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10 Jahre nach dem Krieg
Russland, Südossetien und Georgien - unversöhnt

Seit dem Kaukasuskrieg von 2008 hat Georgien keinen Zugriff mehr auf Südossetien, das sich als unabhängig sieht und von Russland als unabhängiger Staat anerkannt wird. Auch wenn es Ansätze zur Versöhnung gibt - die Beziehungen zwischen den drei Ländern sind bis heute vergiftet.

Von Thielko Grieß | 07.08.2018
    Die Grenze zu Südossentien
    Zehn Jahre nach dem Kaukasuskrieg sind Georgien und Südossetien faktisch geteilt. (dpa/ picture alliance/ RIA Novosti)
    Der Krieg beginnt in der Nacht vom 7. auf den 8. August 2008. Georgische Einheiten greifen die südossetische Hauptstadt Zchinwali an, um die Region wieder voll unter ihre Kontrolle zu bringen. Südossetien gehörte und gehört bis heute völkerrechtlich zu Georgien. Den angegriffenen Südosseten eilen russische Einheiten zu Hilfe. Kampfflugzeuge fliegen Angriffe auch auf georgische Städte, manche Landstriche werden sogar für kurze Zeit besetzt. Der damalige Präsident Georgiens, Micheil Saakaschwili erklärte:
    "Ich habe das Kriegsrecht ausgerufen, weil sich unser Land im Zustand der vollkommenen militärischen Aggression von Seiten der Russischen Föderation befindet."
    Wladimir Putin, damals Ministerpräsident Russlands, fliegt in die russische Teilrepublik Nordossetien, die an Südossetien grenzt:
    "Das Vorgehen der georgischen Regierung in Südossetien ist natürlich ein Verbrechen. Die entfesselte Aggression hat zu zahlreichen Opfern geführt, auch unter der Zivilbevölkerung, und eine echte humanitäre Katastrophe ausgelöst."
    Die Frage, wer die Schuld am Ausbruch des fünftägigen Kriegs trägt, ist bis heute hart umstritten. Im Auftrag der Europäischen Union hat eine mit Historikern, Juristen, Politik- und Militäranalysten besetzte Kommission seinen Verlauf untersucht: Den Krieg habe Georgien begonnen.
    850 Tote, über 100.000 Geflüchtete
    Insgesamt etwa 850 Menschen seien umgekommen und mehr als 100.000 zwischenzeitlich auf der Flucht gewesen. Der Bericht hält fest, der Beginn der Kämpfe sei Eskalation einer, Zitat, "langen Periode steigender Spannungen, Provokationen und Zwischenfälle" gewesen.
    Südossetien hatte schon länger nach mehr Autonomie gestrebt. Es hatte mehrfach Kämpfe mit georgischen Truppen gegeben. Moskau wiederum hatte das Streben der Regierung in Tiflis in Richtung NATO und Europäische Union längst als Störung seiner Einflusssphäre verstanden.
    Am 12. August 2008 wird nach Bemühungen der französischen EU-Ratspräsidentschaft ein Waffenstillstand mit den Unterschriften Russlands und Georgiens geschlossen. Für den damaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, der sich Anfang September 2008 in Brüssel äußert, liegt die Hauptursache des Konflikts in Russland. Ein umstrittener Befund:
    "Die Rückkehr einer Politik der Einflusssphären ist inakzeptabel. Wir verurteilen deutlich die unverhältnismäßige Reaktion der Russen. Und wir, Europa, sind uns unserer Verantwortung bewusst, den Dialog mit unseren russischen Nachbarn aufrecht zu erhalten. Wir sind uns ebenso der Erwartungen Georgiens an die Adresse der EU bewusst. Diese Erwartungen an finanzielle, humanitäre und wirtschaftliche Unterstützung werden nicht enttäuscht werden."
    Leidtragende sind die Zivilisten
    Russland, Südossetien und Georgien sind bis heute unversöhnt. Leidtragende waren und sind zuerst Zivilisten.
    Die Flüchtlingssiedlung Schawschwebi liegt direkt an der Autobahn, die von Tiflis nach Gori, der Geburtsstadt Stalins, führt. Eingeschossige Gebäude mit rotem Wellblechdach, jedes etwas größer als 60 Quadratmeter, einfache und einheitliche Steinbauweise. Galina Keletschsajewa, eine 60 Jahre alte Frau, lebt seit fast zehn Jahren hier.
    "Drei Monate nach dem Bau sind wir eingezogen. Es war feucht, die Wände auch. Ich habe eine Lungenentzündung bekommen. Die Häuser wurden schon mehrmals renoviert, seitdem wir hier wohnen. Mal außen, mal innen, weil es schlicht unmöglich ist, in drei Monaten so viele Häuser gut zu bauen."
    Galina Keletschsajewa blickt von georgischer Seite auf die Grenze zu Südossetien
    Galina Keletschsajewa blickt über die faktische Grenze nach Südossetien. 2008 floh sie vor dem Krieg nach Georgien. (Deutschlandradio / Thielko Grieß)
    Wenn Keletschsajewa aus ihrer Haustür tritt und nach links den Schotterweg entlang schaut, der sich ins Tal hinabsenkt, sieht sie wenige Kilometer weiter, wie sich die Höhenzüge des Kaukasus hintereinander erheben. Dort zieht sich die faktische Grenze nach Südossetien, die sie seit fast zehn Jahren nicht mehr überschritten hat.
    Einmal war es noch möglich gewesen, kurz nach dem Ende der Kampfhandlungen, im September 2008. Sie hat ihr Heimatdorf Kemerti besucht. Während geschossen wurde, war sie aus dem Ort geflohen, dann kam sie zurück: ihr Haus zerstört, die Wertgegenstände mitgenommen, und auch ihre bettlägerige Mutter war verschwunden. Die hat sie zwar später ausfindig machen können. Aber die alte Frau blieb auf der anderen Seite.
    "Sie wurde in Wladikawkas in Nordossetien beigesetzt. Dort ist auch mein Vater beerdigt, meine Geschwister leben dort. Ich habe mit ihnen über Skype telefoniert und geweint."
    Integration der Geflüchteten ist schwierig

    Galina Keletschsajewa hat mit ihrem Mann und zwei erwachsenen Kindern neu angefangen, hat sich bei internationalen Hilfsorganisationen um Gelder beworben und in der Siedlung einen Kindergarten eröffnet. Vieles bleibt schwierig: Wasser gibt es nur stundenweise und gute Jobs sind sehr rar. Jetzt, im Sommer, können viele Geflüchtete auf den Feldern arbeiten, für 20 Lari am Tag. Das sind knapp sieben Euro. Im Winter warten sie auf den nächsten Sommer.
    Die Integration der Geflüchteten aus Südossetien ist auf vielen Ebenen schwierig, so Napoleon Milorawa, Geschäftsführer der georgischen Hilfsorganisation "Charity Humanitarian Centre Abkhazeti‘":
    "Statistisch gesehen sind Krankheiten unter Geflüchteten weiter verbreitet als bei Einheimischen. Dann liegt das durchschnittliche Bildungsniveau niedriger. Es gibt Probleme im sozialen Bereich: Welche Kontakte haben sie mit Einheimischen? Sind sie an der Lösung lokaler politischer und ökonomischer Fragen beteiligt? Wie viele Geflüchtete gibt es unter Abgeordneten auf verschiedenen Ebenen? Sehr wenige."
    In Georgien sind behördlich fast 280.000 Menschen als Geflüchtete registriert, wovon die meisten aus Abchasien stammen. Diese Region steht schon seit einem bewaffneten Konflikt 1992/93 nicht mehr unter georgischer Kontrolle. Aus Südossetien sind vor zehn Jahren nach Zahlen der Ombudsstelle in Tiflis rund 25.000 Menschen geflohen. Etwa drei Viertel der Familien haben demnach eine Unterkunft erhalten.
    Unterstützung durch georgischen Staat
    Der georgische Staat unterstützt deren Kauf mit Direktzahlungen und Kredithilfen. Außerdem erhält jeder Geflüchtete monatlich 45 Lari, was knapp 16 Euro entspricht. Zusätzliches Geld erhalten jene, die unter der georgischen Armutsgrenze leben. Gesundheitsvorsorge und Schulbildung werden unentgeltlich gewährt. Die Geflüchteten müssen sich mit ihrem Schicksal wohl auf lange Sicht abfinden. Mit Südossetien und Abchasien hat Georgien mehr als ein Fünftel seiner Landesfläche verloren.


    Fünf Beobachter der Mission der Europäischen Union, kurz EUMM, lassen von einem Hügel aus ihren Blick schweifen. In ihrem Rücken sehen sie das von Georgien kontrollierte Dorf Odsissi und vor sich trockene, niedrige Vegetation. Wenige hundert Meter entfernt erkennen sie grüne Schilder und einen Zaun, die von russischer und südossetischer Seite errichtet wurden und die Trennlinie zu Südossetien markieren. Zu sehen ist auch ein gesicherter Gebäudekomplex. Dort wohnen russische Grenzschutzeinheiten, sagen die EU-Beobachter. Sichtbares Personal, neue Gebäude oder Installationen: All dies und anderes, worüber die Europäer öffentlich nicht detailliert Auskunft geben, notieren sie. Desmond Doyle, ein Ire, ist Pressesprecher der EU-Mission.
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    Georgische Flagge an der Grenze. Im Hintergrund: russische Militärbasen in Südossetien (Deutschlandradio / Thielko Grieß)
    "Nicht erlaubt, nach Südossetien oder Abchasien zu fahren"

    "Ein Teil unserer Mission ist zu patrouillieren, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr, bei jedem Wetter, in jedem Terrain. Wir fahren hierher, wir zeigen die EU-Flagge. Außerdem ist eine unserer Hauptaufgaben, der örtlichen Bevölkerung ein Gefühl der Sicherheit zu geben, die vom Konflikt im Jahr 2008 betroffen war. Wir können das auf der georgischen Seite tun, und wir würden es auch gern auf der südossetischen Seite tun, aber es ist uns nicht erlaubt, nach Südossetien oder Abchasien zu fahren. Dabei besagt das Sechs-Punkte-Waffenstillstandsabkommen von 2008, dass es der EU-Beobachtermission erlaubt sein sollte, auch dorthin zu gelangen."
    Dies sowie die Stationierung militärischen Personals in insgesamt 19 Stützpunkten ist ein Verstoß gegen den Sechs-Punkte-Plan, den Moskau mit unterzeichnet hat. Chef der EUMM ist der Däne Erik Høeg, der unterstreicht: Die Mission sei unbewaffnet und verhalte sich strikt neutral.

    "Wir haben Mittel der Beobachtung, technische Mittel, wir verwenden offene Quellen, wir haben Spezialisten in unseren Regionalbüros, die Informationen sammeln. Wir sprechen durchaus mit Organisationen und Personen, die Zugang zu Abchasien und Südossetien haben. Ich würde also sagen, dass unser Verständnis und Wissen darüber, was dort geschieht, gut ist."
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    EUMM-Missionsleiter Erik Høeg (Thielko Griess/Deutschlandradio)
    Für Georgien konstatiert die EUMM: Das Land hält alle Bestimmungen der Vereinbarungen ein. Die Mission ist seit Oktober 2008 tätig, zurzeit nach eigenen Angaben mit rund 200 Beobachtern. Sie sind von 23 Mitgliedsstaaten der EU entsandt, darunter auch aus Deutschland. Sie bewegen sich auf ihren Patrouillen mit geländegängigen Jeeps entlang der Trennlinie, die sie "Administrative Boundary Line" nennen, zu Deutsch "Administrative Grenzlinie". Von Grenze darf keine Rede sein, weil die Europäische Union Südossetien und Abchasien nicht als selbstständig anerkennt.
    Neben Russland hat etwa eine Handvoll von Staaten die beiden selbsternannten Republiken anerkannt, darunter zuletzt Syrien. Moskau lasse unter Missachtung des Sechs-Punkte-Waffenstillstandsplans die Trennlinie seit 2009 zu einer Grenze ausbauen, erklärt Missionsleiter Erik Høeg:
    "Seitdem beobachten wir die Einrichtung von Stützpunkten entlang der Trennlinie. Es geht darum, Kontrolle über Personen, Waren und Fahrzeuge zu haben. Im Grunde, eine faktische Grenze zu errichten."
    Dörfer werden zerschnitten
    Georgische Medien berichten immer wieder davon, dass an den Stellen der Trennlinie, die noch nicht befestigt worden sind, schleichend weitere Quadratmeter georgischen Territoriums abgetrennt werden: Landwirte können ihre Felder nicht mehr bewirtschaften, Dörfer werden zerschnitten. Die Trennlinie ist von südossetischer Seite aus für Personen und Transporte weitgehend geschlossen worden. Ausnahmen gibt es nur für wenige hundert Personen an manchen Stellen, die von Russland oder Südossetien einen Passierschein erhalten haben.
    Aufgabe der EUMM ist es deshalb auch, zwischen den verfeindeten Seiten, die keine offiziellen Beziehungen mehr unterhalten, Kontakt herzustellen, um Eskalationen zu vermeiden. Dazu dienten Treffen zwischen Entsandten beider Seiten im Niemandsland an der Linie und eine Hotline.
    "Auf der anderen Seite der Trennlinie sind Explosionen zu hören, um Ihnen ein Beispiel zu geben. Und auf georgischer Seite will man erfahren, was los ist. Sie rufen uns an, und unsere Hotline-Mitarbeiter rufen dann auf der anderen Seite an und versuchen, eine Erklärung zu bekommen und die dann den Georgiern weiterzuleiten. Die Hotline wird sehr häufig genutzt. Im vergangenen Jahr hatten wir 1.600 Anrufe."
    Verwandte und Freunde wohnen auf der anderen Seite
    An dem Hügel, wo die europäischen Beobachter nach Südossetien hineinschauen, kommt David des Wegs, ein Hirte, mit vom Wetter gegerbtem Gesicht. Seine Kühe grasen, umkreist von drei Hunden. Er wohnt im Dorf Odsissi, erzählt er:
    "Wenn man ein Stück weiter geht, wird man festgenommen und abgeführt. Das passiert oft, einmal auch mit mir. Wir waren zu dritt und haben geangelt. Sie haben uns nicht geschlagen, nur gefragt, weshalb wir die Grenze überschritten haben."

    Aber: Verwandte und Freunde wohnten auf der anderen Seite. Er könne sie dort nicht besuchen, nur anrufen.
    Der Zugang zu Südossetien ist auch für ausländische Journalisten kaum möglich. Der Deutschlandfunk hat mehr als einen Monat lang versucht, eine Akkreditierung für die Gegend zu bekommen. Lange gab es kaum eine Reaktion, und als doch noch eine Zusage kam, war eine Recherchereise zeitlich nicht mehr möglich.
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    Der georgische Hirte David: "Sie haben uns nicht geschlagen, nur gefragt, weshalb wir die Grenze überschritten haben" (Deutschlandradio / Thielko Grieß)
    Finanzieller Einfluss Russlands
    Nach einer Volkszählung aus dem Jahr 2015 leben rund 53.000 Menschen in der Region, die etwas größer als das Saarland ist. Berichterstattung von dort leistet etwa das Portal "Kawkasskij Usel", zu Deutsch: Kaukasischer Knoten, das auch in Südossetien selbst vernetzt ist. Die Journalisten berichten engmaschig, wann und wo an der faktischen Grenze Menschen wegen illegalen Grenzübertritts von südossetischen Behörden festgenommen werden.
    Die Sicherheitsbehörden Südossetiens gelten Fachleuten als verlängerter Arm der russischen Dienste. Auch finanziell ist Russlands Einfluss gewaltig: Südossetien plant in diesem Jahr im Haushalt mit Ausgaben von rund 7,7 Milliarden Rubel, das sind knapp 106 Millionen Euro. Rund 86 Prozent dieses Geldes zahlt Russland. Georgiens Einfluss wird systematisch begrenzt: Jüngst ist Georgisch als Unterrichtssprache in Schulen abgeschafft worden.

    Wir haben Kontakt zu Lira Kosajewa in der Hauptstadt Zchinwali aufgenommen, die lange Jahre als Menschenrechtlerin gearbeitet, sich etwa für südossetische Gefangene in georgischen Gefängnissen eingesetzt hat.
    "Ich glaube, die Menschen haben materiell ein besseres Leben, sie sind weniger besorgt. Nach dem Krieg gab es hier schreckliche Ruinen, aber nun ist die Stadt fast wieder aufgebaut. Einige, die Südossetien verlassen haben, kehren zurück. Immer mehr Menschen halten sich draußen auf, was früher nicht der Fall war. Es finden Konzerte und Veranstaltungen statt."
    Sie berichtet sogar davon, dass wieder mehr Kritik als früher öffentlich geäußert werden könne.
    Alan Parastajew, der in der Region ein kleines touristisches Unternehmen betreibt, steht zur engen Verbindung zu Russland:
    "Wichtigstes Ergebnis ist: Wir leben jetzt in Sicherheit. Das Volk Südossetiens kann sich zum ersten Mal seit 1990 ruhig und sicher fühlen, muss keine direkte georgische Aggression, Terroranschläge oder Krieg befürchten. Alles andere ist damit verbunden, auch die Hilfe, die Russland für uns leistet."
    Den Berichten dieser beiden Einwohner zufolge ist die Arbeitslosigkeit in Südossetien sichtbar zurückgegangen. Im Gesundheitswesen sei zu beobachten, dass es mehr Ärzte gebe. Es gehe voran. Zu überprüfen war dies nicht.
    Ein Grenzposten mit russischem Beamten
    Ein Grenzposten mit russischem Beamten (Deutschlandradio / Thielko Grieß)
    Ministerium für Versöhnung
    Auf der anderen Seite, in Tiflis, regiert seit Juni mit Mamuka Bachtadse ein neuer Ministerpräsident. Zu seiner Regierung gehört auch ein Ministerium für Versöhnung. Ministerin Ketevan Tsichelaschwili hat im April einen neuen Vorschlag unterbreitet, der den Status der Teilung zwar nicht anerkennt, aber die Beschwernisse im Alltagsleben zwischen den getrennten Regionen etwas erleichtern soll.
    "Ein Handschlag, dass Leute einander treffen, ist der beste Weg, um Vorurteile einzureißen, die jeden Tag aufgebaut werden, um uns vor Kontakten Angst zu machen und das Trennende beizubehalten. Unsere Bemühungen sind darauf gerichtet, das Trennende zu überbrücken."
    Konkret: Bewohner Südossetiens sollen wie Georgier auch die Erleichterungen im Warenaustausch etwa mit der EU nutzen können, mit der ein Assoziierungsabkommen geschlossen wurde. Sie können ärztliche Behandlungen in Georgien unentgeltlich in Anspruch nehmen. Studenten aus den abgetrennten Gebieten können Hochschulen besuchen. Kleine Schritte nur, was auch daran deutlich wird, dass viele Landwirtschaftsexporte kaum in die EU gelangen dürfen, weil sie die Hygieneanforderungen nicht erfüllen. Die Ministerin spricht von Friedensarbeit.
    "Das Einzige, was wir wollen, ist unsere Freiheit, unsere Unabhängigkeit und die Möglichkeit, uns in einen demokratischen Sozialstaat zu entwickeln. Das ist alles. Ein wirklich stabiler, geeinter und sozialer Staat Georgien ist ein guter Partner für jeden in der Region."
    Beitritt zu EU und NATO
    Ein Beitritt zur Europäischen Union und zur NATO ist unverändert erklärtes georgisches Ziel. Das Militärbündnis unterhält ein Trainingszentrum für die georgische Armee, die sich ihrerseits durch Teilnahme etwa am Afghanistan-Einsatz erkenntlich zeigt. Beim Gipfeltreffen der NATO Anfang Juli wiederholte die Allianz das Ziel einer Mitgliedschaft Georgiens, blieb aber unkonkret. Wladimir Putin erklärte zuletzt Mitte Juli, Russland würde auf einen Beitritt negativ reagieren.
    Georgien setzt außerdem auf bilaterale Militärhilfe der Vereinigten Staaten, die auch unter Präsident Trump ungebrochen ist. Im vergangenen Herbst war von einer Zusage von 100 Millionen Dollar über zwei Jahre die Rede.
    Die Regierung in Tiflis erfährt in weiten Teilen der Bevölkerung nach wie vor breite Unterstützung für ihren West-Kurs. Verschiedene Meinungsumfragen belegen dies regelmäßig. Es gibt kleine Gruppen, die auf eine Annäherung an Russland setzen. Dies sei wichtiger als ein Beitritt zur NATO. Die jahrelangen, in Intervallen in Genf stattfindenden Verhandlungen zwischen Russland und Georgien hätten keinen Fortschritt gebracht – Tiflis müsse deshalb auf Moskau zugehen.
    Zehn Jahre nach dem Krieg zwischen Georgien, Südossetien und Russland bleiben die politischen Fronten verhärtet. Russland hat mit Südossetien einen international kaum anerkannten und teuren Subventionsfall geschaffen sowie eine Mehrheit in Georgien auf lange Sicht gegen sich aufgebracht. Georgien selbst hat den Zugriff auf zwei seiner Regionen auf Dauer verloren. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Eine der wenigen Indikatoren, die etwas Entspannung verheißen können: Seit Jahren wachsen die Zahlen der Besucher aus Russland. Vielleicht kann dies langfristig der Entfremdung beider Staaten die härtesten Spitzen nehmen.