Mittwoch, 24. April 2024

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100.000ste VW Käfer
Das billige, sparsame und zuverlässige Erfolgsauto 

Ursprünglich stand das fast zerstörte Volkswagenwerk nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Demontageliste der Alliierten. Doch dann lief die Produktion des VW Käfers wieder an. Ein Erfolgsmodell: Bereits am 04. März 1950, vor 70 Jahren, lief der 100.000ste VW Käfer vom Band.

Von Hartmut Goege  | 04.03.2020
    Ein VW-Käfer mit historischem "H"-Kennzeichen bei einer Ausfahrt.
    Der VW Käfer: ein Erfolgsmodell der Nachkriegszeit (imago/Rüdiger Wölk)
    "Anlässlich der Fertigstellung des 100.000sten Wagens nach dem Kriege sprach Generaldirektor Nordhoff im Rahmen einer Betriebsfeier über den Wiederaufbau des Werks und dankte bei dieser Gelegenheit der Belegschaft für ihre Mitarbeit."
    Tausende von Werksarbeitern sahen an diesem 4. März 1950, wie der mit Blumen geschmückte Jubiläums-Käfer sich auf einer Hydraulikrampe langsam über ihre Köpfe nach oben hob, um gefeiert und anschließend unter ihnen verlost zu werden. Für die Kinowochenschau war das Anlass genug, darüber zu berichten. Denn noch bei Kriegsende fünf Jahre zuvor hatte ein Großteil des Volkswagenwerks in Fallersleben, dem heutigen Wolfsburg, in Schutt und Asche gelegen, wie sich der erste VW-Generaldirektor Heinrich Nordhoff erinnerte.
    "Immerhin ist es uns in gemeinsamer Arbeit mit zunächst ungefähr 6.000 Mitarbeitern gelungen, aus dieser beinahe verzweifelten Lage einen sehr gut arbeitenden und für die deutsche Wirtschaft sehr wichtig gewordenen Betrieb zu machen."
    Ursprünglich sollte das VW-Werk demontiert werden
    Dabei stand die Industrieanlage ursprünglich auf der Demontageliste der Alliierten. Der für das Werk zuständige britische Major Ivan Hirst konnte schließlich seine Vorgesetzten in der britischen Militärregierung davon überzeugen, für den Eigenbedarf den Bau von Kraftfahrzeugen selbst zu übernehmen. Die Pläne für den von Ferdinand Porsche vor dem Krieg konstruierten Wagen lagen noch in den Schubladen. Für die ersten 10.000 Nachkriegskäfer meldete 1946 die britische Wochenschau "Welt im Film":
    "Die Wagen werden durch die Militärbehörden zunächst an Dienststellen der Besatzungsmacht und lebenswichtige deutsche Betriebe verteilt."
    Bereits ein Jahr später begann der Export einiger Exemplare in die Niederlande, zwei Jahre später sogar in die USA, wo man fortan vom Beetle, dem Käfer, sprach. Litt die Qualität der ersten Produktionsjahre während der britischen Besatzung vor allem noch an mangelhafter Teileversorgung, waren mit Beginn der Währungsreform 1948 die meisten Schwierigkeiten plötzlich überwunden. 20.000 Käfer waren mittlerweile produziert. Ein Auto wie geschaffen für die Nachkriegszeit: billig, sparsam, zuverlässig. Und die Werbung versprach noch mehr:"180 Stundenkilometer fährt der Volkswagen natürlich nicht. Doch wir garantieren Ihnen, dass jeder Volkswagen, ganz gleich welcher Ausführung, absolut autobahnfest ist."
    Übergabe an die Bundesrepublik im Jahr 1949
    1949 übergaben die Briten die Autoschmiede als GmbH an die neu gegründete Bundesrepublik Deutschland. Zuvor noch hatten sie den Produktionsstandort nach dem in der Nähe liegenden Schloss an der Aller in Wolfsburg umgetauft. Der VW Käfer startete seine beispiellose Erfolgsgeschichte. Selbst die sowjetische Berlin-Blockade konnte seinen Siegeszug nicht aufhalten:"Vom britischen Flugplatz Wunstorf bei Hannover werden Volkswagen nach Berlin geflogen. Frisch aus dem Werk geht es direkt in den Flugzeugbauch."
    Geschäftsführer Heinrich Nordhoff war maßgebend für den rasanten Aufbau des Unternehmens verantwortlich. Er hatte vor dem Krieg in den USA bei dem damals weltweit größten Autobauer General Motors moderne Produktionsmethoden studiert."Alle zwei Minuten läuft ein neues Fahrzeug vom Fließband. 1950 soll die Jahresleistung 70.- bis 80.000 Wagen betragen."
    Etwa 20.000 Arbeiter bei VW
    Mittlerweile waren an die 20.000 Arbeiter bei dem niedersächsischen Fahrzeugbauer beschäftigt. 80 Prozent stammten aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Einer von ihnen durfte sogar den 100.000sten Käfer in Empfang nehmen."Der Jubiläumswagen wurde unter den Werksangehörigen verlost. Gewinner war der 24-jährige Schweißer Manfred Reiß, ein Flüchtling aus Schlesien. Direktor Nordhoff und alle Arbeitskollegen gratulieren dem Glücklichen."
    Der Werksmitarbeiter aus Schlesien aber hatte erst noch andere Bedürfnisse als Auto fahren. Nur fünf Tage später meldete "Der Spiegel", dass der junge Schweißer den schwarzen Volkswagen im Wert von 5.450 Mark möglichst schnell verkaufen wolle, um dringend benötigte Möbel anzuschaffen. Andere dagegen träumten weiter von ihrem ersten Auto:
    - "Vati im eigenen Wagen, das wär´s."
    - "Tja, einen VW müsste man haben."