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100. Geburtstag Kalaschnikows
Russischer Stolz auf ein Sturmgewehr

Das Sturmgewehr Kalaschnikow gilt als günstig zu produzieren und sehr zuverlässig. Vor 100 Jahren wurde sein Erfinder Michail Kalaschnikow geboren, in Moskau erinnert ein großes Denkmal an ihn. Sich mit ihm und seiner Erfindung auseinanderzusetzen, gilt in Russland als patriotische Pflicht.

Von Thielko Grieß | 11.11.2019
Schaulustige betrachten am 19.09.2017 in Moskau (Russland) das Denkmal des Waffenentwicklers Michael Kalaschnikow.
In Moskau steht ein großes Denkmal des Waffenentwicklers Michail Kalaschnikow (dpa /AP /Pavel Golovkin)
Michail Timofejewitsch Kalaschnikow hält sein Sturmgewehr in den Händen – er begutachtet den Lauf. So sieht es aus, das Denkmal des 2013 Verstorbenen am Moskauer Gartenring. Ein hoher Sockel mit goldener Inschrift, an dessen Fuß in diesem Moment Nationalgardisten antreten.
"Alle Modifikationen des Sturmgewehrs Kalaschnikow werden in den Einheiten der Nationalgarde verwendet", sagt Generalleutnant Sergej Bojko. Die Nationalgarde ist eine Schöpfung Wladimir Putins. Etwa 300.000 Mann, wenige Frauen, die den Mächtigen auch dazu dienen können, innere Aufstände niederzuschlagen, sollte es einmal welche geben.
Eine Militärkapelle untermalt die kurze Gedenkviertelstunde. Nationalgardisten legen Nelken und Rosen nieder, verneigen sich, salutieren, den Kopf im Nacken, um den hoch über ihnen stehenden Kalaschnikow anzusehen. Der hatte 1947 das erste Modell mit dem charakteristisch gebogenen Magazin entwickelt.
AK 47 lässt sich günstig produzieren
Die AK 47 und dutzende Nachfolgevarianten gelten als günstig zu produzieren und äußerst verlässlich. Die Sowjetunion hat sie etlichen ihr zugeneigten Ländern geliefert und vergab auch Herstellungslizenzen. Mosambik trägt in seiner Flagge bis heute eine Abbildung der Waffe, ebenso die einstige kolumbianische Guerilla-Armee FARC. Weltweit sollen rund 100 Millionen Stück in Umlauf sein – doch niemand weiß es genau. Der russische Waffenkonzern, der inzwischen auch Kalaschnikows Namen trägt, produziert und verkauft sie nach wie vor.
Vor dem Denkmal des Konstrukteurs in Moskau spricht Andrej Smirnow, der seine rote Nelke gleich noch niederlegen wird, darüber, weshalb er die Beziehung Russlands zu Kalaschnikow nicht nüchtern betrachten kann:
"Weil das Schicksal Russlands praktisch immer mit Kriegen verbunden war. Man findet kaum eine Zeit, als Russland friedlich gelebt und nicht auch einer Aggression von außen ausgesetzt war und nicht auch seine Grenzen gegen Feinde zu verteidigen hatte. Waffen werden als Instrument verwendet, das es erlaubt, das Land gegen solche Aggressionen zu schützen und ein friedliches Leben aufzubauen."
Smirnow war am Bau des Denkmals, das vor zwei Jahren eingeweiht wurde, beteiligt. Er arbeitet für die Russische Militärhistorische Gesellschaft. Die wurde von Präsident Wladimir Putin gegründet, um Wissen über das russische Militär, seine Geschichte und Erfolge zu verbreiten. Statt Wissen allerdings verbreitet die Gesellschaft zumeist nur Halbwissen, indem sie sich auf Heldenlegenden und ihre -taten beschränkt. Kontroverse historische Wissenschaft ist nicht ihr Anliegen.
Schüler lernen wieder Waffenkunde
Ein Schüler in Chabarowsk im Fernen Osten versucht, ein Sturmgewehr auseinanderzubauen. Waffenkunde, die schon in der Sowjetunion üblich war; sie wurde auf Empfehlung des Bildungsministeriums nun wieder in vielen Schulen zum Thema. "Man muss da absolut verantwortungsvoll sein, das ist ja schließlich kein Spielzeug", betont ein anderer Schüler in Tatarstan.
In einer Handreichung des Ministeriums heißt es, im Unterricht solle das Leben und Wirken des Ingenieurs besprochen werden, die AK möglichst auch mit einer Waffe amerikanischer Produktion verglichen werden. Dies diene der Herausbildung von Patriotismus.
Der Erfolg der früher sowjetischen und heute russischen Waffe sei auch an folgendem Fakt zu erkennen: "Jährlich sterben eine Viertelmillion Menschen durch Kugeln aus einer AK."