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20 Jahre Bundeskanzler Gerhard Schröder
Schröder: Für Merkel hat das Ende begonnen

20 Jahre nach der Wahl von Gerhard Schröder (SPD) zum Bundeskanzler schwelgten die Beteiligten von damals auf einem Festakt in Erinnerungen. Schröder nutzte die Gelegenheit und teilte gegen seine Nachfolgerin im Amt aus.

Von Frank Capellan | 06.11.2018
    Gerhard Schröder (li.) und Franz Müntefering jubeln nach gewonnener Bundestagswahl auf der Bühne vor der SPD-Parteizentrale 1998 in Bonn.
    Gerhard Schröder (li.) und Franz Müntefering jubeln nach gewonnener Bundestagswahl 1998. (Ulrich Baumgarten)
    Für SPD-Linke ist er immer noch Genosse der Bosse, seine Gazprom-Aktivitäten lassen manchem die Faust in der Tasche ballen, am Abend aber gibt sich der Altkanzler ganz bescheiden. Mein Name ist Schröder, nur keine Allüren.
    "Man ist vorher Müller, Schulze oder eben Schröder, dann ist man der Bundeskanzler, und danach wieder Müller, Schulze oder eben Schröder."
    Der Herr Schröder trägt ein dunkelblaues Hemd, dazu Krawatte und Jackett in dunkelgrün, nichts mehr vom Brioni-Kanzler, als der er vor 20 Jahren verspottet wurde, weil er sich als Sozialdemokrat im feinen Zwirn und mit Cohiba in der Hand gern fotografieren ließ. Lange hatte er gerüttelt am Zaun des Kanzleramtes, wie war das, als er endlich drin war?
    Bundeskanzler Gerhard Schröder pafft eine dicke Zigarre; Aufnahme vom Dezember 1998 in der in der Wiener Hofburg.
    Bundeskanzler Gerhard Schröder pafft 1998 eine dicke Zigarre (picture-alliance / dpa)
    "Na ja, war schon konsequent. Wenn man um dieses Amt kämpft, dann muss auch deutlich werden: Ich will das!"
    Schröder packte einiges an - und ist heute stolz darauf
    Atomausstieg eingeleitet, Homo-Ehe angebahnt, Staatsbürgerschaftsrecht reformiert, kann sich doch sehen lassen, was wir geschafft haben, meint Schröder und blickt rüber zu Jürgen Trittin, seinem grünen Umweltminister von damals.

    "… und darauf sind wir – oder bin ich – jedenfalls durchaus stolz!"
    Gerhard Schröder (SPD, l), ehemaliger Bundeskanzler, und Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen), ehemaliger Bundesumweltminister, nehmen an der Podiumsdiskussion: Das "rot-grüne Projekt" zum 20. Jahrestag der Wahl Gerhard Schröders zum Kanzler in der Friedrich-Ebert-Stiftung teil. 
    Gerhard Schröder (SPD, l), ehemaliger Bundeskanzler, und Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) bei der Podiumsdiskussion zum 20. Jahrestag der Wahl Gerhard Schröders zum Kanzler. (dpa)
    Schröder will nicht über Tagespolitik reden, sagt er jedenfalls, klappt nur nicht. Läuft ja alles gerade mehr als schlecht für seine Sozis: "Der Größere ist Koch, der Kleinere ist Kellner!", hat er den Grünen mal gesagt, heute wärs genau umgekehrt
    "Kochen konnten wir. Servieren können wir auch. Ich glaube im Rückblick zeigt sich, dass im Wettbewerb der Köche bei Rot-Grün die Grünen nicht so schlecht dagestanden haben!
    "Also, dazu muss ich nun wirklich was sagen! Was heute angeht, ist diese Koch und Kellner Geschichte ja überflüssig. Das Gasthaus ist so spärlich besetzt, dass wahrscheinlich beide nicht ganz ausgelastet sind."
    SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles
    SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles (Imago/Thomas Imo)
    Andrea Nahles zieht 1998 in den Bundestag ein, Juso-Chefin, Nervensäge, ihr Verhältnis zu Schröder war kein leichtes, aber damals ist die SPD-Chefin von heute begeistert:
    "Endlich können wir mal wirklich was verändern. Ich war superglücklich. Ich hab mich sehr gefreut. Und ich kann nur sagen: So was würde ich gerne noch mal erleben! (lacht)"
    Eine SPD, die den Kanzler stellt? Bei aktuell 13 Prozent nicht dran zu denken! "Selbst Schuld!" Steht für Jürgen Trittin fest. "Warum kuscht Ihr denn vor der Autoindustrie?" fragt er. Andrea Nahles senkt betreten den Blick.
    "Ich habe die SPD immer für eine Partei der Autofahrer gehalten - ist auch gut so! Nur was ist das für eine Partei der Autofahrer, die hunderttausende von Diesel-Fahrern zum Opfer von VW werden lässt und nichts dagegen unternimmt, dass diese Menschen tatsächlich entschädigt werden!? Weil Ihr das nicht schafft zur Zeit, guckt Ihr auch so alt aus der Wäsche bei solchen Wahlen!"
    Von Schröder lernen, heißt siegen lernen
    Von Schröder lernen heißt siegen lernen - jedenfalls hat der Altvordere noch eine Idee, wie die SPD zu retten wäre. Ökonomie und Ökologie haben wird doch damals zusammengepackt, so geht das!
    "Ökologische Themen sind vor allen Dingen grüne Themen! Wir haben stattdessen in der Ökonomie mit der CDU konkurriert, und beides zusammen war eigentlich das Erfolgsrezept einer rot-grünen Koalition. Und in dem Maße, wie die SPD versucht, grüner zu werden als die Grünen und linker als die Linke wird sie keinen dauerhaften Erfolg haben!"
    Anna-Lena Baerbock widerspricht. Klimaschutz geht uns alle an, betont die Grünen-Chefin. Nicht nur meine Partei!
    "Das ist die Aufgabe meiner Generation. Deswegen glaube ich, dass das nichts ist, was die Grünen alleine machen müssen. Alleine schaffen wir das nicht, weil auch eine Industriepolitik nicht funktionieren wird, wenn sie nicht die Grenzen des Planeten akzeptieren. Für uns ist das Klima nicht verhandelbar!"
    Die Bundesvorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock bei der Landtagswahl in Hessen 2018. 
    Die Bundesvorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock (imago / Jan Huebner)
    Dann gibt Schröder Nahles noch eins mit: Hartz IV, das Bleigewicht der SPD, dass sie bis heute nach unten zieht, davon will er nichts wissen. Auf einem Sonderparteitag haben wir alles mit 90 Prozent abgesegnet, sagt Schröder, dass er allein die Partei mit der Agenda 2010 runtergewirtschaftet habe, will er sich nicht anhängen lassen. "Die SPD hat nur nie selbstbewusst zu den Reformen gestanden!"
    "Deswegen glaube ich nach wie vor, dass es ein zentraler Fehler war, sich die Bleigewichte, von denen die Rede ist, selber an die Füße zu hängen. Das ist das eigentliche Problem der SPD."
    Andrea Nahles: "Schröder hat selber einmal gesagt, das waren nicht die Zehn Gebote. Genau! Und weil das nicht so ist, müssen wir die Frage beantworten, müssen wir die Frage beantworten: Wie sieht denn der Sozialstaat 2025 aus?"
    Schröder: Für Merkel hat das Ende begonnen
    Erst einmal will die SPD weiter mitregieren. Nur: Wird das was? Merkel hatte einst erklärt, Schröders Abschied vom SPD-Vorsitz sei das Anfang vom Ende seiner Kanzlerschaft gewesen, gilt das nun auch für Merkel? Schröder gibt sich altersweise:
    "Ich sehe es naturgemäß genauso, dass das der Anfang vom Ende ist, dass die Wahl von Friedrich Merz, von der ich ausgehe, dass mit dieser Entscheidung das Ende der Kanzlerschaft von Frau Merkel eingeleitet worden ist."
    Friedrich Merz, der konservative Christdemokrat, der die Union auf einen neuen neoliberalen Weg bringen wird, das fürchtet der Grüne Jürgen Trittin: "Der Merz ist ja so ne Figur aus der Zeit vor Lehman Brothers. Damals waren wir alle so ein bißchen neoliberal und er besonders. Und jetzt steht der sozusagen wie so ein Zombie aus dem Grab auf!"
    Und für Schröder ist klar, alle sollten sich schon mal auf Neuwahlen im kommenden Jahr vorbereiten.
    "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Merz als CDU-Vorsitzender besondere Loyalitäten, die man braucht, übrig hat, und ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Partei alles aushalten kann!"