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Operation Aderlass
Blutdoping-Skandal umfangreicher als vermutet

Fünf Sportarten, 21 Sportler aus acht europäischen Ländern und Vergehen von 2011 bis Februar diesen Jahres: Bei der "Operation Aderlass" genannten Dopingaffäre kommen immer mehr Details ans Licht. Spuren führen bis nach Hawaii und Südkorea.

Von Frank Hollmann | 20.03.2019
Oberstaatsanwalt Kai Gräber spricht auf einer Pressekonferenz.
Oberstaatsanwalt Kai Gräber: "Mir ist in Deutschland zumindest kein vergleichbarer Fall eingefallen, bei dem die Beweislage so grandios ist wie in dieserm Fall" (Andreas Gebert/dpa)
Betroffen sind 21 Sportler aus acht europäischen Ländern. Das Blutdoping begann im Jahr 2011 – bis die Fahnder zuschlugen. Kai Gräber, Leiter der Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft Doping in München: "Mir ist in Deutschland zumindest kein vergleichbarer Fall eingefallen, bei dem die Beweislage so grandios ist wie in dieserm Fall. Es wird ja immer gern mit Fuentes verglichen. Da kann man sagen: Bei Fuentes waren es mehr Blutbeutel, also ist unser Fall nicht so groß. Auf der anderen Seite werden wir vielleicht mehr Sportler ermitteln als bei Fuentes. Es ist schwer zu sagen, aber ich glaube schon, dass es eine relativ große Geschichte ist."
Eine große Geschichte – wie die des spanischen Radsport-Arztes Fuentes, der war 2006 aufgeflogen und hatte bis dahin auch Tour-de-France-Sieger beliefert. Der aktuelle Skandal hat ähnliche Dimensionen. Die Blutbeutel wurden nicht nur in Deutschland und Österreich verabreicht, sondern auch in etlichen weiteren europäischen Staaten sowie auf Hawaii, dem Austragungsort des Ironman - des weltweit wichtigsten Triathlons – und in Südkorea. Auch bei den letzten Olympischen Winterspielen waren zwei Kunden des Erfurter Arztes am Werk.
Bayerns Justizminister fordert Kronzeugenregelung
"Der Hauptbeschuldigte hat sich seine Dienste mit 4.000 bis 12.000 Euro pro Athlet pro Saison bezahlen lassen. Der hat schon seinen Schnitt gemacht." Die Gier nach Medaillen und die Gier nach Geld. Um dagegen noch wirksamer vorzugehen, wollen die Behörden im Freistaat weitere Kompetenzen. Nach dem Anti-Dopinggesetz 2015 müsse jetzt eine Kronzeugenregelung folgen, fordert Bayerns Justizminister Georg Eisenreich: "Nur so kann es uns gelingen, dass wir auch an die Schlüsselfiguren, an die Hintermänner in den Doping-Netzwerken rankommen."
Der Kampf gegen Doping sei immer auch ein Kampf für die Gesundheit, betont Oberstaatsanwalt Gräber und zeigt auf Fotos aus dem Erfurter Dopinglabor. Es haben – das haben Ermittlungen ergeben – Personen hier Blutentnahmen und -rückführungen durchgeführt, die keine medizinische Ausbildung haben. Es haben sich Ansätze ergeben, dass zumindest in einem Fall Präparate angewendet worden sind, ohne zu wissen, was überhaupt darin ist. Es waren weder die Wirkung noch die Nebenwirkung noch sonstwas bekannt."
Erst diese Woche wurde in Erfurt ein fünfter Verdächtiger festgenommen. Auch er soll Blutbeutel transportiert und die Infusionen bei Athleten gelegt haben – ohne jegliche medizinische Kenntnisse.