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100. Geburtstag des Set-Designers Ken Adam
Schöpfer atemberaubend futuristischer Filmkulissen

Seinen Durchbruch als Filmarchitekt hatte Ken Adam mit dem Set-Design für "James Bond jagt Dr. No.". Unsterblich machte ihn indes nicht zuletzt der "War Room", den er für Stanley Kubricks "Dr. Seltsam" bauen ließ. Am 5. Februar 2021 wäre Ken Adam 100 Jahre alt geworden.

Von Hartmut Goege | 05.02.2021
    Der ergraute deutsch-britische Film-Architekt Ken Adam posiert in hellem Anzug und Sonnenbrille mit seiner Oscar-Trophäe bei einem Besuch in seiner Geburtsstadt Berlin anlässlich der Übergabe seines Archivs an die deutsche Kinemathek
    Ken Adam mit seinem Oscar bei einem Besuch 2012 in seiner Geburtsstadt Berlin (picture alliance / AP Photo | Michael Sohn)
    Bond, James Bond und Adam - Sir Ken Adam - von seiner Majestät geadelter britischer Filmarchitekt. Seine Ideen prägten erst den Mythos "007": die größenwahnsinnigen Kommandozentralen auf exotischen Vulkan-Inseln für die Bösewichte dieser Welt etwa wurden nach seinen Vorgaben gebaut. Adams Zeichnungen und Anleitungen für bildgewaltige, atemberaubend futuristische Filmkulissen sollten später zwar ebenso atemberaubende Millionen-Summen kosten, doch das erste Bond-Abenteuer "Dr. No" kam noch mit bescheidenen Budgets aus:

    "Die ganzen Dekors haben, glaube ich, 21.000 Pfund gekostet, und irgendwie kam mir die Idee, die Dekors mit Fantasie mehr zu entwerfen und mehr unser Zeitalter auszudrücken. Es war ´62, also es war ein elektronisches Zeitalter, Computer fingen an, und die ganzen Abteilungsleiter in Pinewood haben gesagt, ‚alles was Du machst, können wir bauen‘."

    Mit 13 Jahren Flucht aus NS-Deutschland

    Der sensationelle Anfangserfolg von Dr. No bedeutete nicht nur die Geburt eines neuen Kinohelden, sondern auch den Durchbruch des damals 40-jährigen Ken Adam zum international gefragten Set-Designer, der, nur mit einem Filzstift bewaffnet, völlig neue Welten schuf.
    Ken Adam wurde am 5. Februar 1921 als Klaus Hugo Adam in Berlin geboren. Seine jüdischen Eltern gehörten zum alteingesessenen Großbürgertum der Stadt. Doch als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, musste die Familie des damals 13-Jährigen emigrieren:

    "Ich werde nie vergessen, wie mein Vater sagte, dass zuerst die Kinder, das waren mein jüngerer Bruder und ich und meine Schwester, ins Ausland geschickt werden müssten, nämlich in Deutschland gebe es keine Zukunft mehr. Und deswegen sind wir 1934 nach England ausgewandert."

    Das Architekturstudium brach er ab

    Fortan nannte er sich Ken, besuchte gute Schulen, begann ein Architekturstudium, unterbrach es für eine Jagdfliegerausbildung bei der Royal Air Force und startete seine Karriere beim Film 1947 als Assistent und Zeichner in den Londoner Riverside Studios. Dann kam der erste Film, erzählt Adam:

    "'Captain Hornblower‘ mit Gregory Peck. Und da habe ich diese Boote gebaut, die Fregatten des 18. Jahrhunderts. Warum? Ich war an Booten immer interessiert, wie ich an Autos und Flugzeugen interessiert war."

    Bei James Bond konnte sich Adam austoben

    Er hatte auch ein Faible für kleine technische Spielereien, mit denen er später James Bond beglückte: So erfand er für das Bond-Auto etwa den Schleudersitz für unliebsame Beifahrer oder die seitlich ausfahrbaren Reifen-Aufschlitzer. Sein Meisterstück aber lieferte er 1964 für die bitterböse Filmsatire über den Kalten Krieg "Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben". Für Regisseur Stanley Kubrick, der durch die Bauten in "Dr. No" auf ihn aufmerksam geworden war, entwarf Adam den sogenannten War Room, eine gigantische, unterirdische und überaus realistisch wirkende Kommandozentrale des US-Präsidenten: Offenbar zu realistisch für Ronald Reagan wie Adam berichtete:

    "Angeblich hat Reagan, als er Präsident wurde, seinen Stabschef gefragt, ob er den War-Room im Weißen Haus besuchen könnte. Und der Stabschef: ‚Wir haben keinen War-Room im Weißen Haus.‘ Und darauf hat Reagan gesagt ‚Aber ich habe den doch in Dr. Strangelove gesehen'."
    Ein Fimposter zeigt Ken Adams bekanntestes Szenenbild: den düsteren  War Room in Stanley Kubricks Militärsatire "Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben "
    Ken Adams bekanntestes Szenenbild : der War Room in Stanley Kubricks Militärsatire "Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben " (Columbia Pictures / Ronald Grant)
    Sieben Bond-Filmen drückte er in 17 Jahren seinen Stempel auf. Für einen maßstabsgetreuen Atom-U-Boot-Nachbau in "Der Spion, der mich liebte" ließ er 1976 sogar die damals größte Filmhalle der Welt bauen.
    Seine beiden einzigen Oscars aber erhielt der Technik-Begeisterte ausgerechnet für die Ausstattung zweier Historienfilme: "Barry Lyndon" und "The Madness of King George". Volker Schlöndorff, der Ken Adam gern für die Ausstattung seiner Blechtrommel gewonnen hätte, aus Kostengründen aber auf ihn verzichten musste, zählt ihn zu den wichtigsten Set-Designern der modernen Filmgeschichte:
    "Ken Adam reiht sich ja direkt ein in die große Tradition des deutschen Filmemachens. Das, was er macht, das ist im Grunde modernisierter Expressionismus."
    Der Filmausstatter und Designer Ken Adam, hier im Oktober 2002 in seiner Ausstellung "Ken Adam - Visionäre Filmwelten" im Martin-Gropius-Bau in Berlin
    Think big! - Der Weltenmacher Ken Adam
    Jeder Held braucht seine Welt, die er retten kann. Die einzigartige Welt des einzigartigen Geheimagenten James Bond hat Sir Ken Adam erträumt und erschaffen.
    Vier Jahre vor seinem Tod schenkte Ken Adam dem Archiv der Deutschen Kinemathek in seiner Geburtsstadt Berlin über 4.000 Zeichnungen, Fotografien, Filme und biografische Zeugnisse aus seiner fast 80 Filme umfassenden Schaffensperiode. Er starb 2016 mit 95 Jahren in London.