkommen lassen"
    Für die Pilger, die dann doch kommen, fährt der Vatikan ein großes Programm auf. Es gibt mehr regelmäßige Papstmessen als sonst. Mindestens zwei Mal in der Woche empfängt Franziskus die Pilger aus aller Welt. Sogar eine eigene Hymne für das Jahr der Barmherzigkeit wurde komponiert, die man im Moment überall rund um den Petersdom hört. Misericordes sicut Pater, zu Deutsch "Barmherzig wie der Vater"
    Durch das ganze Jahr ziehen sich Sonderveranstaltungen für die Pilger, die sogenannten Jubiläen des Heiligen Jahres. Immer ein Wochenende wird einer bestimmten Gruppe gewidmet. Der Jugend, den Kranken, oder den Ordensgemeinschaften der katholischen Kirche.
    Papst und 150 Priester: in Einzelgesprächen die Beichte abgenommen
    Alleine zum Jubiläum der Jugend sind geschätzte 60.000 bis 70.000 Jugendliche aus aller Welt nach Rom gereist. Papst Franziskus hat dabei auf einem alten, roten Klappstuhl, gemeinsam mit 150 weiteren Priestern, den Jugendlichen in Einzelgesprächen auf dem Petersplatz die Beichte abgenommen.
    Gerade den Jugendlichen ist das Gemeinschaftsgefühl wichtig. "Wir haben hier sehr viele Leute kennengelernt, mit Leuten gesungen. In Düsseldorf wäre das nicht so", erzählt eine junge Pilgerin.
    Für die Besucher wurde sogar der Straßenbau in Rom in Bewegung gesetzt. Auf der Via della Conciliazione, der Prunkstraße zum Petersdom wurde eigens zwischen der Fahrbahn und dem Bürgersteig ein abgegrenzter Pilgerweg eingerichtet und mit Geländern abgesperrt. Auf mehreren Stationen sollen sich die Pilger hier meditierend und betend auf den letzten paar hundert Metern auf den Sündenablass im Petersdom vorbereiten.
    Laut Vatikan steht der Höhepunkt des Heiligen Jahres an diesem Sonntag, am 4. September, an. Die Heiligsprechung von Mutter Teresa. Papst Franziskus wird der Feier knapp 20 Jahre nach dem Tod der Nonne persönlich vorstehen. Die Organisatoren erwarten alleine für diese Veranstaltung mehrere Hunderttausend Besucher. Auch wenn das Ziel der 30 Millionen bis Ende des Jahres damit immer noch unwahrscheinlich ist, kommen in den letzten Monaten dann doch mehr Pilger nach Rom als im vergangenen Jahr.