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3.100 Euro Rente am Tag
VW geht Winterkorn nicht ans Geld

Der Vergleich des Wolfsburger Automobilkonzerns mit der US-Justiz ist das Eingeständnis krimineller Handlungen. Damit ist klar: Das Kontrollsystem des Ex-VW-Chefs Martin Winterkorn hat versagt. Dafür sollte der Manager zahlen, fordern einige Politiker, viele schweigen zu dem Thema. Passiert ist bislang nichts.

Von Dietrich Mohaupt | 12.01.2017
    VW-Chef Martin Winterkorn war im September 2015 von seinem Posten zurückgetreten.
    VW-Chef Martin Winterkorn war im September 2015 von seinem Posten zurückgetreten. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschukte)
    Milliardenschwere Straf- und Entschädigungszahlungen in den USA, das FBI hat dort gerade erst wieder einen führenden Manager verhaftet. Nun verschärften die US-Justizbehörden ihre Vertuschungsvorwürfe gegen die Konzernspitze und in Deutschland liegen bereits hunderte Entschädigungsklagen und Anlegerklagen vor. Nein, so richtig gut geht es Volkswagen derzeit wirklich nicht. Inzwischen ist klar - das wird auch Folgen für die Beschäftigten des größten Autobauers Europas haben. VW-Markenvorstand Herbert Diess musste Ende vergangenen Jahres ankündigen:
    "Weltweit bauen wir 30.000 Arbeitsplätze ab - davon rund 23.000 in Deutschland."
    Und ausgerechnet in dieser Situation kam auch noch die Zeitung mit den vier großen Buchstaben kurz nach dem Jahreswechsel mit einem Bericht über die - naja, sagen wir mal recht üppige Betriebsrente für den ehemaligen Vorstandsboss Dr. Martin Winterkorn. Der war im September 2015 von seinem Posten zurückgetreten, nachdem er kurz zuvor die Manipulationen an den Dieselmotoren in weltweit mehr als elf Millionen Autos eingestehen musste. Ende 2016 ging er dann offiziell in den Ruhestand - und bekommt seither 3.100 Euro Rente, pro Tag! Alles nachzulesen im Geschäftsbericht des VW-Konzerns: Grundgehalt Winterkorn rund 1,6 Millionen Euro, davon 70 Prozent pro Jahr bis zum Lebensende - das macht 93.000 Euro im Monat oder eben rund 3.100 Euro am Tag. Respekt - oder nicht?
    Politiker sind empört oder haben resigniert
    Herbert Behrens, Bundestagsabgeordneter und niedersächsischer Landesvorsitzender der Linken, ist fassungslos:
    "Wenn wir darüber reden, dass Winterkorn 3.100 Euro Betriebsrente pro Tag bekommt, dann ist neben der Sprachlosigkeit als Nächstes sofort die Empörung da. Zu Recht - denn niemand kann wirklich mit seiner Hände oder seinem Kopf Arbeit diese Leistungen vollbringen, die einem diesen Betrag einfach moralisch zustehen lässt."
    Und nein, das ist kein Beitrag zur Neiddebatte, die ja angeblich üblicherweise von Linken und Sozialdemokraten immer wieder bei solchen Themen geführt wird!
    Sogar bei FDP-Politikern stößt die Üppig-Rente auf Unverständnis. Jörg Bode zum Beispiel, von Oktober 2009 bis Februar 2013 als niedersächsischer Wirtschaftsminister selbst Mitglied im Aufsichtsrat von Volkswagen, sieht die Luxusrente eher kritisch. Er sieht die Unternehmenskultur als Teil des Problems. Als aktives Aufsichtsratmitglied sei über Abfindungsregelungen durchaus gestritten worden, sagt er:
    "Wir haben zu der Frage Bonuszahlungen durchaus Veränderungen durchgesetzt - aber bei vielen Altverträgen, da gab es halt dann einen Besitzstand und das Verzichten ist dort noch nicht so 'state of the art'."
    Schön gesagt. Ja, rein formaljuristisch ist Top-Managern mit älteren Verträgen - wie eben Martin Winterkorn - in solchen Fragen schwer beizukommen und der Appell an die Moral. Na ja, lassen wir das. Für die Zukunft bleibt also aus Sicht des FDP-Mannes nur:
    "Der ganz klare Auftrag an den Aufsichtsrat von Volkswagen, von dem bestehenden Versorgungssystem abzurücken, dass man weg von diesem Leistungsbezug kommt hin zu einem entsprechenden Beitragsverfahren, dass man selber Beiträge für seine Altersversorgung leistet, oder aber - wie im politischen Bereich - nur für die Zeit wo man tatsächlich tätig war auch einen Anspruch hat."
    Der amtierende Minister, Olaf Lies von der SPD, wollte sich ebenso wenig zu der Debatte über die Rente von Martin Winterkorn äußern wie sein Parteifreund, Ministerpräsident Stefan Weil. Beide vertreten im Aufsichtsrat von Volkswagen das Land Niedersachsen, dem das Unternehmen immerhin zu 20 Prozent gehört.
    Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender von Volkswagen AG, und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) (6.12.16) in der Autostadt in Wolfsburg.
    Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) will sich nicht zur Debatte um Winterkorns Rente äußern. Das Bild zeigt ihn neben VW-Vorstand Matthias Müller (li.) im Dezember 2016 in Wolfsburg. (dpa picture alliance / Julian Stratenschulte)
    Was taten die Kontrollorgane bislang?
    Einfach schweigen - das reicht aber nicht, betont Herbert Behrens von den Linken. Mit Blick auf die Ausgestaltung künftiger Managerverträge dürfte es schon ein bisschen mehr sein:
    "Das heißt für das Land Niedersachsen, dass sie aktiv werden müssen, um in diese Vertragsgestaltung einzugreifen - Niedersachsen ist Anteilseigner - und auch die Mitbestimmung muss sich dieses Problems annehmen. Wir haben ja mit VW ein mitbestimmtes Unternehmen, wo die Hälfte des Aufsichtsrats von Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnen-Vertretern besetzt ist - die müssen jetzt sofort handeln, damit sie auch gegenüber der Belegschaft glaubwürdig bleiben, was die Kontrolle des Betriebes anbetrifft."
    Die Mitbestimmung - gemeint ist damit der Betriebsrat. Dessen Vorsitzender Bernd Osterloh von der IG Metall wollte sich ebenfalls öffentlich nicht zu der Betriebsrente von Martin Winterkorn äußern. Ganz anders der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Wolfsburg, Hartwig Erp:
    "Also ich glaube schon, dass sich dieser Aufsichtsrat darüber unterhalten muss, was muss man eigentlich einem Menschen bezahlen, der so ein Unternehmen führt und dafür muss es ganz einfach Haltelinien geben nach oben. Und ich glaube, es ist gut für uns als IG Metall, nicht nur als Wolfsburger das zu diskutieren, sondern insgesamt für die Dax-geführten Unternehmen: Wo ist eigentlich eine Haltelinie, wenn man das Management oder einen Manager bezahlt?"
    Kronzeugen der US-Behörden könnten die Wende bringen
    Übrigens - das deutsche Aktiengesetz erlaubt es Aufsichtsräten ausdrücklich, in bestimmten Situationen das Ruhegehalt von Vorständen auch nachträglich zu kürzen - wenn sich die Situation des Unternehmens verschlechtert hat und die Pension unbillig für die Gesellschaft wäre. Na dann ... angesichts des von Martin Winterkorn mit zu verantwortenden Diesel-Skandals und der größten Krise der Unternehmensgeschichte meint FDP-Mann Bode:
    "Gerade bei der Person Professor Dr. Winterkorn ist schon ein Unverständnis auch bei mir da, dass er immer noch so viel Geld von Volkswagen bekommt, obwohl er dem Unternehmen so massiven Schaden zugefügt hat. Eigentlich müsste Professor Winterkorn an VW zahlen - und nicht andersrum!"
    Noch ist das offenbar ein frommer Wunsch - der aber mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen in den USA mit Manager-Festnahmen und Berichten über Kronzeugen, die auch Martin Winterkorn konkret belasten, vielleicht sogar schon bald Realität werden könnte.