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2015 in Russland
Die Militarisierung der Gesellschaft

Für die Russen war 2015 ein schwieriges Jahr. Der Rubel im freien Fall, die Inflation zweistellig, Lohnkürzungen an der Tagesordnung. Dennoch ist Präsident Wladimir Putin weiterhin populär. Das liegt auch daran, dass er plakativ eine äußere Bedrohung heraufbeschwört - es profitiert das russische Militär.

Von Gesine Dornblüth | 31.12.2015
    Ein SU-24-M-Bomber der russischen Luftwaffe hebt vom syrischen Militärstützpunkt Hmeymim bei Latakia ab.
    Nie führte Russlands Militär so viele Manöver durch wie im Jahr 2015. (picture alliance / dpa / RUSSIAN DEFENCE MINISTRY)
    Ob in Burjatien am Baikalsee, in Südrussland nahe Astrachan, im Japanischen Meer oder gemeinsam mit der chinesischen Marine im Mittelmeer – nie führte Russlands Militär so viele Manöver durch wie im Jahr 2015. Die Fernsehbilder der Hubschrauberkohorten, Kolonnen von Militärfahrzeugen, Fallschirmspringern, Explosionen waren omnipräsent. Höhepunkt war das Großmanöver "Zentr 2015" im September mit 95.000 Mann.
    Russland modernisiert sein Militär. Dazu stiegen die Rüstungsausgaben 2015 erstmals auf mehr als vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Streitkräfte erhielten zahlreiche neue Waffen. Am 9. Mai wurden sie der Öffentlichkeit präsentiert. Das Gedenken an den 70. Jahrestag des Kriegsendes geriet zur Waffenschau.
    "Die künftige Generation der russischen Panzer biegt auf den Roten Platz ein. Der Panzer Armata. Er wird schon bald der wichtigste Panzer des Landes sein."
    Des Weiteren dabei: Flugabwehrsysteme vom Typ BUK, Iskander-Raketen. Zum Abschluss flogen Militärhubschrauber und Jagdflieger über den Roten Platz. Während die zivile Industrie in Russland weiterhin auf eine Modernisierung wartet, verkündete Industrieminister Denis Manturow im "Spiegel": "Die Rüstungsindustrie ist ein Motor des Fortschritts."
    Auch in der russischen Gesellschaft wurde das Militär 2015 immer präsenter. Dazu trugen unter anderem publikumswirksame Veranstaltungen wie die Weltmeisterschaft im "Panzerbiathlon" bei. Panzerfahrer aus 17 Ländern überwanden dabei mit Panzern Hindernisse und schossen. Das Fernsehen übertrug ausführlich.
    "Schauen Sie, wie schnell der russische Panzer fährt! Stolz weht die rote Fahne."
    Populär in diesem Sommer auch das Nachstellen historischer Schlachten. Für Kinder gab es ein Rahmenprogramm, die Schule des kleinen Soldaten. Jungs und Mädchen im Kindergartenalter krabbelten unter Stacheldraht hindurch, liefen durch Schützengräben und schossen, assistiert von Erwachsenen, mit echten Gewehren. Der Kommandeur und Sportdozent Michail Kononenko.
    Militärübungen mit Kindern in Russland
    Militärübungen mit Kindern in Russland (deutschlandradio.de / Gesine Dornblüth)
    "Es ist modern, Uniform zu tragen und zu schießen. Es ist auch in, bei Betriebsfesten schießen zu gehen. Wir führen die Kinder an die Armee heran. Sie sollen schon mal spüren, wie sich eine Uniform trägt. Männer und Frauen müssen wissen, wie man ein Gewehr hält. Sie müssen bereit sein, ihr Vaterland zu verteidigen. Das geht nicht ohne Waffe."
    Eine Umfrage des unabhängigen Lewada-Instituts im Herbst belegte: Das Image der Armee in Russland ist 2015 gegenüber dem Vorjahr erheblich gestiegen. 64 Prozent der Befragten gaben an, der Armee "voll und ganz" zu vertrauen. 2014 waren es noch 43 Prozent. Dass viele junge Russen sich vor dem Armeedienst drücken, steht auf einem anderen Blatt.
    Einsatz auch in Syrien
    Auch der russische Militäreinsatz in Syrien trifft in der Bevölkerung auf große Zustimmung. Ende September begann Russland mit den Luftangriffen. Das Staatsfernsehen sendet Bilder von Kampfjets vor blauem Himmel und Jingles, in denen Explosionen auf Takt geschnitten sind. Der Krieg sieht aus wie in einem Computerspiel.
    Ein russisches T-Shirt mit Syrien-Motiv
    Ein russisches T-Shirt mit Syrien-Motiv (deutschlandradio.de / Gesine Dornblüth)
    Das russische Militär testet in Syrien auch neue Waffensysteme. Es feuerte Marschflugkörper von Schiffen im Kaspischem Meer ab. Raketen starteten auch von einem im Mittelmeer kreuzenden U-Boot. Präsident Putin bei seiner Jahrespressekonferenz:
    "Ein besseres Manöver kann man sich schwer vorstellen. Wir können in Syrien lange trainieren ohne wesentliche Verluste für unseren Haushalt."
    Wegen der Wirtschaftskrise hat Russland den Militärhaushalt 2016 leicht gesenkt. Gemessen am Bruttosozialprodukt bleibt er aber weiterhin hoch.