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350. Todestag von Rembrandt
Ein Superstar der Kunstgeschichte

Talentiert und ehrgeizig: Der niederländische Maler Rembrandt genoss bereits zu Lebzeiten große Wertschätzung. Mit seinem ambitionierten Werk setzte er eine Wende im Kunstgeschmack durch: Nicht mehr das ideale Bild des Menschen war maßgeblich, sondern das ungeschönte, wirkliche.

Von Carmela Thiele | 04.10.2019
    Ausschnitt aus dem Gemälde "Die Nachtwache" (1642) von Rembrandt. Öl auf Leinwand. 363 x 437 cm.
    Ausschnitt aus dem Gemälde "Die Nachtwache" (1642) von Rembrandt. Öl auf Leinwand. 363 x 437 cm. (Rijksmuseum Amsterdam / imago stock&people)
    Kunst kann Zeit und Raum außer Kraft setzen. Vielleicht hat Rembrandt das gewusst – oder zumindest geahnt. Der Maler der berühmten "Nachtwache" glaubte an die Macht künstlerischen Schaffens und senkte selbst bei ihm lästigen Porträtaufträgen seine Ansprüche nicht. Er spielte mit dem Licht, baute geheimnisvolle Räume und malte Männer, Frauen und Kinder, in deren Gesichtern sich das Leben spiegelte. Zu absoluter Hochform lief er auf, wenn er für seinesgleichen arbeitete, für Kenner und Sammler. So entstanden erstaunlich vielstimmig komponierte Radierungen wie das Bildnis von Jan Six. Die aus den 1640er-Jahren stammende Grafik zeigt einen noch jungen Mann mit langem Haar, der mit dem Rücken am Fensterbrett lehnt.
    David de Witt vom Rembrandthuis in Amsterdam: "Da steht Jan Six, ganz entspannt, aber konzentriert und beherrscht, liest und natürlich denkt, nachdenkt. Er zeigt in seiner Körperhaltung auch diese Leichtigkeit auch in seinem Gesicht, nicht mit großen Emotionen, aber mit gutem Fokus."
    Keine Zugeständnisse an Qualität
    Das Bildnis ist das Ergebnis von Talent, Übung und dem Versuch, das Vielschichtige natürlich erscheinen zu lassen. Der 1606 in der niederländischen Stadt Leiden geborene Rembrandt Harmenszoon van Rijn gelangte früh zur Meisterschaft. Bereits mit Anfang 20 zogen er und sein Freund Jan Lievens mit ihrer Ateliergemeinschaft Schüler an. Später sollen es bei Rembrandt insgesamt bis zu 50 geworden sein. Sein Ruhm wuchs stetig, obwohl - oder weil er an die Qualität keine Zugeständnisse machte.
    David de Witt: "Wo andere Künstler vielleicht 20 Aspekte beherrschten, hat Rembrandt 100. Rembrandt zeigt im Austausch mit seinem Freund, was er kann und was er macht, für einen Kenner. Das motiviert Rembrandt. Und Rembrandt will auch zeigen, in der Figur selbst von Jan Six, eine Idee von Lässigkeit, Sprezzatura."
    Rembrandt als Denker
    Rembrandt kannte die Tradition der Kunst, ohne in Wien, Rom oder in Venedig gewesen zu sein. Er holte die Welt in sein Atelier, indem er Druckgrafiken von Dürer, Raffael oder Lucas van Leyden erwarb. Er interessierte sich für persische Textilien, antike Skulpturen und die Wunder der Natur, für Korallen, Muscheln und Schneckenhäuser. Solche Objekte verwendete er für seine Historienbilder, die meist biblische Geschichten interpretieren. Eine seiner innovativsten Bildschöpfungen dieser Art ist das "Hundertguldenblatt".
    David de Witt: "Man sieht die Heilung der Kranken, die Kinder, die zu Jesus kommen, Jesus' Predigt, aber man sieht auch Luther und Erasmus und Sokrates, erstaunlicherweise, an der Seite von Jesus. Das ist eine Art Kommentar auf die Geschichte von Weisheit, des Denkens. So zeigt sich Rembrandt als Denker. Es ist eigentlich nicht ein Thema, dass von einem Kunstwerk schon repräsentiert wurde, sondern er hat es selbst zusammengebracht als ein sehr kompliziertes Statement. Das sieht man öfter bei Rembrandt."
    Die Kunst reformiert
    Ein ambitionierter Historienmaler wie Rembrandt legte es darauf an, seine Kenntnis wichtiger Texte zu demonstrieren, indem er sie in eine bildnerische Form brachte, sagt David de Witt. Die szenische Darstellung gäbe dem Künstler zudem Gelegenheit, alle Aspekte der Malerei, von der Landschaft bis zur Figurenmalerei, einzusetzen. Dahinter stehe die Idee des "großen Malers".
    "Rembrandt wollte die Kunst verbessern, und er wollte immer der große Künstler sein. Er konnte sehr lang leben für seine Zeit und arbeiten, und es wird von ihm gesagt, dass er immer arbeitete, dass er nur kurze Pausen genommen hat, und dass er kein schlechtes Leben führte. Er hat eigentlich die Kunst reformiert, durch die Wirklichkeit, die Natur wieder einzuführen, das war seine Idee, nicht die Idealisation, aber die Natur war wichtig."
    Von seinem Streben ließ Rembrandt selbst nach vielen Schicksalsschlägen nicht ab. Als er am 4. Oktober 1669 im Alter von 63 Jahren starb, war sein Hab und Gut einer Zwangsversteigerung zum Opfer gefallen. Sein Werk jedoch ist bis heute lebendig.