Dienstag, 07. Mai 2024

Archiv


25.3.1954 - Vor 50 Jahren

Wir berichten vom 4. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands.

Von Harald Kleinschmid | 25.03.2004
    Der Zeitplan war abgesprochen. Am 25. März 1954 hatte die Sowjetunion in einer diplomatischen Note der DDR die volle staatliche Souveränität zugebilligt, insbesondere bei der Herstellung ihrer Beziehungen zu anderen Staaten einschließlich Westdeutschlands. Nur wenige Tage später konnte Ostberlins Nummer eins, Parteichef Walter Ulbricht, den Parteitagsdelegierten die diesbezügliche Begeisterung nicht nur der gesamten DDR-Bevölkerung verkünden.

    Nicht nur die Delegierten des Parteitages, sondern ebenso die Arbeiterklasse und die Bauern und alle patriotischen Deutschen sind von Freude erfüllt, dass die Sowjetregierung entsprechend ihrer grundsätzlichen Stellung in der nationalen Frage der Deutschen Demokratischen Republik die Souveränität gewährt hat. Jeder patriotische Deutsche empfindet, welche große Bedeutung der Beschluss der Sowjetregierung für die Wiederherstellung der Einheit eines friedliebenden demokratischen Deutschland hat. Durch ihn wird die patriotische Volksbewegung in Westdeutschland und in Westberlin gestärkt und die Annäherung beider Teile Deutschlands gefördert.


    Es war eine Hoch-Zeit des Kalten Krieges. Die Weichen für die Teilung Europas waren auf beiden Seiten längst gestellt. Man gab vor, um Details eines Friedensvertrages mit freien Wahlen in ganz Deutschland zu ringen, dabei war der Beitritt der Bundesrepublik wie der DDR zu den im Aufbau befindlichen Militärbündnissen, zu NATO und Warschauer Pakt, schon so gut wie beschlossen. Die vier Großmächte sprachen zwar von Souveränität, verzichteten aber im jeweiligen Einflussbereich keineswegs auf ihre Entscheidungshoheit in relevanten sicherheitspolitischen Fragen. So behielt auch Moskau, wie es in der Note vom 25. März wörtlich hieß, "in der DDR alle Funktionen, die mit der Gewährleistung der Sicherheit in Zusammenhang stehen und sich aus den Verpflichtungen ergeben, die der UdSSR aus den Viermächte-Abkommen erwachsen". Anfang der 70iger Jahre, als unter dem Einfluss der Entspannungspolitik zwischen Ost und West auch das Vier-Mächte- Abkommen über Berlin abgeschlossen wurde, sollte dieser Vorbehalt eine ganz besondere Bedeutung gewinnen. Insbesondere der freie Zugang der Westalliierten nach Ostberlin und die Vier-Mächte-Kontrolle des Berliner Luftraums waren essentiell.

    Tatsächlich blieb die DDR bis in die Ära Gorbatschows Ende der 80iger Jahre unter der politischen Fuchtel des Kreml, gerade wenn es um die Beziehungen zur Bundesrepublik ging. Moskaus Vertreter in Ostberlin wurde im Volk jahrzehntelang als "Regierender Botschafter" bezeichnet. Und auch die Bundesrepublik erhielt samt West-Berlin die volle Souveränität erst, als 1990 mit dem Abschluss der 2 plus 4-Gespräche der Abzug aller Besatzungstruppen aus ganz Deutschland beschlossen wurde. 1954 war das allerdings reine Utopie. Bundeskanzler Konrad Adenauer in einer Regierungserklärung am 7. April.

    Die sowjetische Erklärung vermag jedoch nichts gegen die Tatsache, dass es nur einen deutschen Staat gibt, gegeben hat und geben wird. Und dass es einzig und allein die Organe der Bundesrepublik Deutschland sind, die heute diesen niemals untergegangenen deutschen Staat vertreten. Die so genannte Souveränität des Sowjetzonenregimes wird - dessen sind wir gewiss - ebenso vergehen wie die sowjetische Fremdherrschaft und der kommunistische Terror. Bestehen bleiben wird die unzerstörbare Souveränität des freien deutschen Volkes.

    Adenauers Worte waren weit weniger prophetisch, als sie heute klingen. In ihrer Folge entwickelte sich der Bonner Alleinvertretungsanspruch, die so genannte Hallstein-Doktrin - eine Sackgasse auf dem Weg zur deutschen Einheit, wie man schmerzlich erfahren musste, als die weltweite Anerkennung der DDR letztlich auch durch die westlichen Alliierten vollzogen wurde. Zur Einheit selbst, die von kaum jemandem erwartet wurde, war eine völlig andere weltpolitische Konstellation und nicht zuletzt auch der souveräne Wille der DDR-Bevölkerung zum Sturz des SED-Regimes nötig.