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10 Jahre Blutpass
Die meisten Dopingfälle in der Leichtathletik

Internationale Dopingfahnder geben erstmals Zahlen heraus, wie viel der sogenannte Blutpass im Kampf gegen Doping bisher gebracht hat. Von 150 verurteilten Sportlern kommen 104 aus der Leichtathletik.

Von Sebastian Krause | 09.05.2019
Ein Dopingkontrolleur der NADA (Nationale Anti Doping Agentur) bestellt einen Spieler zur Dopingprobe.
Blutwerte beobachten, Dopingtests in der Nacht und jetzt direkt vor dem Wettkampf – die Dopingkontrollschraube wird noch ein Stück weiter gedreht. (imago sportfotodienst)
Alexander Kirchbichler gehört zu den erfahrensten Dopingfahndern in Deutschland. Wenn nicht selbst als Dopingkontrolleur unterwegs, sitzt er am Schreibtisch. Nimmt Aufträge entgegen, schickt Kontrolleure los. Koordiniert.

"Das ist unser täglich Brot, dass wir gezielt und auch kurzfristig angefragt werden. Am Nachmittag Telefonanruf: Könnt Ihr bitte morgen Früh um 6 Uhr in Italien eine Dopingkontrolle durchführen, oder auch in den USA oder egal wo auf diesem Planeten."
Alexander Kirchbichler arbeitet für die Dopingkontrollfirma PWC in Gilching bei München. Seit Jahren ist er dabei, führt auch im Auftrag von internationalen Sportverbänden Dopingtests durch, und hat so quasi hautnah miterlebt, was sich durch die Einführung des Blutpasses verändert hat.

"Früher war es so, dass man eher mit dem Gießkannen-Prinzip quasi ziemlich viele Kontrollen gemacht hat. Mittlerweile ist es so, dass man durch die Ergebnisse, die man auch durch den biologischen Pass bekommt, zielgerichteter kontrollieren kann. Wenn ein Verdachtsfall besteht, kann die entsprechende Anti-Doping-Organisation anordnen, was wir auch schon hatten, Kontrollen in der Früh um ein Uhr durchzuführen."
Dopingtests also sogar mitten in der Nacht. Denn bestimmte Substanzen sind nur wenige Stunden nach der Einnahme noch nachweisbar, und dann braucht der Dopingkontrolleur das optimale Timing.
Sind die Blutwerte aber so abnormal schwankend, braucht es nicht einmal eine erfolgreiche Zielkontrolle. Dann wird der Sportler gleich direkt gesperrt.
Laut der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA sind seit 2009 mehr als 150 Sportler nur aufgrund abnormaler Werte bestraft worden, ohne dass also eine verbotene Substanz bei ihnen gefunden wurde.
Blutpass hat seine Grenzen
Von den 150 Sportlern kamen 104 und damit mit Abstand am meisten aus der Leichtathletik. 20 aus dem Radsport. Einen Fall gab es im Skisport und keinen einzigen bisher beispielsweise in den Sportarten Biathlon, Eisschnelllauf, Triathlon, Schwimmen und Fußball.
Auch der Blutdoping-Skandal um den Erfurter Arzt Mark S. hat gezeigt, dass der Blutpass seine Grenzen hat. Nachdem Ski-Langläufer bei den Weltmeisterschaften in Seefeld erst mithilfe der Polizei und Hausdurchsuchungen beim Blutdoping erwischt werden konnten.
Die Nationale Anti-Doping-Agentur in Deutschland NADA hat schon Konsequenzen gezogen und testet jetzt sogar direkt vor dem Wettkampf. Auf Anfrage heißt es:

"Die NADA hat die neuen Erkenntnisse aus Seefeld und Erfurt unmittelbar in ihr Kontrollsystem einfließen lassen und entsprechend verschiedene Maßnahmen entwickelt. Mit dem Bewusstsein, dass Bluttransfusionen am Wettkampftag durchgeführt werden, nimmt die NADA im Einklang mit dem Anti-Doping-Regelwerk nun auch Proben direkt vor dem sportlichen Ereignis, was zuvor als unverhältnismäßig galt."
Blutwerte beobachten, Dopingtests in der Nacht und jetzt direkt vor dem Wettkampf – die Dopingkontrollschraube wird also noch ein Stück weiter gedreht.