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20.000 Ausbildungsplätze fehlen

Breker: Der Lehrstellenmarkt habe sich nicht so schlimm entwickelt, wie erwartet, sagen die Agenturen aus Nürnberg. Die Gewerkschaften hatten die Zahl der Lehrstellensuchenden auf 50.000 hochgerechnet, aus Nürnberg wird berichtet, dass etwa noch 35.000 Jugendliche unversorgt seien. Am Telefon verbunden bin ich nun mit dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, mit Martin Wansleben. Guten Tag, Herr Wansleben.

    Wansleben: Herr Breker, guten Tag.

    Breker: Wir hören, so schlimm nicht wie erwartet also. Können wir uns, können Sie sich entspannt zurücklehnen und abwarten?

    Wansleben: Also, noch im Sommer wurde eine Lehrstellenlücke von 170.000 prognostiziert. Gemessen daran liegen wir jetzt natürlich bei weitem besser und es gibt schon eine gewisse Entspannung. Auf der anderen Seite ist es überhaupt keine Frage, dass die noch nicht versorgten Jugendlichen viel zu viele sind. Wir kümmern uns da um jeden einzelnen und in enger Kooperation mit Handwerk und mit Arbeitsämtern werden die Industrie- und Handelskammern bis Ende Oktober alle Ausbildungsplatz suchenden Jungendliche einladen zu Ausbildungsbörsen. Wir wollen sie beraten, welche Berufe noch gewählt werden können und wir wollen sie beraten, wo es noch Ausbildungsplätze gibt. Insgesamt sind uns jetzt schon 15.000 freie Ausbildungsplätze bekannt.

    Breker: Genau, lassen Sie uns einfach mal zu den konkreten Zahlen gehen: 35.000 suchen noch, 15.000 sind Ihnen bekannt, sind auch den Arbeitsämtern bekannt, also fehlen noch 20.000 Plätze. Wo sollen die herkommen?

    Wansleben: Wir rufen auf, jetzt jüngst auch noch einmal gemeinsam mit Arbeitsämtern und Handwerk, das ist das eine, das zweite ist, wir werden gucken müssen, zunächst einmal die 15.000 zu besetzen, das wäre ja schon einmal was. Da gibt es zum einen eben Wunschberufe, die wir so nicht anbieten können, da gibt es zum zweiten regionale Entfernungen, die überbrückt werden müssen und das dritte ist, das gehört mit zur Wahrheit im Jahr 2003, wir haben leider eine Fülle von Jugendlichen, die nicht die notwendige Qualifikation mitbringen auf dem Arbeitsmarkt. Sie dürfen nicht vergessen, dass 90.000 Jugendliche jedes Jahr die Schule ohne qualifizierten Abschluss verlassen. Und das ist eine gemeinsame Aufgabe, der wir uns stellen wollen und stellen müssen. Aber es kann keine Frage sein, die Wirtschaft wird dies alleine nicht stemmen können.

    Breker: Nun haben Wirtschaft und Verwaltung den Arbeitsämtern in diesem Jahr etwa 41.000 Stellen weniger angeboten, als im letzten Jahr. Woran liegt das? Ist das nur die flaue Konjunktur oder ist für die Betriebe die Ausbildung zu teuer?

    Wansleben: Wir haben unterschiedliche Entwicklungen in den verschiedenen Bereichen der Wirtschaft. Also, in Industrie, Dienstleistung und Handel haben wir sogar mehr Ausbildungsplätze als im letzten Jahr. Heruntergegangen, signifikant heruntergegangen sind die Ausbildungsplätze gerade im Baugewerbe, hier schlägt einfach die Konjunktur voll durch, aber auch im Handwerk. Insgesamt muss man einfach sagen, dass in dem Maße, wie Betriebe keine Perspektive haben für ihre eigene Zukunft, in dem Maße, wie Betriebe sich nicht vorstellen können, dass sie Jugendliche jetzt als Auszubildende einstellen und sie nachher auch übernehmen, natürlich eine gedämpfte Stimmung da ist, es fehlt so die Zukunftsperspektive. Da sind wir jetzt dran, indem wir aufrufen: Ausbildung ist besser als Ausbilden und Übernahme, denn wir wissen aus den Erfahrungen und den Statistiken, dass ausgebildete Jugendliche allemal eine bessere Chance auf dem Arbeitsmarkt haben als solche die keine Ausbildung haben.

    Breker: Und wir wissen auch, Herr Wansleben, dass aufgrund der demografischen Entwicklung es alsbald so sein wird, dass Auszubildende fehlen werden. Wäre es nicht klug für die Unternehmen, sagen wir, wenn nicht für morgen, dann wenigstens für übermorgen auszubilden?

    Wansleben: Herr Breker, Sie nennen ein ganz, ganz entscheidendes Argument, was wir auch bei unseren Aufrufen verwenden. Wir können als Wirtschaft heute keine Chance auslassen, um Jugendliche auszubilden. Wir werden sie in wenigen Jahren händeringend suchen, das ist überhaupt keine Frage, aber es bleiben Defizite auf dem Arbeitsmarkt, ich nannte es eben, die schlechte Qualifizierung von vielen, vielen, viel zu vielen Jugendlichen, das ist nicht deren Schuld. Wir haben eben Defizite in den Elternhäusern, im Kindergarten, in den Grundschulen, hier wird die Grundlage geschaffen und hier muss mehr geschehen.

    Breker: Hat man eigentlich, Herr Wansleben, Erkenntnisse darüber, wie viele Jugendliche gezwungen sind, etwas zu lernen, was sie eigentlich gar nicht lernen wollen.

    Wansleben: Nein, das wissen wir so nicht. Am Ende kann man natürlich sagen, wir können ja gar keinen Jugendlichen zwingen, etwas zu lernen, was er nicht lernen will. Wir laden sie ja ein, - das sind übrigens interessante Zahlen, die dabei herauskommen -, ich kann Ihnen ein Beispiel nennen aus Bremen, dort haben wir 1000 Jugendliche eingeladen, es kommen dann am Ende 300 und von den 300 konnten wir ohne Probleme 250 vermitteln und für die anderen 50 gibt es Probleme. Einerseits wollen sie dann doch nicht so richtig und andererseits ist eben das, was ich eben erwähnt habe, reicht doch nicht die Qualifikation, und hier müssen wir, hoffentlich auch heute Abend, gemeinsam mit Arbeitsamt, gemeinsam mit der Politik, aber auch mit den Gewerkschaften darüber reden, was wir mit diesen Jugendlichen dann tun können.

    Breker: Noch einmal zum Abschluss, Herr Wansleben, 35.000 Jugendliche suchen noch eine Stelle, 15.000 gibt es, 20.000 da weiß man noch nicht so recht. Wie ist den Ihre persönliche Prognose fürs Jahresende?

    Wansleben: Es ist schwierig, jetzt Garantien abzugeben oder falsche Hoffnungen in die Welt zu setzen. Eines ist klar, wir tun alles, alles, um jeden, der einen Ausbildungsplatz haben will und der auch in der Lage ist, aufgrund seiner Qualifikation, eine Ausbildung anzunehmen, um diesen Jugendlichen Ausbildungsplätze anzubieten. Das muss im Moment unsere Zielsetzung sein. Ich denke, Garantien, die man am Ende nicht halten kann, abzugeben, das hilft keinem.

    Breker: In den Informationen am Mittag im Deutschlandfunk war das der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben. Herr Wansleben, danke für dieses Gespräch.

    Wansleben: Ich danke Ihnen, Herr Breker. Auf Wiederhören.