Archiv


15.2.1929 - Vor 75 Jahren

Als Diplomat im Auswärtigen Dienst wäre der süffisante Pfeifenraucher James Rodney Schlesinger ein Fiasko gewesen, aber im Washingtoner Polit-Zirkus hat ihm seine unverblümte Art nie ernsthaft geschadet. Drei amerikanische Präsidenten haben sich um Schlesingers Dienste gerissen: Richard Nixon, Gerald Ford und Jimmy Carter. Der Republikaner George W. Bush möchte ihn auch nicht missen: in Sachen Nationaler Sicherheit, Irak, Öl und Empire-Bestreben gehört James Schlesinger, geboren am 15. Februar 1929 in New York, zu den hochgeschätzten Vordenkern und engsten Beratern des Weißen Hauses. Auf die unübersehbare Isolation der Amerikaner im laufenden Irak-Krieg angesprochen, behauptete der frühere CIA Chef, Ex-Verteidigungs- und Ex-Energieminister kurz vor Kriegsbeginn, nicht Washington, sondern Old Europe habe sich isoliert.

Von Barbara Jentzsch |
    Ich halte es für offensichtlich, dass sich die Deutschen, die Franzosen und die Belgier isoliert haben. Mitglieder der eigenen Partei sagen zu Chirac, wir sollten Europa und die Nato nicht zerbrechen, um einen Tyrannen zu schützen.
    Das ist die Perspektive eines professionellen, lebenslangen Falken mit dem Renomée eines Organisationsakrobaten und unkonventionellen Intellektuellen. Schlesinger lehrte bereits im Alter von 26 als Dozent an der Universität von Charlottesville Wirtschaftswissenschaften. Er nutzte seinen summa cum laude Harvard Abschluss aber auch als Sprungbrett in die Politik, wo er sich als Nationalökonom, Nuklearfachmann, Sicherheits- und Energieexperte einen Namen machte.
    1963 wurde Schlesinger zunächst einmal Mitarbeiter der Rand Corporation, der bedeutendsten konservativen Denkfabrik, die ihn zwei Jahre später zum Direktor für strategische Studien machte. Zugleich diente der Senkrechtstarter der Washingtoner Bundeshaushaltsbehörde als Berater für Atomenergiefragen. Er leitete eine Studie der Regierung über Möglichkeiten und Folgen eines Atomsperrvertrages und arbeitete einen Reorganisationsplan für die amerikanischen Geheimdienste aus.

    1970 berief Präsident Nixon den 41jährigen an die Spitze der Atomenergiekomission (AEC), zwei Jahre später machte er ihn zum neuen Leiter des Geheimdienstes CIA. Doch ehe Schlesinger im Spionage-Hauptquartier Langley mehr tun konnte als ominöse Straßenschilder zu enttarnen und 1200 Mitarbeiter zu entlassen, landete er im Zuge des Watergate Skandals in der Chefetage des Pentagon. Hier gab es bald gravierenden Streit mit dem sehr viel liberaleren Sicherheitsberater Henry Kissinger, von dessen Entspannungspolitik der kalte Krieger Schlesinger überhaupt nichts hielt. Auf einer Konferenz im vergangenen Sommer zum Thema "Transatlantische Beziehungen in der Ära Nixon” sprach Schlesinger über Amerikas vor dreißig Jahren verstärkte und erwünschte militärische Präsenz in Europa.

    In den Nixon-Jahren, jedenfalls zu meiner Zeit, veränderten sich die Beziehungen zu Europa, weil sich unsere militärische Strategie veränderte. Als wir uns aus Vietnam zurückzogen, beabsichtigten wir, unsere Streitkräfte in Europa wiederaufzubauen. Wir planten eine solide konventionelle Abschreckung, die einen Angriff auf Westeuropa von Seiten der Sowjetunion und ihrer verbündeten Warschauer Pakt-Staaten verhindern sollte.

    Superfalke Schlesinger entwickelte in den Hochzeiten des Kalten Krieges eine neue Abschreckungsstrategie - den begrenzten "chirurgischen" Angriff - mit dem Washington sich den präventiven atomaren Erstschlag vorbehielt.
    Ständige Reibereien mit dem Kongress und seine scharfe Kritik an der Kürzung des Pentagonhaushalts um sieben Milliarden Dollar führten schließlich zu Schlesingers Entlassung. Die Amtsgeschäfte samt der ideologischen Ausrichtung hinterließ er 1975 seinem gelehrigen Nachfolger Donald Rumsfeld.

    1977 sah Washington James Schlesinger dann in einer neuen Inkarnation: als Jimmy Carters "Energy Man". Als Notstands-Kommissar, der innerhalb von drei Monaten in aller Heimlichkeit ein Energiesparprogramm zusammenschusterte, für das die Amerikaner, an hemmungslose Verschwendung gewöhnt, nicht das geringste Verständnis aufbringen mochten. Weil er auch mit Carters engem Beraterkreis, der so genannten Georgia Mafia nicht zurechtkam, blieb Amerikas glückloser erster Energieminister bei der Kabinettsumbildung 1979 auf der Strecke.
    Danach verabschiedete Schlesinger sich von der Politik und verdiente das Brot für die zehnköpfige Familie fortan in der Finanzwirtschaft.

    Wenn er heute zurück- oder um sich blickt, wird der umtriebige Jubilar und passionierte Freizeitornithologe zufrieden sein. In Washington regieren die Falken. Radikal und allen Kompromissen abhold. James Schlesingers Credo hat George Bush zu seiner persönlichen Mission gemacht: Amerika muss weltweite, uneingeschränkte Vorherrschaft genießen. Es ist bereit, zur Sicherung politischer Ziele, seine volle militärische Macht einzusetzen.