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Südossetien
Unterwegs an der Grenze, die keine sein soll

Südossetien: Die Region gehört völkerrechtlich zu Georgien, versteht sich aber als unabhängig. 2008 kam es deshalb zu einem bewaffneten Konflikt. Russland hat Soldaten stationiert. Auf der anderen Seite der Grenze sind EU-Beobachter im Einsatz. Unsere Reporter haben sie besucht.

Von Thomas Otto und Alexander Hertel | 19.10.2016
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    Die Grenze in Südossetien aus Sicht der EU-Beobachter. (Thomas Otto und Alexander Hertel, Deutschlandfunk)
    Geübt schlängeln sich die beiden blauen Jeeps mit der EU-Fahne über den holprigen Feldweg. Vor ihnen erhebt sich aus der steppenartige Ebene eine hügelige Landschaft, dahinter die Gipfel des Großen Kaukasus. Hundert Meter vor einem grünen Blechschild kommt der Konvoi zum Stehen.
    "Vor uns sehen wir einen grünen Zaun, das ist die erste Sicherungslinie. Dahinter befinden sich die Überwachungseinrichtungen. Das sind diese Masten dort. Dahinter gibt es noch einen Zaun und oben auf dem Hügel befinden sich zwei Observierungsstationen."
    Zivile Beobachter an einer umstrittenen Grenze
    Konstantinis Kondylis überfliegt mit dem Feldstecher die Anlage. "Keine Änderungen" notiert er in einer Kladde. Kondylis und seine vier Kollegen gehören zur European Monitoring Mission, kurz EUMM. Die zivilen Beobachter patrouillieren nahezu täglich am umstrittenen Übergang von Georgien in die abtrünnige Republik Südossetien, erklärt Pressechef Hasso Resenbro.
    "Unsere Aufgabe ist genau zu beobachten, ob sich etwas verändert. Wird ein neuer Mast aufgestellt, dann notieren wir das und schreiben es in unseren Bericht."
    Blick auf die russische Basis
    Das Wort "Grenze" umgehen sie dabei bewusst. Im Beobachter-Sprech heißt der grüne Zaun "Adminstrative Boundary Line" oder ABL. Auf der anderen Seite wird großer Aufwand betrieben, damit aus der administrativen Begrenzungslinie eine echte Staatsgrenze wird. Konstantinis Kondylis beobachtet nun eine große Militärbasis auf einem Bergkamm. Luftabwehr, sagt er.
    "Es ist eine russische Basis." Die Schutzmacht der Südosseten zementiert seit Jahren den Status Quo an der ABL, erklärt Hasso Resenbro einige Kilometer weiter, wo eine brandneue Basis auf ossetischer Seite über der Ebene thront.
    "19 russische Militärbasen gibt es entlang der ABL. Das ist ziemlich neue Infrastruktur, langlebig gebaut. Sie wirken wie permanente Einrichtungen. Die haben Parabolantennen zum Fernsehen, Spielplätze für die Kinder, Logistikgebäude, Volleyball- und Basketballplätze."
    Hotline soll Eskalation verhindern
    Die Botschaft an die Georgier ist klar: Wir bleiben hier. Damit es trotzdem zu keinen ungewollten Zwischenfällen kommt, hat die EUMM eine Hotline eingerichtet, erklärt Resenbro.
    "Über diese Telefonleitung der EUMM können südossetische Grenzschützer mit georgischer Seite sprechen. Wir versuchen damit vor allem das Leben der Menschen entlang der ABL so einfach wie möglich zu gestalten."
    Denn ihr Alltag wird massiv erschwert. Jahrzehntelange bewirtschafteten ossetische Bauern Georgischen Boden und umgekehrt. Heute verläuft die Grenze manchmal direkt über Felder und trennt Bauern von ihren Erträgen. Zweihundert Meter von der Grenze entfernt erntet Zurab gerade Zwetschgen und Äpfel. Doch das ist mittlerweile viel schwerer, erzählt der Landwirt.
    "Es gibt überhaupt kein Wasser mehr von drüben. Seit Jahren nicht. Wir haben hier jetzt eine eigene Pumpe. Aber die schafft nicht soviel."
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    Zwetschgenernte im südossetischen Grenzgebiet. (Thomas Otto und Alexander Hertel, Deutschlandfunk.)
    Prekäre Wasserversorgung
    Das Wasser für die Landwirtschaft kommt schon immer aus den Bergen Südossetiens ins Tiefland. Doch seit dem Krieg 2008 bricht die Versorgung regelmäßig ab. Ein Thema, dass EUMM-Mitarbeiter Resenbro immer wieder beschäftigt.
    "Das ist wichtig für das normale Zusammenleben. Man kann das Wasser nicht einfach abdrehen. Es muss auch zu den anderen kommen. Da gibt es natürlich Dinge, die man besprechen muss. Meistens findet sich eine Lösung."
    Auch am Dorfplatz in nahen Mereti ist die Wassersituation das große Thema. Acht Jahre lang habe es keine durchgehende Wasserversorgung gegeben erzählt Merab Makharashvili, ein stämmiger Lokalpoltiker aus dem Dorf. Dann habe man eben selber die Brunnen gebohrt.
    Am anderen Ende des Dorfes geht es vorwärts in Sachen Wasserversorgung. Zentimeterweise fräßt sich der Bohrkopf in die trockene Erde. Bis zu 200 Meter tief. Erst ab dort gibt es in der Ebene Grundwasser.
    Im Auftrag der Regierung in Tbilisi bekommen die grenznahen Dörfer gerade neben der Wasser- auch eine zentral Gasversorgung. Im Wahljahr eine lukrative Investition. Die Regierung gewinnt Wähler und zeigt dem Südosseten, wie viel besser das Leben als Teil Georgiens sein könnte.
    Für Kühe existiert die Grenze nicht
    Der Einsatz der EUMM-Beobachter nähert sich langsam seinem Ende. Von Lokalpolitiker Makharashvili gibt es noch ein Wahlplakat seiner Partei. Von Landwirt Zurab einen Eimer Äpfel. Marke: Golden Resister – Goldener Widerständler. Der halte viel aus, witzelt er.
    Äpfel und Wasser. Alles scheint hier im Zeichen des Konflikts zu stehen. Zumindest für diejenigen, die sich davon beeinflussen lassen, ergänzt Hasso Resenbro von der EUMM grinsend.
    "An manchen Stellen gibt es keinen Zaun und von Zeit zu Zeit verirrt sich dann mal eine Kuh auf die andere Seite. Diese Tiere nehmen die ABL gar nicht war. Die laufen einfach hin und her."