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20 Jahre Harry Potter in Deutschland
"Mehr dahinter als nette Zaubererabenteuer"

Seit 20 Jahren verzaubert Harry Potter das deutsche Publikum. Auch Carlsen-Verlegerin Renate Herre und 3sat-Redakteur Michael Schmitt. Auf der Buchmessenbühne des Dlf erzählten sie, wie sie weit mehr als nur nette Zaubererabenteuer darin fanden. Und was das Internet mit dem Erfolg der Bücher zu tun hatte.

Renate Herre und Michael Schmitt  im Gespräch mit Jan Drees | 20.10.2018
    Renate Herre und Michael Schmitt im Gespräch mit Jan Drees auf der DLF-Buchmessenbühne
    Zwei Harry-Potter-Fans beim Interview auf der Frankfurter Buchmesse: Renate Herre und Michael Schmitt im Gespräch mit Jan Drees. (Deutschlandradio / David Kohlruss)
    Vergangene Woche feierte die Frankfurter Buchmesse ihr 70. Jubiläum. Zugleich ist es das 20. Jubiläumsjahr der Harry-Potter-Romane in Deutschland: 1998 erschien "Harry Potter und der Stein der Weisen" auf Deutsch. Auf der Buchmessenbühne des Deutschlandfunks sagte die Carlsen-Verlegerin Renate Herre, sie könne sich nicht vorstellen, dass es noch irgendeinen Menschen gibt, der nicht von Harry Potter gehört hat oder von dem Phänomen, das die fiktive Figur umgibt.
    3sat-Kulturzeit-Redakteur Michael Schmitt sieht in der Zauberlehrlingsgeschichte und der Wiederaufnahme von Internatsmotiven einen klassischen Entwicklungsroman: "In einem Setting, das eben unterschieden ist von dieser ganz normalen Menschenwelt und vom realistischen Entwicklungsroman und Bildungsroman. Man kann – und das habe ich selber erst beim zweiten oder dritten Roman kapiert –, man kann das wirklich lesen als eine ständige Steigerung von Komplexität, die daraus hervorgeht, dass der Held sich entwickelt, dass das Verständnis für die Welt ein anderes ist."
    "Der ganz große Erfolg kam von den Lesern"
    Was Harry Potter im klassischen Kinder- und Jugendbuch auszeichne, sei, so Schmitt, dass er von Anfang an sehr viele Dimensionen der eigenen Welt enthalten habe sowie Figuren und soziale Milieus und auch Erwachsene als Leser ernst nähme.
    In Deutschland lief das Phänomen Harry Potter erst nur schleppend an. Der Verlag habe für den Erfolg viel getan, doch, so Renate Herre: "Der ganz große Erfolg kam von den Lesern. Und das finde ich noch heute so berührend, dass letztendlich dieses Thema 'Empfehlung' von Lesern, die das entdeckt hatten, die total angefixt waren, nicht mehr erwarten konnten, dass der nächste Band kam, und der nächste Band war schöner und großartiger."
    Es habe aber auch mit der Verbreitung des Internets zu tun, da es zum dritten Band im Jahr 2000, das erste Mal die Möglichkeit gab, sich als Fan darüber auszutauschen.
    "Alle Facetten, die ein Mensch haben kann"
    Michael Schmitt war am Anfang nicht ganz überzeugt von den Harry-Potter-Romanen: "Es ist eine relative schlichte Kindergeschichte, die handelt von einem Zehn- bis Elfjährigen, und sie ist auch für ungefähr dieses Alter geschrieben. Da ist vieles von der Komplexität nicht angelegt."
    In der Vorbereitung auf ein Interview mit Joanne K. Rowling "zündete es", so Schmitt: "Da zündete bei mir dieses 'Was will sie? Was will sie mit diesen Geschichten wirklich erzählen? Und was steckt da mehr dahinter als eben einfach nette Zaubererabenteuer?'"
    Herre ergänzte zur Figur Harry Potter: "Für mich hat er alle Facetten, die ein Mensch haben kann. Letztendlich geht es auch um alle Aspekte, die ein Leben so besonders und reich machen."