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12 bis 15 Millionen Deutsche arbeiten regelmäßig schwarz

Schwarzarbeit ist in aller Munde, unbekannt ist allerdings das konkrete Ausmaß. Wie viele Personen arbeiten schwarz, welchem Umfang hat die Schwarzarbeit in Deutschland erreicht? Den fünf Millionen Arbeitslosen sollen fünf Millionen Beschäftigungsmöglichkeiten in der Schattenwirtschaft gegenüber stehen. Über die Perspektiven gegen Schwarzarbeit ein Interview mit Professor Friedrich Schneider von der Universität Linz.

    Zurheide: Wenn man über Arbeitslosigkeit redet, stößt man relativ rasch auch auf die Frage: Was tut sich eigentlich mit der Schwarzarbeit, wie viele Menschen gibt es da? Wir wissen es, fünf Millionen offizielle Arbeitslose haben wir, etwas mehr sogar, und auf der anderen Seite gibt es rein rechnerisch auch Beschäftigung für rund fünf Millionen Menschen in der Schattenwirtschaft. Kann man das da rausholen? Darüber wollen wir jetzt sprechen und dazu begrüße ich ganz herzlich Professor Friedrich Schneider von der Universität Linz. Jetzt fragen wir zunächst einmal - der Befund lautet ja, die Schwarzarbeit ist leicht rückläufig, aber eben immer noch auf sehr, sehr hohem Niveau - wie sind die aktuellen Zahlen?

    Schneider: Ja, die Schattenwirtschaft wird in diesem Jahr ein Volumen von rund 346 Milliarden Euro erreichen. Vor zwei Jahren war sie noch bei 370 Milliarden, also sie ist doch um gute 30 Milliarden Euro im Jahr 2004 und wird in diesem Jahr zurückgehen. Das sind die erweiterten Minijob-Regelungen und das neue Gesetz zur Bekämpfung der Schattenwirtschaft, beides zeigt doch beträchtliche Wirkung.

    Zurheide: Jetzt haben Sie schon gesagt, woran es liegt, dass es zurückgeht. Wollen wir das mal etwas aufschlüsseln: Hans Eichel wird ja stark mit Ordnungsmaßnahmen vorgehen, ist das eigentlich ein erfolgversprechender Weg oder müsste man nicht was anderes tun?

    Schneider: Also die Ordnungsmaßnahmen wirken mit Abstand am schwächsten. Die strengeren Gesetze bringen vielleicht ein, zwei Milliarden Rückgang. Sehr stark wirken die anreizorientierten Maßnahmen. Es ist heute genauso attraktiv, einen Mini-, Midijob zu machen als hier schwarz zu arbeiten. Und das hat den massiven Rückgang von 20, 25 Milliarden Euro gebracht. Ein bisschen was hat die vereinfachte, liberalisierte Handwerksordnung und die Arbeitsmarktreformen gebracht.

    Zurheide: Jetzt gibt es ja auch in Deutschland eine Debatte darüber, im Zusammenhang mit den Visa-Geschichten in Kiew und in anderen Ländern heißt es, hier hat möglicherweise massenhaft Schwarzarbeit stattgefunden. Haben Sie so etwas feststellen können?

    Schneider: Nein, also das kann man mit den Berechnungen, die ich mache, und auch nicht mit anderen, in keinster Weise feststellen. Schauen Sie, zwölf bis fünf Millionen Deutsche arbeiten regelmäßig schwarz, verdienen so 300 bis 400 Euro im Monat schwarz dazu. Wenn jetzt nun gerade mal 100.000 - das ist schon nach oben gerechnet - ukrainische oder weißrussische oder albanische Schwarzarbeiter hinzukommen, ist das nicht einmal ein Prozent. Also, es hat einen ganz, ganz geringfügigen Anstieg gegeben, der Schaden bewegt sich aber in der Millionen-, nicht Milliardenhöhe, vielleicht 30, 40 Millionen Schaden und niemals ein zweistelliger Milliardenbetrag.

    Zurheide: Jetzt lassen Sie uns noch mal ganz grundsätzlich fragen: Was kann denn ein Staat und was müsste ein Staat grundsätzlich tun, auch vielleicht mit Blick auf Erfahrungen im Ausland, hier bei uns in Deutschland? Also, fangen wir mal an: die Lohnnebenkosten. Das ist eine der ganz, ganz wichtigen Punkte. Die Bundesregierung hat ja im Wesentlichen in den letzten Jahren die Steuern gesenkt, bei den Lohnnebenkosten hat man gar nichts geschafft. Hat man da nicht vielleicht genau falsch herum angesetzt?

    Schneider: Da haben Sie völlig Recht. Ganz entscheidend wäre es, dass der Faktor Arbeit billiger wird, dann wird er stärker nachgefragt, und nur wenn es gelingt, die Lohnnebenkosten mittel- bis langfristig zu senken, wird die Schwarzarbeit weiter stärker zurückgehen und Deutschland wird wettbewerbsfähiger.

    Zurheide: Wenn wir jetzt mal weiterfragen, es gibt eine aktuelle Debatte, möglicherweise den Mehrwertsteuersatz auch zum Beispiel für haushaltsnahe Dienstleistungen und auch für handwerkliche Dienstleistungen zu senken. Die Franzosen haben damit Erfolge gehabt. Könnte man so etwas kopieren in Deutschland?

    Schneider: Ja das wäre eine sehr wichtige und gute Maßnahme. In Frankreich sind damit in der offiziellen Wirtschaft weit über 100.000 Arbeitsplätze im Baubereich geschaffen worden. Also, wenn man hier die Mehrwertsteuer halbiert, hätte das einen beträchtlichen Effekt, denn die Leistungen würden zwischen acht und zehn Prozent, je nachdem um wie viel man die Mehrwertsteuer reduziert, günstiger. Und das wäre eine genau anreizorientierte wichtige Maßnahme, die in Belgien, die in Frankreich, die in Luxemburg große Erfolge hat. Das könnte man nachmachen. Ein Problem gibt es allerdings: es wird Steuerausfälle geben. Nicht im Ausmaß eins zu eins wie ich senke, weil ich natürlich in der offiziellen Wirtschaft wieder Aktivitäten habe, aber Steuerausfälle gibt es. Und das ist bei der angespannten Budgetsituation sehr schwierig.

    Zurheide: Nun, das ist genau das Argument von Hans Eichel. Wie könnte man ihn dann überzeugen? Sie haben ja gerade schon angesprochen, es gibt auch solche Akzeleratoreffekte, das heißt, es wird am Ende doch etwas mehr hängen bleiben. Kann man das noch präzisieren?

    Schneider: Ich glaube durchaus, dass er diesen Weg gehen sollte. Er wird kurzfristig Steuerausfälle haben, aber wenn die Arbeitslosigkeit damit doch - und in Deutschland kann man seriös davon ausgehen - um 500.000 bis 1 Million zurückgeht, dann erspart er sich so viel an Arbeitslosengeld und anderen Sozialhilfemaßnahmen, dass er ein Nettogewinner wäre. Und er könnte ja auch die Wohnbauförderung nur auf den Faktor Arbeit vergeben, solange es sie noch in Deutschland gibt, ja? Dann würde das ihn gar nichts an Steuerausfällen kosten, er würde nur gewinnen. Also es gäbe auch andere Maßnahmen, die auch sehr effizient wären.

    Zurheide: In Deutschland wird in diesen Tagen auch über die Ich-AGs diskutiert. Da taucht ja immer die Frage auf: Verdrängen sie möglicherweise normale Arbeit? Wie sehen Sie das unterm Strich?

    Schneider: Das ist genau das Problem, wenn man halt nur sehr partielle oder Teil-Arbeitsmarktreformen macht. Natürlich verdrängt die Ich-AG auch offizielle Arbeitsplätze, weil sie kostengünstiger ist. Und jeder, der rechnet und sagt, "na, da beschäftige ich einen Ich-AGler" - also "beschäftige" in Anführungsstrichen - "und der kostet mich viel weniger". Also, insofern ist das immer, das haben Sie auch bei den Mini- und Midijobs. Die Vollarbeitsplätze werden aufgelöst und in Mini-/Midijobs umgewandelt, so wie da der positive Rückgang der Schattenwirtschaft ist. Das ist das große Problem, wenn ich den Arbeitsmarkt eben nur sehr partiell, stückweise liberalisiere, dann habe ich diese unerwünschten Nebeneffekte.

    Zurheide: Wenn wir jetzt noch mal in andere Länder schauen: Wo könnten die Deutschen am meisten lernen, wenn es um ein Gesamtkonzept für die Wirtschaft geht?

    Schneider: Die Deutschen könnten lernen von den Skandinaviern, zum Teil von den Italienern in Frage der Steueramnestie und von den Franzosen und Luxemburgern.