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100. Geburtstag von Bernd Alois Zimmermann
Werke zwischen Utopie und Wirklichkeit

Der Komponist Bernd Alois Zimmermann gilt als wichtiger Avantgardist der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit seiner Anti-Kriegs-Oper "Die Soldaten" gelang ihm der Durchbruch - eine Komposition, die zunächst als unaufführbar galt.

Von Albrecht Dümling | 20.03.2018
    Der Komponist Bernd Alois Zimmermann (1918-1970, l.) unterhält sich mit dem Dirigenten Michael Gielen
    Der Komponist Bernd Alois Zimmermann (1918-1970, l.) unterhält sich mit dem Dirigenten Michael Gielen (picture alliance / dpa / Otto Noecker)
    Das amerikanische Negro-Spiritual "Nobody knows the trouble I have seen" ist eine Klage über die Sklaverei, eine Anklage. Der Kölner Komponist Bernd Alois Zimmermann schrieb 1954 über dieses Thema ein Trompetenkonzert.
    Die Einbeziehung von Neoklassizismus, Zwölftontechnik und Jazz in diesem Konzert erklärte der Komponist so:
    "Das Werk ist unter dem Eindruck des (leider auch heute immer noch bestehenden) Rassenwahns geschrieben und will in der Verschmelzung von drei stilistisch scheinbar so heterogenen Gestaltungsprinzipien gleichsam einen Weg der brüderlichen Verbindung zeigen."
    In seinem pluralistischen Musikdenken und dem politischen Engagement unterschied sich Bernd Alois Zimmermann von den Komponistenkollegen Karlheinz Stockhausen und Pierre Boulez, die in ihren neuen Werken abstrakten Organisationsprinzipien folgten. Zimmermann, am 20. März 1918 in Bliesheim bei Köln geboren und an einer Klosterschule erzogen, war zehn Jahre älter als diese Wortführer der Darmstädter Avantgarde.
    Kriegserlebnisse hatten Einfluss auf Kompositionen
    Der Zweite Weltkrieg hatte sein Musikstudium unterbrochen. Das Kriegserlebnis bedeutete für Zimmermann einen Schock, der sein ganzes Schaffen prägte, nicht zuletzt sein Hauptwerk, die Oper "Die Soldaten". Sie basiert auf dem gleichnamigen Drama des Sturm-und-Drang-Autors Jakob Michael Lenz, der die Einheit von Ort, Zeit und Handlung sprengte und damit den Komponisten beeindruckte.
    "Dieser Schritt weg von den drei Einheiten führt direkt … zu dem heutigen Begriff von Zeit, den ich als den einer Kugelgestalt bezeichnen möchte, eine Kugelgestalt, in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vertauschbar sind."
    Die Überlagerung mehrerer Handlungen und Orte realisierte Zimmermann in einer vielschichtigen Komposition, die zunächst als unaufführbar galt. Nach vielen Proben kam seine Oper "Die Soldaten" schließlich am 15. Februar 1965 in Köln zur erfolgreichen Uraufführung.
    "Die kompositorischen Prinzipien dieses Werkes … lauten auf eine kurze Formel zusammengedrängt etwa folgendermaßen: Übertragung der kugelförmigen Vorstellung der Raum-Zeit-Gestalt meiner Oper in die flächenhaft-frontale Zuordnung von Bühne und Zuschauerraum."
    Diese Oper verwendet eine bis dahin unerreichte Vielfalt der Mittel und schichtet die heterogenen Elemente auch übereinander. Die vielen Mittel hat Zimmermann auf der Basis einer einzigen Tonreihe durchstrukturiert und außerdem in Zeitschichten geordnet. Dazu der Musikwissenschaftler Heribert Henrich:
    "In diesem pluralistischen Komponieren hat er ein Mittel gefunden, alles Mögliche in ein Werk zu integrieren, was zunächst als unvereinbar erscheint."
    Orientierung an Bruckner, Strawinsky, Bartók und Schönberg
    Viele Werke Bernd Alois Zimmermanns sind getragen von der Spannung zwischen Utopie und Wirklichkeit, so auch sein "Requiem für einen jungen Dichter" und die Ekklesiastische Aktion "Ich wandte mich um und sah an alles Unrecht, das geschah unter der Sonne". Dieses Werk vollendete der Komponist im August 1970 nur wenige Tage, bevor er sich das Leben nahm. Aus dem Werkverzeichnis, das Heribert Henrich erstellt hat, geht die Entwicklung des Komponisten hervor.
    "Er hat sich eigentlich erst sehr langsam herangetastet an die Kompositionstechniken der Nachkriegsavantgarde."
    Von der Orientierung an Bruckner, Strawinsky, Bartók und Schönberg kam Bernd Alois Zimmermann allmählich zum pluralistischen Konzept seiner "Soldaten"-Oper, die ihm den Durchbruch verschaffte.
    "Man hat in den 50er-Jahren Zimmermann nicht als einen so bedeutenden Komponisten empfunden. Das hat sich dann spätestens mit den ‚Soldaten‘ geändert."
    Heute wird Zimmermanns einzige Oper trotz des erheblichen Aufwandes regelmäßig an den großen Opernhäusern der Welt aufgeführt. Aber auch frühere Werke wie sein Trompetenkonzert von 1954 sind lebendig geblieben.