Mittwoch, 24. April 2024

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100 Jahre Bauhaus
Tief im Westen

Die Wiege stand im Osten. Trotzdem feiert auch Nordrhein-Westfalen das Bauhaus-Jubiläum - mit dem Programm „100 Jahre Bauhaus im Westen“. Wichtige Impulse für die Entstehung der Gestaltungsschule seien von hier gekommen, sagt Barbara Rüschoff-Parzinger, Kulturdezernentin beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe.

Barbara Rüschoff-Parzinger im Gespräch mit Maja Ellmenreich | 10.01.2019
    Hohenhof - Museum des Hagener Impulses
    Auf dem Hohenhof in Hagen entstanden wichtige Impulse für das Bauhaus (imago/Werner Otto)
    Maja Ellmenreich: Es ist das Kunstjubiläum des Jahres. Und gefeiert und erinnert wird natürlich vorzugsweise im historischen Bauhaus-Dreieck Weimar-Dessau-Berlin. Doch auch der tiefe Westen, das Bundesland Nordrhein-Westfalen, erklärt sich zum – zumindest mittelbaren – Bauhaus-Standort und verweist auf Impulse aus dem Rheinland und aus Westfalen, die die Entstehung und Entwicklung des Bauhauses beeinflusst haben sollen. Ausstellungen und Veranstaltungen wollen sich in NRW dem gesamten Bauhaus-Kosmos widmen - und das unter dem selbstbewussten Titel "100 Jahre Bauhaus im Westen".
    Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger ist Kulturdezernentin beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe und als Kuratoriumsmitglied maßgeblich an den nordrhein-westfälischen Bauhaus-Würdigungen beteiligt. Sie habe ich vor der Sendung gefragt:
    Hat das "Bauhaus im Westen" einen Namen? Gab es jemanden aus Ruhrgebiet, Westfalen oder Rheinland, der oder die maßgeblich tätig war im Umfeld von Walter Gropius?
    Barbara Rüschoff-Parzinger: Unser Ziel ist es nicht, Bauhaus-Architektur in Reinform zu zeigen, sondern wir wollen zeigen: Was hat das Bauhaus in dieser Region überhaupt bewirkt, wie hat es gewirkt, wie hat es die Gesellschaft beeinflusst, und wie konnte es sich überhaupt entwickeln. Das sind für uns ganz wichtige Fragestellungen im Vorfeld gewesen. Und wenn man dann geschichtlich beginnt, dann ist es natürlich der "Hagener Impuls", der ganz, ganz wichtig war. Karl-Ernst Osthaus hat da zusammen mit van de Velde Akzente gesetzt, die neue Sachlichkeit diskutiert, und hat damit auch wieder wichtige Impulse für das Bauhaus in Weimar gegeben.
    Der "Großvater des Bauhauses"
    Ellmenreich: Sie sprechen gerade vom Hagener Impuls. Erklären Sie uns: Was versteht man genau unter dem Hagener Impuls? Welche Impulse gingen da aus von Osthaus?
    Rüschoff-Parzinger: Osthaus hat sich einfach damit auseinandergesetzt, Architektur neu zu denken, Kunst anders zu denken, eine neue Sachlichkeit einzuführen und neue Wege zu gehen. Da war er sicherlich in Deutschland einer der führenden, zusammen mit van der Velde, Dinge auszuprobieren. Diese neuen Impulse, die schon sehr, sehr früh entstanden sind - hier, woraus sich später dann ja auch die berühmte Folkwang-Schule entwickelt hatte, waren nachher sicherlich auch prägende Elemente für die Entwicklung und Etablierung des Bauhauses.
    Ellmenreich: Dadurch, dass Karl-Ernst Osthaus ein großer Mäzen und Förderer von Walter Gropius war, würde man denn sagen können, dass der Großvater des Bauhauses aus dem Westen, aus Hagen kam?
    Rüschoff-Parzinger: Wir in Westfalen, oder: wir in Nordrhein-Westfalen – so muss ich es genauer sagen – sehen das schon so. Wir sehen, dass dieser Hagener Impuls ganz, ganz wichtige Weichenstellungen gesetzt hat für das Bauhaus.
    Ellmenreich: Sie haben vorhin davon gesprochen, dass es gar nicht so viele architektonische Spuren gibt. Zu sehen ist das Bauhaus in Nordrhein-Westfalen gar nicht so sehr.
    Rüschoff-Parzinger: Es ist schon an einigen Stellen zu sehen. Aber ich erzähle da vielleicht eine kurze Geschichte. Als wir uns überlegt haben, uns beim Bauhaus-Jubiläum zu beteiligen, da waren bei uns auch viele Denkmalpfleger sehr kritisch und haben gesagt: Macht das wirklich Sinn, gerade das Thema Architektur auch mit aufgreifen zu wollen? Wir haben gar nicht so viel außer dem Hagener Impuls. Mies van der Rohe selbstverständlich, in Krefeld - aber so viel ist es nicht, lohnt sich das? Und dann die intensive Beschäftigung mit diesem Thema, weil wir gesagt haben: Thema ist für uns nicht nur die reine Architektur, Thema ist für uns Mode, Thema ist für uns Design, Thema ist: Wie ist es weitergegangen mit dem Bauhaus, wie ist es mit der Bauhaus-Kunst, wie ist es mit Anni Albers, wie ist es mit Josef Albers? Aber schauen wir uns auch die Architektur an. Wenn man sich mit Bauhaus beschäftigt, kann man das nicht vollkommen ausblenden. Und da freue ich mich, dass es jetzt mittlerweile ganz spannende Artikel auch von unserem Landeskonservator gibt, der mittlerweile festgestellt hat, dass es sehr, sehr spannende und interessante Bauhaus-Architektur und Bauhaus-Impulse auch in Nordrhein-Westfalen gibt.
    Neue Materialien für neues Design
    Ellmenreich: Wo sehen Sie die? Krefeld haben Sie jetzt schon angesprochen. Das ist vielleicht der Ort, den man am ehesten im Hinterkopf hat.
    Rüschoff-Parzinger: Genau. Selbstverständlich Krefeld ist da ganz, ganz wichtig. Aber gerade auch im Industriebereich gibt es da viel. Oder denken Sie an unseren Lieblingsort, das "Landhaus Ilse", das praktisch eins zu eins ein Nachbau, eine Kopie des "Hauses am Horn", was in Weimar entstanden ist, darstellt; was man in der Form überhaupt gar nicht kannte und was jetzt im Rahmen des Bauhaus-Jubiläums zu einer Art kleinem Erinnerungsort, kleinem Museum ausgebaut wird, um auch an das Bauhaus zu erinnern.
    Ellmenreich: Wenn Sie von den Rückwirkungen sprechen, die man im heutigen Nordrhein-Westfalen zu spüren bekommt, woran denken Sie da? Wo sehen Sie das Erbe des Bauhauses in unserer heutigen Zeit?
    Rüschoff-Parzinger: Wenn wir beispielsweise an den Industriestandort oder die Industrieregion Nordrhein-Westfalen denken, dann muss man noch mal darauf abheben, dass gerade in dieser Region viele neue Materialien erst entwickelt worden sind, die eine Bauhaus-Architektur erst ermöglichen konnten. Das ist auch noch mal ein ganz, ganz wichtiger Beitrag gerade dieser Industrieregion zum Thema Bauhaus, nämlich die Entwicklung neuer Stoffe, neuer Materialien, um neues Design, neue Bauformen überhaupt möglich machen zu können.
    Ökologisches Bauhaus
    Ellmenreich: Welche Materialien sind das genau?
    Rüschoff-Parzinger: Bestimmte Kunststoffe, die hergestellt worden sind, die es in der Form gar nicht gab, die Biege-Vorgänge et cetera überhaupt nach und nach erst ermöglichten. Materialien, Kunstmaterialien, die man ja im Bauhaus immer wieder sieht, die von der klassischen Möbelform dann sozusagen abrückten und diese neuen Formen teilweise überhaupt ermöglichten.
    Ellmenreich: Wenn Sie ein Beispiel, eine Veranstaltungsempfehlung aussprechen können für die, die in Nordrhein-Westfalen sind, was würden Sie empfehlen? Was wirft Ihrer Meinung nach aus dem Programm von "Bauhaus im Westen" den kritischen und vielleicht den gerechtesten Blick auf das Bauhaus?
    Rüschoff-Parzinger: Wir werden auf der Burg Hülshoff ein Projekt haben, das heißt "Anbauen". Das setzt sich mit den ökologischen Aspekten des Bauhauses auseinander und mit der Verbundenheit zur Natur. Und das ist nicht eine Veranstaltung, sondern es ist praktisch ein ganzes Jahr mit unterschiedlichen Aspekten, wo man auch in die Zukunft schaut. Wo man aber auch in die Vergangenheit schaut und sich durchaus mit dem Bauhaus in Teilen kritisch auseinandersetzt. Aber das machen die Ausstellungen teilweise auch, und daher ist es relativ schwierig, jetzt eine Ausstellung explizit zu nennen und zu sagen: Das ist eine kritische Auseinandersetzung.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.