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30 Jahre Edition Zeitgenössische Musik
Anschub für junge Komponisten

Der Deutsche Musikrat fördert nicht nur zahlreiche Nachwuchsprojekte wie "Jugend musiziert", sondern unterstützt auch junge Komponisten im Land. 1986 rief er dafür die CD-Edition Zeitgenössische Musik ins Leben, diese feiert nun ihr 30-jähriges Bestehen - und hat auf viele junge Talente aufmerksam gemacht.

Gordon Kampe im Gespräch mit Raoul Mörchen |
    Der Komponist Gordon Kampe
    Hatte seine Porträt-CD bei der Edition Zeitgenössische Musik: Gordon Kampe (Edition Juliane Klein)
    Einer von ihnen ist der mittlerweile renommierte und heute in Essen lebende Komponist Gordon Kampe. Mit ihm hat Raoul Mörchen über die Edition Zeitgenössische Musik und deren Bedeutung gesprochen.
    Jubiläumsfeier "30 Jahre Edition Zeitgenössische Musik"
    Die Edition Zeitgenössische Musikwird 30. Grund genug, dieses traditionsreiche Projekt mit einem Jubiläumstag am 10. Dezember 2016 im Deutschlandfunk Köln zu feiern. Es beginnt um 15 Uhr mit zwei Podiumsgesprächen zum Thema "Musik als Geschichte von heute". Später wird der Festtag mit einem Konzert mit einem Programm aus aktuellsten Produktionen der Edition abgerundet. Der Eintritt ist kostenfrei.
    Weitere Informationen: http://www3.musikrat.de/index.php?id=3217

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Raoul Mörchen: Nur ein paar Jahrzehnte und auch nur mit Einschränkungen konnten sich klassische Komponisten mit ihren Werken allein am freien Markt bewähren, so wie es Jacques Offenbach mit seinem "Orpheus" gelang. Voraussetzung war eine seltene Konstellation, die Übereinstimmung nämlich zwischen künstlerischer Ästhetik und breitem Publikumsgeschmack. Was aber, wenn beide auseinandergehen, wenn der Mainstream Schlager will und Rap und Pop, Komponisten aber so was liefern?
    ((Musik))
    "Gassenhauermaschinensuite", so nennt der Komponist Gordon Kampe sein Quintett für Klarinette, Cello, Akkordeon, Klavier, Schlagzeug und Zuspielung. 2009 komponiert und im Jahr darauf aufgenommen und noch ein Jahr später veröffentlicht in der Edition Zeitgenössische Musik. Seit mittlerweile 30 Jahren stellt die Edition im Auftrag des Deutschen Musikrats junge Komponisten und ihre Werke vor und leistet damit Schützenhilfe auf ihrem schwierigen Weg gegen den Mainstream. Am kommenden Wochenende feiert die Edition ihren Geburtstag mit einem Konzert und einem Symposion hier im Deutschlandfunk, der die Reihe von Beginn an mit unterstützt hat.
    - Und mit der Reihe eben auch den Komponisten Gordon Kampe, herzlich willkommen im "Musikjournal", Herr Kampe!
    Gordon Kampe: Guten Abend!
    Mörchen: Eine CD als Schützenhilfe, kann das funktionieren?
    Kampe: Ja, also, wenn es gerade in so einer relativ prominenten Reihe wie in der Edition Zeitgenössische Musik erscheint, finde ich das schon eine ganz schöne Schützenhilfe. Es ist wie so eine Visitenkarte, die man dann mit sich herumträgt, auch einige Jahre, die relativ häufig gesendet wird, wenn man ein Stück von mir senden will. Insofern kann man schon, glaube ich, davon sprechen, dass es eine Art Schützenhilfe ist in der Tat.
    Mörchen: Ja, aber eher im professionellen Bereich? Die Visitenkarte geben Sie nicht ab bei dem Mann auf der Straße gewissermaßen, sondern bei dem Redakteur, bei dem Verleger vielleicht, bei dem Dramaturgen?
    Kampe: Ja, genau. Also, entweder ... Also, ich habe zum Beispiel einen Verlag, der wird das auch auf seinem Tisch bei einschlägigen Festivals zum Beispiel haben, der wird damit Rundfunkanstalten bemustert haben, Dramaturgen beschickt haben, klar. Das ist aber schon ganz gut. Also, man kennt einfach die Reihe, glaube ich insofern ist es wirklich eine relativ schöne Visitenkarte, die man dann auch einige Jahre mit sich herumtragen kann.
    Mörchen: Ja, die Reihe selbst wird kuratiert, es gibt eine Jury, man kann da nicht einfach Geld auf den Tisch legen und dann ist man da drin, man wird ausgesucht. Wie haben Sie davon erfahren, dass es Sie getroffen hat?
    Kampe: Ja, also, wie gesagt, man kennt diese Reihe, deswegen kannte ich ... Also, das ist bei mir ja schon einige Jahre her, ist ja schon fünf oder sechs Jahre mittlerweile. Und es hat auch einigen Vorlauf, bis man dann sozusagen seine CD bekommt. Und das ist ein relativ einfaches Prozedere ...
    Mörchen: Nee, aber die Mitteilung, dass Sie überhaupt so was produzieren durften, ganz am Anfang, dass man sagt, Sie wurden gewählt, Gordon Kampe, Sie kriegen jetzt eine CD bei uns?
    Kampe: Man bewirbt sich ganz traditionell, man muss also Partituren, CDs, alles, was man so hat, einfach zu diesem Kuratorium schicken. Und dann wird man, wenn man Glück hat, ausgewählt.
    Mörchen: Und dann geht es wie weiter? Haben Sie Mitspracherecht gehabt, wie diese CD am Ende aussehen wird?
    "Man kann sich aussuchen, welche Ensembles mitspielen"
    Kampe: Ja, das ist tatsächlich eine ganz tolle Sache dabei. Man kann sich aussuchen, welche Ensembles da mitspielen, welche Menschen zum Beispiel das Booklet auch schreiben. Und man kann sogar auch das CD-Cover noch mitgestalten, also, was da am Ende drauf ist, auch das kann ich selbst mitgestalten. Insofern ist das wirklich meine ganz eigene, persönliche Visitenkarte gewesen damals.
    Mörchen: Ja, und die Aufnahmen mussten schon vorliegen? Nein, ne, man ...
    Kampe: Nein, wir haben produziert. Also, im Deutschlandfunk oder an anderen Stätten haben wir das richtig produziert.
    Mörchen: Nach welchen Kriterien geht es da? Also, das Portfolio zu vervollständigen oder mal ein Stück aufzunehmen unter diesen guten Bedingungen, was vielleicht sonst ein bisschen zu schwierig wäre?
    Kampe: Ja, genau. Also, man hat endlich dann die Möglichkeit, mit dem Musiker, mit dem man schon immer mal arbeiten wollte, das dann auch zu machen und das einfach unter höchst professionellen Umständen einfach so etwas zu produzieren, eben keinen Live-Mitschnitt zu nehmen, sondern was wirklich von Supertonmeistern aufgenommen zu bekommen in tollen Anstalten und so. Das kriegt man normalerweise ja nicht gebacken. Und deswegen ist das eine tolle Sache.
    Mörchen: Jetzt denken aber die meisten Menschen sicherlich zu Hause: CDs, Platten nimmt man eigentlich auch, um Geld zu verdienen!
    Kampe: Ja, das ist klar, das ist vielleicht so eine Art Umwegrendite gewissermaßen. Also, Geld verdienen ...
    Mörchen: Aber nicht mit dem Verkauf, oder?
    Kampe: Nicht mit dem Verkauf dieser CD, verdiene ich natürlich kein Geld insofern. Aber dadurch, dass es eben diese Visitenkarte ist, glaube ich, hat sich ... Das kann ich natürlich nicht genau eins zu eins nachweisen, aber ich gehe schon davon aus, dass es einfach dadurch, dass es gesendet wurde, ein bisschen publik wurde, zumindest in den Kreisen, die sich dafür interessieren. Und natürlich auch dadurch, dass ich vielleicht den einen oder anderen Auftrag zum Beispiel dadurch, dass es vielleicht einer mochte, vielleicht bekommen habe. Das werde ich nie eins zu eins nachvollziehen können, das ist klar, ja.
    Mörchen: Die Reihe hat angefangen 1986, da war gerade die CD frisch auf dem Markt, galt als Medium der Zukunft. 30 Jahre später sieht es anders aus, es gibt Menschen, die jetzt vielleicht 16, 18, 20 sind, die überhaupt keinen CD-Spieler mehr zu Hause haben. Haben wir das falsche Medium für die Zukunft, für den Komponisten?
    "Auch etwas Schönes zum Auspacken"
    Kampe: Ich bin mir da nicht ganz sicher. Also, gerade diese CD ... Das geht ja nicht nur um die Stücke, die da drauf sind, sondern das ist ja so ein Gesamtpaket. Man kommt wie gesagt in diese Reihe rein, einerseits, dann hat man auch etwas Schönes zum Auspacken, ja, also, das ist wirklich was ... Man hat das in der Hand, das Booklet gehört noch dazu. Das ist alles etwas, was man wirklich in der Hand hat und dann so verschenken kann. Also, ich stelle mir vor ... Weiß ich nicht, wie das ist, wenn man einfach nur so einen Link geschenkt bekommt zum Beispiel.
    Mörchen: Ja, das wäre die Alternative vielleicht. Wir produzieren das so schön, aber stellen das auf Youtube und du kriegst die Links und kannst die deinen Redakteuren oder Verlegern, Freunden, Mama, Papa weiterleiten.
    Kampe: Ja, ich weiß nicht, vielleicht bin ich altmodisch, ich glaube auch schon, dass es einige Leute gibt, die mir da widersprechen würden. Aber einfach so einen Link verschicken hat einfach nicht so dieses Gefühl von ich habe da irgendwie was gemacht, ich habe da was ausgepackt. Aber da gebe ich zu, da bin ich vielleicht ein bisschen altmodisch. Man kann Proust ja auch sich ausdrucken als PDF-Dokument oder so, oder man liest eine schön editierte Ausgabe. Man kommt ja auch über den Winter, wenn man Spaghetti Bolognese und Vitamintabletten einwirft. Oder man macht sich was Schönes zu essen. Und das ist vielleicht ein bisschen diese kulinarische, altmodische Sache, ich habe da wirklich was Schönes in der Hand und kann damit auch was anfangen.
    Mörchen: Ja. Entnehme ich da richtig raus, dass nach 30 Jahren eigentlich dieses Konzept der Produktion eines Tonträgers für Sie noch ein aktuelles ist?
    "Nicht einfach nur ein Live-Mitschnitt"
    Kampe: Ja, gerade insofern, als wirklich die CD ja ein Konzept an sich ist. Also, es wird produziert, das ist nicht einfach nur ein Live-Mitschnitt und eine Dokumentation. Ich denke, das wären zum Beispiel so die Stärken vom Internet, wenn ich zum Beispiel an so was wie die, weiß ich nicht, die Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker oder wo was denke, wo Live-Mitschnitte archiviert werden und man das dann angucken kann. Aber so eine CD, die ist ja in sich auch stimmig. Also, das erste Stück bezieht sich vielleicht auf das letzte Stück, da gibt es Querverbindungen musikalische oder konzeptueller Natur. Und gerade bei diesen CDs von der Edition für Zeitgenössische Musik, da gibt es auch CDs, wo gleichzeitig noch Videodokumentationen zum Beispiel mit drauf sind. Es gibt eine CD von einer Kollegin, da sind auch gleich Videospiele zum Beispiel noch mit drauf. Das heißt, man hat noch wesentlich mehr als nur so einen Mitschnitt von einem Stück.
    Mörchen: Ja, also, das eine habe ich jetzt verstanden, die CD und auch dieses Programm ist aktuell, kann man weiterführen. Wenn Sie jetzt aber ein eigenes Förderprogramm mal für sich oder für jüngere Komponisten auflegen würden, was fehlt noch bei uns? Also, wir haben breite Förderungsstrukturen in Deutschland, die sind wahrscheinlich sogar, gemessen an dem, was es im Ausland gibt, ziemlich gut?
    Kampe: Ja, ich denke schon. Also natürlich, es ist immer ein Jammern auf hohem Niveau gewissermaßen. Wenn man bei uns sagt, man kommt ... Also, man kann schon, ich glaube, im Verhältnis zu anderen Ländern ganz gut arbeiten, wie gesagt, im Verhältnis.
    Mörchen: Ja.
    Kampe: Also, ich denke, was ein bisschen vielleicht zu viel ist manchmal schon, sind solche ... noch den 35. Kompositionswettbewerb zu einem speziellen Thema auszurufen irgendwie. 40.000 Jahre Umberto Eco oder so was, und dann wird ein Kompositionswettbewerb ausgerufen, wo man wieder 1.000 Euro verdienen kann. Das sind glaube ich solche nicht unbedingt nachhaltigen Förderstrukturen, die ich nicht so richtig toll finde. So etwas wie eine CD, dass man auch wirklich was hat, womit man sich auch nachhaltig dann damit noch bewerben kann zum Beispiel, das finde ich eine wirklich ziemlich sinnvolle Fördermöglichkeit. Also, so etwas fehlt, dass vielleicht Komponistinnen und Komponisten, auch jüngere die Möglichkeit haben, ihre Projekte durchzuführen, ohne dass sie auf irgendetwas reagieren müssen, was jetzt gerade zum Beispiel ein Dramaturg ausgedacht hat. Also ...
    Mörchen: Das hat aber zugenommen, ne? Also diese dramaturgische Gestaltung.
    "Gebt mir mal eine Carte Blanche"
    Kampe: Ja, diese dramaturgisch gestalteten Sachen. Also, wenn man das dann mag, dann ist das ja ganz prima, aber häufig sieht man Sachen, da möchte man sich einfach gar nicht mehr bewerben, oder dass man diese unglaublich langen Antragsprosageschichten machen muss, also etwas ... Man wünschte sich, dass man einfach sagt: So, hier, hier habe ich schon was Tolles gemacht, gebt mir mal eine Carte Blanche, eine bestimmte Summe, ein bestimmtes Ensemble, eine Möglichkeit, etwas zu machen, ohne dass man von außen auf irgendwelche Dinge reagieren muss, damit man das überhaupt machen muss. Also, das wären solche Sachen, das gibt es ja auch schon gelegentlich. Oder auch Kompositionswettbewerbe, wo man nicht ausschließlich für ein bestimmtes Ensemble zum Beispiel schreiben muss oder eine bestimmte Idee bedienen muss. Das sind solche Dinge, die ich mir vorstelle, die vielleicht gut funktionieren können. Also, möglichst wenig Vorgaben würde ich mir wünschen.
    Mörchen: Ja. Also die Reihe angefangen hat, die Edition, 1986, sind von den zweien der drei ersten CDs, die erschienen sind, waren Porträts von Adriana Hölszky, Nikolaus A. Huber, bei den beiden haben Sie studiert. Haben die Sie gewarnt vor den Folgen des Komponierens, wenn Sie das zum Beruf machen? Denn ich meine, Sie sind jetzt ziemlich gut durchgekommen, sind jetzt Siemens-Förderpreisträger, also, das läuft eigentlich ziemlich gut, aber das ist ein steiniger Weg dennoch, ne?
    Kampe: Ja klar, natürlich. Also, die beiden haben mich nicht gewarnt, ich glaube, das muss man schon irgendwie selber wissen. Also, wenn ich eine Studentin oder einen Student jetzt, wenn ich zum Beispiel als Musikwissenschaftler unterwegs bin und dann Studienberatung mache ... Sobald man glaube ich den geringsten Zweifel daran hat, dass man vielleicht doch lieber Biologie, Astrophysik oder Polizist werden soll, dann sollte man das wirklich machen. Aber wenn man diesen Zweifel nicht hat, dann hilft ja nichts, dann muss man das einfach machen. Das das ist ganz, da bin ich ganz pathetisch, 19.-Jahrhundert-mäßig drauf. Wenn man das nicht anders kann, dann muss man das machen. Aber in der Tat, man sollte sich nichts vormachen, das ist in der Tat ... Das dauert einige Jahre und man muss ganz, ganz viele verschiedene, fünf, sechs, sieben, acht Jobs gleichzeitig machen, sonst ...
    Mörchen: Ja, Sie fahren ja auch zweigleisig als Musikwissenschaftler noch.
    Kampe: Drei-, vier-, fünf-, sechsgleisig gelegentlich, ja.
    Mörchen: Ja. Also, das sollte man noch ... Irgendwas anderes sollte man noch können können, um es anzubieten dann?
    Kampe: Nur mit einem Bleistift und einem Din-A4-Blatt ein Streichquartett komponieren könnte in der Zukunft vielleicht noch ein bisschen schwieriger werden, ja.
    Mörchen: Herzlichen Dank! Der Komponist Gordon Kampe war bei uns zu Besuch, auch ihm hat die Edition Zeitgenössische Musik eine Porträt-CD gewidmet. Fast 100 Porträts sind es mittlerweile, in 30 Jahren Editionsgeschichte. Der Deutsche Musikrat feiert das Jubiläum am kommenden Samstag mit einem Konzert und einem Symposion ab 15 Uhr hier im Deutschlandfunk, der die Edition ja von Anfang an auch als Produzent begleitet hat. Ja, Gordon Kampe, herzlichen Dank, dass Sie zu uns ins Studio gekommen sind!
    Kampe: Ja, gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.