Stegner: Guten Tag, Herr Wiese.
Wiese: Wie beurteilen Sie denn das Konzept? Eher positiv, eher negativ, eher skeptisch, da gab es ja alle möglichen Stimmen?
Stegner: Also, positiv ist, dass über eine Vereinfachung des Steuerrechts nachgedacht wird, denn das brauchen wir dringend. Man könnte wirklich sagen, dass deutsche Steuerrecht ist bis zu einem gewissen Grad "gaga", man kann das nicht mehr verstehen, selbst Steuerexperten verstehen es nicht mehr und die Bürger schon gleich gar nicht. So dass wir also dringend eine Steuervereinfachung brauchen, allerdings sage ich dazu, ein solches Konzept ist leicht auf dem Papier ausgedacht, es muss natürlich auf Risiken und Nebenwirkungen untersucht werden und damit meine ich weniger den Widerstand, den es gegen jeden solcher Vorschläge dann von entsprechenden Interessengruppen gibt, sondern ich meine, dass wir natürlich sicherstellen müssen, dass die staatlichen Einnahmen da sind, die wir dringend brauchen, um etwa in unser Bildungssystem zu investieren oder andere staatliche Funktionen aufrecht zu erhalten, für die der Staat schlichtweg da ist. Also, insofern im Grundsatz ja, man sollte auch nicht von vorneherein immer alles gleich verwerfen, meine Hypothese ist, wir werden das Jahr 2004 als das große Jahr der Diskussion über Steuervereinfachung haben und da gibt es ja viele Vorschläge und da muss man dann auch vorbehaltlos über alles reden können.
Wiese: Steuervereinfachung, Herr Stegner, ist ja nur ein Punkt in diesem Konzept. Ein anderer ist zum Beispiel Subventionsabbau, Subventionskürzung, zum Beispiel Pendlerpauschale, was sagen Sie dazu?
Stegner: Ich bin sehr für Subventionskürzung, die dürfen allerdings nicht nach dem Sankt Florians Prinzip sein, sondern Subventionskürzungen machen nur dann Sinn, wenn man wirklich alle Bereiche anpackt. Ich habe ja bei Herrn Merz gelesen, dass er das auch nicht tut. Also, er sagt zum Beispiel: Pendlerpauschale weg. Aber Eigenheimförderung soll bleiben wie sie ist, obwohl wir wissen, dass zum Beispiel bei der Eigenheimförderung die Mitnahmeeffekte gerade auch für die Bezieher höherer Einkommen ja doch immens sind. Viele Leute würden die Hilfe nicht brauchen, um Bauen zu können. Also, man muss dann schon konsequent sein und was man wirklich nicht tun darf, ist, zu sagen, Subventionsabbau ja, aber dies, das oder jenes muss außen vor bleiben. Mir läge aber auch daran, dass man sowohl beim Subventionsabbau als auch bei der Steuervereinfachung bei dem Hauptziel bleibt, dass es eine gerechte Form der Veränderung ist, dass heißt nicht die kleinen und mittleren Einkommen im wesentlichen belastet werden, die müssen unter dem Strich entlastet werden, das, finde ich, ist unter dem Strich wichtig. Im Übrigen auch für die Binnennachfrage und die Konjunkturentwicklung.
Wiese: Und sehen Sie das in diesem Konzept?
Stegner: Also, ich habe da gewisse Schwierigkeiten, vor allen Dingen, wenn ich das, was Herr Merz vorschlägt in den Kontext dessen stelle, was seine Partei vorschlägt. Denken Sie etwa an die Vorschläge der Herzog-Kommission, wo es ja ganz große Steuerumverteilung geben soll, wo sollen denn die eigentlich alle herkommen, wenn all das realisiert würde, was Herr Merz vorschlägt? Das heißt also die Gegendeckung dessen, was da vorgeschlagen wird, finde ich, über die muss man reden. Und ich sehe einen anderen Widerspruch auch, Herr Merz ist in seinen Vorschlägen nicht bereit, etwa an das Ehegattensplitting heranzugehen und ich bin wirklich der Meinung, da wir demographische Probleme bei uns haben und da wir nicht so sehr Altersarmut haben, aber große Probleme bei Familien mit Kindern, muss man doch das Vorhandensein von Kindern, wenn überhaupt, steuerlich privilegieren und nicht die schlichte Tatsache, dass Menschen verheiratet sind. Das sind alte Zöpfe, das heißt da ist Herr Merz eben nicht modern, sondern einer doch sehr konservativen Werthaltung verpflichtet. Ich meine, über solche Dinge muss man vernünftig reden, wenn man am Ende ein gerechtes System haben will.
Wiese: Herr Stegner, die von der Bundesregierung geplante Steuerreform verlangt ja nicht zuletzt von den Bundesländern auch einige schwere Opfer ab. Weshalb sie ja auch, wie schon erwähnt, bei den Ministerpräsidenten durchaus umstritten ist. Sehen Sie denn als Landesfinanzminister in dem Konzept von Friedrich Merz Punkte, die Ihnen als solche eher entgegenkommen, als das Steuerpacket der Regierung?
Stegner: Ich glaube, das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Was die Vorschläge der Bundesregierung angeht, hat auch die schleswig-holsteinische Landesregierung, Frau Simonis, gesagt, wir könnten das Vorziehen der Steuerreform wirklich nicht mehr wegsparen in unserem Haushalt, wie übrigens die meisten anderen Finanzminister auch nicht. Aber, man ist ja nicht nur Haushaltsminister sondern man hat Verantwortung für eine gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Deswegen haben wir gesagt, wir tragen dieses mit. Drei Jahre Stagnation, wir brauchen jetzt Impulse für Wachstum und Beschäftigung, wir brauchen die Sozialreform, wir brauchen eine vernünftige Gemeindefinanzreform, übrigens auch dazu sagt Herr Merz: die Gewerbesteuer muss weg. Ich weiß gar nicht, wie das gehen soll. Also, es müssen erst diese Reformen auf den Weg gebracht werden, das, worüber Herr Merz spricht, dass ist das Thema, meine ich, des nächsten Jahres, wenn wir all diese Reformen gemacht haben. Und dann muss man darüber reden, über das, was Kirchhoff will, über das, was Merz will, was Uldall will, was die FDP will. Ich finde, da muss es auch eine sozialdemokratische Position dazu geben und Schleswig-Holstein wird sich daran auch beteiligen. Aber man darf das eine nicht mit dem anderen durcheinander bringen. Ich finde, der Kanzler hat schon Recht, wenn er sagt, wir brauchen auch ein psychologisches Signal, dass es jetzt aufwärts geht und dass Deutschland in Europa eben nicht der letzte Wagen ist, sondern wieder eine Lokomotive werden muss. Dass wir mit unserem 80 Millionen Volk diese Wachstumsimpulse tatsächlich schaffen, dafür ist, glaube ich, das Vorziehen der Steuerreform notwendig und deswegen, so sehr es einen auch schmerzt, bezogen auf die eigenen Länderhaushalte, so sehr muss man sagen, ich glaube, das muss gemacht werden. Und ich sehe ja im Augenblick auch, dass die Diskussion dahin geht, dass die Steuerreform vorgezogen werden wird.
Wiese: Sie sagen, es muss gemacht werden. Es werden ständig neue Konzepte vorgelegt, beim Publikum zumindest trägt das sicherlich nicht zur Entwirrung bei. Und dann kommt ja auch noch die Frage dazu, lässt sich das alles umsetzen und realisieren, da gibt es den Bundesrat und da blockieren sich die Parteien wieder gegenseitig.
Stegner: Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: Meine Erwartung ist die, momentan hat die SPD ja wenig Freude an den Wahlurnen, das liegt daran, dass wir diese Sozialreformen machen, das liegt daran, dass sie nicht immer besonders gut erklärt werden, das liegt auch daran, dass man sich auch manchmal scheut zu sagen, wofür tun wir das eigentlich, nämlich das wir die Sicherungssysteme funktionsfähig halten. Ich glaube aber, dass die gleiche Reaktion an den Wahlurnen diejenigen erleben würden, die meinen, man könne jetzt blockieren. Das wird sich nicht rechnen, insofern meine ich, muss man jetzt den langen Atem behalten. Ich erwarte, dass man im Vermittlungsausschuss zu vernünftigen Ergebnissen kommt. Ich bin sehr davon überzeugt, dass die Menschen auf die Dauer nicht gegen ihre Interessen handeln und dass auch Politiker zur Vernunft begabt sind, dass also das am Ende herauskommen kann. Und dann sollten wir wirklich, wenn wir diese Sozialreformen auf den Weg gebracht haben, wenn wir eine kommunale Finanzreform haben, wenn wir die Steuerreform vorgezogen haben, wenn wir Subventionsabbau vorangetrieben haben, dann sollten wir in aller Ruhe über Steuervereinfachungen reden. Und Recht gebe ich Ihnen natürlich, es muss nicht jeder in jedes Mikrofon reden und nicht jeder Vorschlag ist von Weisheit geprägt und die Bürger sind teilweise auch zu Recht verärgert, dass manchmal Leute sich auch zu Dingen äußern, von denen sie nichts verstehen.
Wiese: Herr Stegner, das war in den Informationen am Mittag der schleswig-holsteinische Finanzminister, Ralf Stegner, SPD. Danke. Auf Wiederhören, Herr Stegner.
Stegner: Wiederhören.
Wiese: Wie beurteilen Sie denn das Konzept? Eher positiv, eher negativ, eher skeptisch, da gab es ja alle möglichen Stimmen?
Stegner: Also, positiv ist, dass über eine Vereinfachung des Steuerrechts nachgedacht wird, denn das brauchen wir dringend. Man könnte wirklich sagen, dass deutsche Steuerrecht ist bis zu einem gewissen Grad "gaga", man kann das nicht mehr verstehen, selbst Steuerexperten verstehen es nicht mehr und die Bürger schon gleich gar nicht. So dass wir also dringend eine Steuervereinfachung brauchen, allerdings sage ich dazu, ein solches Konzept ist leicht auf dem Papier ausgedacht, es muss natürlich auf Risiken und Nebenwirkungen untersucht werden und damit meine ich weniger den Widerstand, den es gegen jeden solcher Vorschläge dann von entsprechenden Interessengruppen gibt, sondern ich meine, dass wir natürlich sicherstellen müssen, dass die staatlichen Einnahmen da sind, die wir dringend brauchen, um etwa in unser Bildungssystem zu investieren oder andere staatliche Funktionen aufrecht zu erhalten, für die der Staat schlichtweg da ist. Also, insofern im Grundsatz ja, man sollte auch nicht von vorneherein immer alles gleich verwerfen, meine Hypothese ist, wir werden das Jahr 2004 als das große Jahr der Diskussion über Steuervereinfachung haben und da gibt es ja viele Vorschläge und da muss man dann auch vorbehaltlos über alles reden können.
Wiese: Steuervereinfachung, Herr Stegner, ist ja nur ein Punkt in diesem Konzept. Ein anderer ist zum Beispiel Subventionsabbau, Subventionskürzung, zum Beispiel Pendlerpauschale, was sagen Sie dazu?
Stegner: Ich bin sehr für Subventionskürzung, die dürfen allerdings nicht nach dem Sankt Florians Prinzip sein, sondern Subventionskürzungen machen nur dann Sinn, wenn man wirklich alle Bereiche anpackt. Ich habe ja bei Herrn Merz gelesen, dass er das auch nicht tut. Also, er sagt zum Beispiel: Pendlerpauschale weg. Aber Eigenheimförderung soll bleiben wie sie ist, obwohl wir wissen, dass zum Beispiel bei der Eigenheimförderung die Mitnahmeeffekte gerade auch für die Bezieher höherer Einkommen ja doch immens sind. Viele Leute würden die Hilfe nicht brauchen, um Bauen zu können. Also, man muss dann schon konsequent sein und was man wirklich nicht tun darf, ist, zu sagen, Subventionsabbau ja, aber dies, das oder jenes muss außen vor bleiben. Mir läge aber auch daran, dass man sowohl beim Subventionsabbau als auch bei der Steuervereinfachung bei dem Hauptziel bleibt, dass es eine gerechte Form der Veränderung ist, dass heißt nicht die kleinen und mittleren Einkommen im wesentlichen belastet werden, die müssen unter dem Strich entlastet werden, das, finde ich, ist unter dem Strich wichtig. Im Übrigen auch für die Binnennachfrage und die Konjunkturentwicklung.
Wiese: Und sehen Sie das in diesem Konzept?
Stegner: Also, ich habe da gewisse Schwierigkeiten, vor allen Dingen, wenn ich das, was Herr Merz vorschlägt in den Kontext dessen stelle, was seine Partei vorschlägt. Denken Sie etwa an die Vorschläge der Herzog-Kommission, wo es ja ganz große Steuerumverteilung geben soll, wo sollen denn die eigentlich alle herkommen, wenn all das realisiert würde, was Herr Merz vorschlägt? Das heißt also die Gegendeckung dessen, was da vorgeschlagen wird, finde ich, über die muss man reden. Und ich sehe einen anderen Widerspruch auch, Herr Merz ist in seinen Vorschlägen nicht bereit, etwa an das Ehegattensplitting heranzugehen und ich bin wirklich der Meinung, da wir demographische Probleme bei uns haben und da wir nicht so sehr Altersarmut haben, aber große Probleme bei Familien mit Kindern, muss man doch das Vorhandensein von Kindern, wenn überhaupt, steuerlich privilegieren und nicht die schlichte Tatsache, dass Menschen verheiratet sind. Das sind alte Zöpfe, das heißt da ist Herr Merz eben nicht modern, sondern einer doch sehr konservativen Werthaltung verpflichtet. Ich meine, über solche Dinge muss man vernünftig reden, wenn man am Ende ein gerechtes System haben will.
Wiese: Herr Stegner, die von der Bundesregierung geplante Steuerreform verlangt ja nicht zuletzt von den Bundesländern auch einige schwere Opfer ab. Weshalb sie ja auch, wie schon erwähnt, bei den Ministerpräsidenten durchaus umstritten ist. Sehen Sie denn als Landesfinanzminister in dem Konzept von Friedrich Merz Punkte, die Ihnen als solche eher entgegenkommen, als das Steuerpacket der Regierung?
Stegner: Ich glaube, das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Was die Vorschläge der Bundesregierung angeht, hat auch die schleswig-holsteinische Landesregierung, Frau Simonis, gesagt, wir könnten das Vorziehen der Steuerreform wirklich nicht mehr wegsparen in unserem Haushalt, wie übrigens die meisten anderen Finanzminister auch nicht. Aber, man ist ja nicht nur Haushaltsminister sondern man hat Verantwortung für eine gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Deswegen haben wir gesagt, wir tragen dieses mit. Drei Jahre Stagnation, wir brauchen jetzt Impulse für Wachstum und Beschäftigung, wir brauchen die Sozialreform, wir brauchen eine vernünftige Gemeindefinanzreform, übrigens auch dazu sagt Herr Merz: die Gewerbesteuer muss weg. Ich weiß gar nicht, wie das gehen soll. Also, es müssen erst diese Reformen auf den Weg gebracht werden, das, worüber Herr Merz spricht, dass ist das Thema, meine ich, des nächsten Jahres, wenn wir all diese Reformen gemacht haben. Und dann muss man darüber reden, über das, was Kirchhoff will, über das, was Merz will, was Uldall will, was die FDP will. Ich finde, da muss es auch eine sozialdemokratische Position dazu geben und Schleswig-Holstein wird sich daran auch beteiligen. Aber man darf das eine nicht mit dem anderen durcheinander bringen. Ich finde, der Kanzler hat schon Recht, wenn er sagt, wir brauchen auch ein psychologisches Signal, dass es jetzt aufwärts geht und dass Deutschland in Europa eben nicht der letzte Wagen ist, sondern wieder eine Lokomotive werden muss. Dass wir mit unserem 80 Millionen Volk diese Wachstumsimpulse tatsächlich schaffen, dafür ist, glaube ich, das Vorziehen der Steuerreform notwendig und deswegen, so sehr es einen auch schmerzt, bezogen auf die eigenen Länderhaushalte, so sehr muss man sagen, ich glaube, das muss gemacht werden. Und ich sehe ja im Augenblick auch, dass die Diskussion dahin geht, dass die Steuerreform vorgezogen werden wird.
Wiese: Sie sagen, es muss gemacht werden. Es werden ständig neue Konzepte vorgelegt, beim Publikum zumindest trägt das sicherlich nicht zur Entwirrung bei. Und dann kommt ja auch noch die Frage dazu, lässt sich das alles umsetzen und realisieren, da gibt es den Bundesrat und da blockieren sich die Parteien wieder gegenseitig.
Stegner: Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: Meine Erwartung ist die, momentan hat die SPD ja wenig Freude an den Wahlurnen, das liegt daran, dass wir diese Sozialreformen machen, das liegt daran, dass sie nicht immer besonders gut erklärt werden, das liegt auch daran, dass man sich auch manchmal scheut zu sagen, wofür tun wir das eigentlich, nämlich das wir die Sicherungssysteme funktionsfähig halten. Ich glaube aber, dass die gleiche Reaktion an den Wahlurnen diejenigen erleben würden, die meinen, man könne jetzt blockieren. Das wird sich nicht rechnen, insofern meine ich, muss man jetzt den langen Atem behalten. Ich erwarte, dass man im Vermittlungsausschuss zu vernünftigen Ergebnissen kommt. Ich bin sehr davon überzeugt, dass die Menschen auf die Dauer nicht gegen ihre Interessen handeln und dass auch Politiker zur Vernunft begabt sind, dass also das am Ende herauskommen kann. Und dann sollten wir wirklich, wenn wir diese Sozialreformen auf den Weg gebracht haben, wenn wir eine kommunale Finanzreform haben, wenn wir die Steuerreform vorgezogen haben, wenn wir Subventionsabbau vorangetrieben haben, dann sollten wir in aller Ruhe über Steuervereinfachungen reden. Und Recht gebe ich Ihnen natürlich, es muss nicht jeder in jedes Mikrofon reden und nicht jeder Vorschlag ist von Weisheit geprägt und die Bürger sind teilweise auch zu Recht verärgert, dass manchmal Leute sich auch zu Dingen äußern, von denen sie nichts verstehen.
Wiese: Herr Stegner, das war in den Informationen am Mittag der schleswig-holsteinische Finanzminister, Ralf Stegner, SPD. Danke. Auf Wiederhören, Herr Stegner.
Stegner: Wiederhören.