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3. Friedensgipfel in Assisi

    Engels: Eine Idee, die nach dem 11. September Auftrieb erhielt, nimmt heute konkrete Formen an. In der mittelitalienischen Stadt Assisi hat Papst Johannes Paul II. führende Vertreter der Weltreligionen zum insgesamt dritten Friedensgipfel geladen. Dort soll gemeinsam diskutiert und für Versöhnung gebetet werden. Erwartet werden über 200 Religionsführer, das Spektrum der vertretenen Religionen reicht von Buddhisten über Naturreligionen bis hin zu Juden und Muslimen. Mit Hans Ucko spreche ich nun darüber, welche Erwartungen man an dieses Treffen haben kann. Ucko ist Mitglied des Teams für interreligiösen Dialog beim Ökumenischen Rat der Kirchen. Das ist eine internationale Gemeinschaft christlicher, überwiegend evangelischer und orthodoxer Kirchen.

    Engels: Ihre Organisation ist auch in Assisi vertreten, welche Erwartungen haben Sie denn an das Treffen?

    Ucko: Ich weiß nicht, ob man Erwartungen hat. Es ist ein Ausdruck symbolischer Art, dass wir zusammen sind, und dass wir zusammen sind auf einer spirituellen Ebene. Dass wir nicht hier sind, um zu reden, um von unseren Religionen zu berichten, aber dass wir zusammen sind, weil wir einen Zusammenhang sehen zwischen dem, was wir jetzt nach dem 11. September leben, und das, was unsere Religion uns unterrichtet.

    Engels: Welche Rolle kann denn Religion bei der Bekämpfung oder beim Umgang mit terroristischen Tendenzen spielen?

    Ucko: Erstens müssen wir sehen, dass Religion in diesem Zusammenhang verwendet wird. Dass Religion leider, und nicht nur am 11 September, für Gewalt missbraucht wird. Und dass ein Verbrechen, dass im Namen der Religion begangen wurde, ein Verbrechen gegen die Religion ist. Und das ist vielleicht das, was wir in Assisi demonstrieren können.

    Engels: Nun ist ja auch immer wieder der Nahostkonflikt ein Herd von Gewalt. Gerade im Dialog zwischen Moslems und Juden müsste sich ja noch einiges zum Guten wenden. Gibt es denn Ihrer Meinung nach Anzeichen dafür?

    Ucko: Es gibt glaube ich Anzeichen, aber nicht so groß und so publik. Aber vor einigen Tagen waren, in Alexandria glaube ich, Rabbiner, Scheichs, Imans und Vertreter christlicher Religionen aus Palästina, Israel und Europa zusammen, also, es gibt schon Versuche. Obwohl es natürlich nicht so einfach ist und auch eine Gefahr. Denn man versucht, sich im Namen der Religion zu begegnen, aber wir reden nur miteinander, und es wird nichts Konkretes. Man muss sehen, das hat der Papst ja selbst auch gesagt, dass es jetzt nicht nur eine Verurteilung des Terrorismus gibt und ein gemeinsames Zeugnis, sondern man muss auch sehen, dass es offene Wunden gibt durch Ungerechtigkeit. Also wir dürfen nicht nur einfach beten und es dabei belassen, dann verschlimmert sich es nur.

    Engels: Welche konkreten Projekte würden Sie denn anregen wollen?

    Ucko: Wir können politisch vielleicht nicht soviel leisten, aber wenigstens, dass wir keinen Raum für Konflikte im Namen der Religion geben. Dass wir uns so verbinden, dass unsere Religion nicht dazu verwendet wird, Terrorismus oder Nationalismus oder irgend welche politischen Ziele zu verfolgen, die Unterdrückung eines anderen bedeuten.

    Engels: Nun ist es in Assisi ja so, dass die Religionen miteinander sprechen werden, aber sie werden getrennt beten. Warum ist die Ökumene hier noch nicht so weit?

    Ucko: Dass sollte man nicht so sehen, dass es so weit nicht gehen konnte. Man muss auch realistisch sein. Erstens muss man sich fragen, meinen wir alle dasselbe mit Gebet? Als Christen haben wir ein Verständnis von Gebet, das entweder liturgisch festgelegt, aber auch spontan sein kann. Wir beten im Namen Jesus Christus. Andere Religionen, Hindus, Buddhisten, Moslems, Juden, beten nicht und können nicht im Namen Jesus Christus beten. Und es wäre falsch zu sagen, um es einmal salopp zu formulieren, wir können zusammen beten, wir lieben einander. Denn da muss man fragen, wo enden wir, was ist unser Gottesbild, zwingen wir den anderen, unser Gottesbild anzunehmen? Ich erinnere mich, vor vielen Jahren hat Erich Böll einen Roman geschrieben, "Doktor Murkes gesammeltes Schweigen", und da sprach er von jenem höheren Wesen, das wir verehren. Aber das meinen wir doch nicht, Christen nicht, Juden und Moslems auch nicht. Wir haben eine besondere Beziehung, die ganz eigen ist, im Gebet, und wir sollten das so nicht vermischen. Es gibt zwar, das muss ich wirklich sagen, in kleineren Gruppen Menschen, die sich wirklich gut kennen, die vielleicht eine Pilgerfahrt zusammen gemacht haben, die können vielleicht etwas gemeinsam ausdrücken im Gebet. Aber das kann man nicht mit 200 Leuten und Religionsführern aus aller Welt an einem Tag etablieren.

    Link: Interview als RealAudio