Birgid Becker: Was ist eigentlich aus "Africa rising" geworden? Vor ein paar Jahren war das ein viel genutztes Schlagwort für die Erwartung, dass sich Afrika, der Elendskontinent, bald erheben würde aus Armut und Misswirtschaft. Der Hoffnungspegel ist aber drastisch gesunken.
Im Kreis der G20-Staaten hat man sich in Berlin Gedanken gemacht, wie "Africa rising" wieder zu beleben wäre –nicht ganz ohne Eigennutz. Und parallel dazu hat die deutsche Wirtschaft über die sogenannte Subsahara-Afrika-Initiative informiert. Den Mainzer Afrikanisten und Ökonomen Helmut Asche habe ich gefragt, wie es um die Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika steht. Die große Afrika-Euphorie ist verflogen, aber gibt es ein neues Interesse? Oder geht es nur darum, die Festung Europa zu bauen?
Mitgehört hat der Mainzer Afrikanist und Ökonom Helmut Asche. Guten Tag!
"Ein hinreichendes Ausmaß von privatwirtschaftlichen Investitionen"
Helmut Asche: Guten Tag, Frau Becker!
Becker: Professor Asche, die große Afrika-Euphorie ist vorbei, die Jahre also, als man sagte, Afrika könne das neue Asien werden. Wo steht man jetzt? Baut sich da neues Interesse auf, oder ist es vor allem und nur Eigennutz? Geht es eigentlich darum, die Festung Europa zu bauen?
Asche: Es ist eine neue Nüchternheit eingekehrt. Diese Geschichte über "Africa rising", also über den Aufschwung der letzten 20 Jahre, die war nicht verkehrt, die hat gestimmt, die Geschichte. Es hat da Wachstumsfortschritte und auch soziale Fortschritte gegeben in einem Ausmaß, wie wir es seit der Unabhängigkeit nicht erlebt hatten.
Jetzt ist das alles ein bisschen auf dem Boden der Tatsachen zurückgekommen. Aber die grundsätzlich positiven Faktoren, die den Boom der letzten 20 Jahre getragen haben, sind nicht weg. Was fehlt, und das thematisiert jetzt ja die G-20, ist eben ein hinreichendes Ausmaß von privatwirtschaftlichen Investitionen, um den Boom in einer zweiten Phase wieder in Gang zu bringen.
Becker: Trotzdem noch mal kurz der Blick zurück: Die Euphorie, die vor ein paar Jahren herrschte, die fußte ja auf dem Rohstoffboom. Afrika, die rohstoffreichen Staaten, so hoffte man, würden profitieren – daher kam ja auch das große Interesse der Chinesen. Und dann Konjunkturschwäche in China, Preisverfall – da platzte doch ziemlich schnell einer Seifenblase. Daraus hat man gelernt oder muss man noch lernen?
Asche: Eine Seifenblase wäre jetzt nicht das Bild, was mir als Erstes einfiele. Interessant war an dem Boom der letzten zwei Jahrzehnte, dass er sich auch auf die Länder bezog, die gar kein Öl oder gar keine mineralischen Rohstoffe haben, also die sogenannten ressourcenarmen Länder. Die haben übrigens jetzt, nachdem die Rohstoffpreise weggebrochen sind, die eher etwas stabileren Wachstumsraten als etwa Nigeria oder Angola. Also insofern war das eine breite Veranstaltung, die glücklicherweise nicht nur an den Rohstoffexporten hing.
"Staatliche Entwicklungshilfe schafft kaum Arbeitsplätze"
Becker: Was im ersten Beitrag zu hören war, in Afrika ist unter der deutschen G20-Präsidentschaft zum regionalen Schwerpunkt gemacht worden, und es war erwähnt worden dieser Marshallplan. Noch mal gefragt, wo sind wir, wo stehen wir jetzt, und wie aussichtsreich ist das, was jetzt geschieht an Hilfen, an Ansatzpunkten.
Asche: Marshallplan und ähnliche Großschlagworte sind natürlich ein bisschen surrealistisch. Richtig ist an alldem, und das ist auch aus wissenschaftlicher Sicht begrüßenswert, dass die Frage der Schaffung neuer Arbeitsplätze, und zwar nicht nur von ein paar, sondern von ein paar Millionen jährlich, in Afrika viel ernster genommen wird als vorher, und damit eben zusammenhängend die Frage der Privatinvestitionen.
Staatliche Entwicklungshilfe schafft kaum Arbeitsplätze. Das ist auch nicht ihr Job. Sie soll ja nicht Staatsunternehmen fördern. Ergo müssen wir die Privatwirtschaft, sowohl die afrikanische Privatwirtschaft in bessere Bedingungen stellen, als auch unsere eigenen Unternehmer ermutigen. Das ist die große Wende, die jetzt mit der G20 in Gang gesetzt worden ist. Dass es dafür diese Flüchtlingskatastrophe brauchte, damit wir jetzt anfangen, über Arbeitsplätze in Afrika ernster nachzudenken, ist bedauerlich, aber so ist nun mal das wirkliche Leben.
Becker: Den Chinesen hat man damals vorgeworfen bei ihrem Engagement, das ja nicht unbedingt privatwirtschaftlich war, aber doch unternehmerisch oder von Staatsunternehmen, mit Betonung auf "Unternehmen", vorangetrieben wurde, denen hat man vorgeworfen, sie betrieben Entwicklungsdiktatur. War das richtig, oder läuft G-20 Gefahr, das Gleiche zu tun?
Asche: Erstens sind die Chinesen ja bei der G20 wieder dabei. Zweitens, wir können als westliche Länder von dem, was die Chinesen in Afrika unternommen haben, vieles nicht imitieren, weil wir nicht diese Staatswirtschaft haben. Wir müssen uns schon stärker auf Anreize für die Privatwirtschaft verlassen. Egoistisch war das eingestandenermaßen. Die haben gesagt, das ist eine Win-win-Situation.
Wir verfolgen unsere eigenen Interessen, die Afrikaner auch – fein. Wir müssen jetzt nicht behaupten, dass wir grundsätzlich nur aus humanitären Motiven tätig werden, schon gar nicht unsere Investoren. Wir müssen nur sehen, dass wir ähnlich kompakte Lösungen und ähnlich abgestimmte Pakete zustande kriegen und geschnürt kriegen, wie sie die Chinesen gemacht haben, wenn sie jetzt zum Beispiel die neue Eisenbahn von Mombasa an der kenianischen Küste nach Nairobi eröffnet haben und bald darüber hinaus sind. Derartige Pakete hat die deutsche Wirtschaft, die das übrigens als erste bedauert, bislang in Afrika nicht auf den Weg bringen können.
"Wir brauchen andere Förderstrukturen"
Becker: Kurz zum Schluss: Setzt das eine andere Struktur voraus, als man das auch im G20-Kreis zum Beispiel leisten könnte?
Asche: Wir brauchen vor allem in den westlichen Ländern andere Förderstrukturen, und das bezieht sich auch ganz konkret auf Deutschland. Wir haben alle möglichen Expertisegremien und Desks, an die man sich wenden kann, wenn man Informationen über Afrika braucht. Aber diese strategische Herangehensweise, auch Großprojekte zu bündeln, Risiken sehr viel mutiger abzusichern, als wir das bisher tun, das alles fehlt auch bei uns noch.
Becker: Vielen Dank! Der Mainzer Afrikanist und Ökonom Helmut Asche war das. Einen schönen Abend wünsche ich!
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