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30. Festival der Raritäten der Klaviermusik in Husum
Das muss in Livekonzerten zum Leben erweckt werden

Seit 1987 pilgern internationale Pianisten und Liebhaber von Klaviermusik jährlich zum Schloss Husum, um beim Festival der Raritäten der Klaviermusik Neues zu entdecken. Zum 30. Jubiläum präsentierte der künstlerische Leiter Peter Froundjian noch Programm mehr als sonst.

Von Elisabeth Richter | 23.08.2016
    Blick auf das Schloss von Husum
    Bereits seit 1987 findet im Husumer Schloss das Festival der Raritäten der Klaviermusik statt. (picture alliance / dpa / Klaus Nowottnick)
    Musik: Stephen Hough, The Rodgers & Hammerstein Transcriptions, The Carousel Waltz
    "Manchmal denke ich, ich muss mit den Armen den Sand immer weg schieben, damit man sieht, dass das Repertoire doch sehr, sehr breit ist."
    Peter Froundjian, Gründer und Leiter der Husumer Raritäten der Klaviermusik möchte den unglaublich reichen Fundus an guter und interessanter Musik jenseits der großen Standardwerke nicht in Vergessenheit geraten lassen. Diese Werke müssen in Livekonzerten zum Leben erweckt werden.
    "Nach 30 Jahren muss ich das immer noch machen. Ich schaue mir die Programme an, und immer wieder gibt es die ‚Französischen Suiten’ oder die ‚Goldberg Variationen’. Ich sage ja nichts gegen die Werke, aber einmal im Jahr haben wir im Sommer ein spezielles Festival, da kommen die Leute hin, um sich in Anführungsstrichen weiterzubilden."
    Szymanowski Quartett zur Eröffnung
    Zu ihrem 30. Festival bieten die "Raritäten der Klaviermusik" wie immer ein breites, wegen des Jubiläums aber auch ausgeweitetes Programm: Zwölf statt sonst acht Konzerte, zwei Matineen statt einer und eine Ausstellung zum 150. Geburtstag von Ferruccio Busoni.
    Und bereits zum dritten Mal werden auch Raritäten der Kammermusik geboten. Zur Festival-Eröffnung kamen das polnische Szymanowski Quartett und der britische Pianist Jonathan Plowright mit zwei so gut wie nie gespielten Klavierquintetten von Lubomir Różycki und Ignaz Friedman.
    Musik: Ignaz Friedman, Klavierquintett c-Moll
    "Das ist ein Kaleidoskop dieser zweite Satz. Es ist sehr selten in ein und demselben Stück eine polnische Polonaise, prägnante mauretanisch-arabische Elemente und ein jüdisches Thema zu finden."
    Marcin Sieniawski, der Cellist des Szymanowski Quartetts. Die Klavierquintette von Różycki und Friedman sind etwa zeitgleich in den Jahren 1915-18 entstanden. Beide Werke stehen klar im spätromantischen Stil mit einigen impressionistischen Einsprengseln. Friedman verbindet in seinem Quintett die zahlreichen folkloristischen Anklänge mit einer hervorragenden Satztechnik. Das Syzmanowski Quartett und Jonathan Plowright überzeugten durch eine sehr fein abgestimmte Balance, und es gelang ihnen auch, sich akustisch exzellent auf den relativ kleinen Rittersaal im "Schloss vor Husum" einzustellen.
    Musik: Theodor Kirchner, Nachtbilder
    Das Auftakt-Wochenende in Husum stand neben dem Kammermusik-Konzert und einem Klavierduo-Abend ganz im Zeichen der vierteiligen Reihe "Young Explorers", die Festival-Leiter Peter Froundjian anlässlich des 30jährigen Jubiläums neu konzipiert hat. Bei diesem kleinen "Festival im Festival" trat zum Beispiel als "junger Entdecker" der Belgier Florian Noack auf. Er spielte unter anderem die "Nachtbilder" von Theodor Kirchner, die an Schumann erinnern.
    Expeditionen in Literaturgebiete
    "Schon als ich 13 oder 14 war, habe ich solche Stücke gespielt und mich immer gefragt, warum sie nie aufgeführt wird. Dann gibt es einen starken Impuls, dieses Stück selbst zu spielen."
    Nach neugierigen Pianisten wie Florian Noack sucht der Festival-Leiter und -Gründer Peter Froundjian:
    "Sie haben sich durch interessante Expeditionen in Literaturgebiete, die hier bisher noch nicht so beackert worden sind, bemerkbar gemacht."
    Musik: Josef Hofmann, Charakterskizzen
    Einer anderer "junger Entdecker" war der Ukrainer Artem Yasynskyy, der atemberaubend souverän höllisch schwere Charakterskizzen von Josef Hofmann spielte. Neben diesen ebenso brillanten wie charmanten Werken bot Artem Yasynskyy auch das selten zu hörende "Holiday Diary" von Benjamin Britten oder Stücke von dem französischen Komponisten Jehan Alain - ein ideales Raritäten-Programm, so Festival-Leiter Peter Froundjian:
    "Ich sehe ich eigentlich die Konzerte hier wie eine Art Ausstellung, bei der jedes Konzert einen Ausstellungsraum repräsentiert, in dem Werke gezeigt werden, die dem Künstler besonders am Herzen liegen und die er sozusagen ausstellt."
    Nicht selten bittet Peter Froundjian die Pianisten auch, bestimmte Werke, die er für besonders interessant hält, extra für die Raritäten einzustudieren. In der Regel geht Froundjian jedoch gern auf die Programmvorschläge der Pianisten ein. Künstler, Festival-Leiter, natürlich auch das Publikum und die Journalisten sind ja in Husum geradezu begierig auf die ungewöhnlichsten Klavier-Neuigkeiten, die man sich vorstellen kann.
    Musik: Roger Sacheverell Coke, 15 Variations & Finale op. 37
    Eine Skurrilität hatte hier Simon Callaghan aus England im Programm: "15 Variationen und Finale" von Roger Sacheverell Coke. Diesen, 1972 verstorbenen britischen Komponisten findet man kaum im Internet geschweige denn in Lexika. Seine anspruchsvollen, nicht leicht zu hörenden Variationen spielte Simon Callaghan mit wunderbarer Klarheit.
    Callaghan stellte sich in Husum ebenfalls in der Reihe "Young Explorers" vor. Er präsentierte auch von Stephen Hough ebenso witzig wie intelligent arrangierte Musical-Melodien von Richard Rodgers.
    Musik: Stephen Hough, The Rodgers & Hammerstein Transcriptions, The March of the Siamese Children
    Vor allem bleiben der unglaubliche Charme und die Delikatesse, die rhythmische Präzision und besonders der Reichtum an Anschlagsnuancen bei Simon Callaghans kultiviertem, technisch makellosem, aber immer berührenden Klavierspiel in Erinnerung. Dieses Konzert kann man schon zu Beginn der diesjährigen Raritäten der Klaviermusik zu einem der Festival-Höhepunkte küren.