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425. Geburtstag des Astronomen Adam Schall von Bell
Reformator des traditionellen chinesischen Kalenders

In der Antike und im Mittelalter haben europäische Astronomen oft von den Kenntnissen ihrer Kollegen im arabischen Raum, in Indien oder Fernost profitiert. Aber auch umgekehrt gab es Wissenstransfer: So reformierte der Jesuit Adam Schall von Bell den traditionellen chinesischen Kalender. Heute vor 425 Jahren wurde er geboren.

Von Dirk Lorenzen | 01.05.2017
    Adam Schall von Bell SJ, Astronom (1592-1666).
    Der Astronom Adam Schall von Bell (Bell)
    "Alles, was wir in diesem Reich tun, hat Pater Adam mit seiner Arbeit und dem Eifer, mit dem er unsere Sache in Peking vertritt, möglich gemacht."
    So urteilte der Obere des Jesuitenordens in China, Pater Furtado, über seinen Mitbruder Adam Schall von Bell. Der war am 1. Mai 1592 in oder bei Köln zur Welt gekommen und nach dem Studium der Mathematik und Astronomie in Rom nach Ostasien gereist. In Macao erlernte er einige Jahre lang die chinesische Sprache und ließ sich 1623 in Peking nieder. Dort machte Adam Schall von Bell mit seinen exzellenten Kenntnissen bald von sich reden, erklärt Jesuitenpater Klaus Schatz, Professor für Kirchengeschichte an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main:
    "Die Jesuiten, die hatten dort eine Kompetenz speziell in naturwissenschaftlichen Dingen, die von den Chinesen anerkannt wurde – und auch von denen anerkannt wurde, die ansonsten mit der religiösen Botschaft gar nichts am Hut hatten."
    Die Harmonie zwischen Himmel und Erde wiederherstellen
    Schon vor der Ankunft Schall von Bells hatten Jesuiten in Peking gewirkt. Natürlich ging es im Kern um die Missionsarbeit und die Patres wussten sich schnell unentbehrlich zu machen – insbesondere der Neuankömmling, der eine wahre Herkulesaufgabe schultern musste:
    "Vom Kaiser mit der Reform des Kalenders beauftragt zu werden, das war keine nebensächliche Sache. Sondern für China war der Kalender das, was letzten Endes Harmonie zwischen Himmel und Erde garantierte. Wenn der Kalender nicht mehr stimmte, war irgendwie die kosmische Ordnung gestört."
    Die chinesische Welt war etwas aus den Fugen, die Berechnungen zu den Vorgängen am Himmel stimmten nicht mit mehr mit den Beobachtungen überein – und Adam Schall von Bell sollte die kosmische Ordnung wiederherstellen.
    "Der Beruf war an sich Direktor des kaiserlichen astronomischen Amtes. Also man könnte fast sagen: Kalenderminister. Er war der erste, der dieses Amt ausübte, natürlich war er auch Missionar, hat auch zwischendurch in Missionsstationen gewirkt, aber herangezogen wurde er für diese Sachen."
    Reform mit großem interkulturellen Verständnis
    Adam Schall von Bell übersetzte Fachbücher und Logarithmentafeln ins Chinesische und entwickelte binnen fünf Jahren einen neuen Kalender. Der zeugte von großem interkulturellen Verständnis und vereinte modernes astronomisches Wissen mit chinesischen Traditionen – was Schall von Bell prompt Kritik mancher Glaubensbrüder einbrachte.
    "Er hatte bei einem Kalender mitgewirkt, bei dem natürlich auch, wie man sagte, viel Aberglauben drin war. Das heißt, Glücks- und Unglückstage für Hochzeiten, sonstige Unternehmungen, Reisen, das war alles im Kalender eingetragen. Wie hat sich Schall von Bell gerechtfertigt? Er sagte, dass nicht jeder Glaube des Einflusses der Gestirne auf den Menschen schon Aberglauben ist."
    Bell verwahrte sich stets gegen alle Unterstellungen, seinen Glauben verraten zu haben:
    "Weder vor dem Kaiser noch vor einem anderen habe ich mich jemals des Evangeliums geschämt. Ich habe jede Gelegenheit ausgenützt."
    Der die "Geheimnisse des Himmels ergründende Lehrer"
    Nach dem Wechsel zur Qing-Dynastie 1644 wurde er väterlicher Freund des neuen, erst sechsjährigen Mandschu-Kaisers. Bis zu dessen Tode 17 Jahre später war Schall von Bell auf dem Höhepunkt seiner Macht: Er trug den Titel Mandarin erster Klasse und wurde engster Berater des Kaisers – eine Position, die nie ein anderer Ausländer erlangt hat. Der Einsatz für Kalender und Staatswesen war keineswegs Selbstzweck, betont Klaus Schatz:
    "Schall von Bell selbst wird auf einer Inschrift vorgestellt als die 'Geheimnisse des Himmels ergründender Lehrer'. Der Himmel, das war natürlich gleichzeitig die Lehre vom Herrn des Himmels, aber natürlich auch Astronomie. Also, die Dinge gingen da ineinander über. Und von da aus glaubten die Jesuiten irgendwie, dadurch dass sie zeigten, sie verstanden mehr von den Dingen des Himmels, auch von Sonnen- und Mondfinsternissen mehr, dadurch also einerseits Mythen überwinden zu können, andererseits den Weg zur Anerkennung eines Schöpfergottes bereiten zu können."
    Der allerletzte Triumph aber, die Taufe des chinesischen Kaisers, blieb Adam Schall von Bell verwehrt. In seinen letzten Jahren wurde er Opfer von Palastintrigen, zum Tode verurteilt und wieder begnadigt. 1666 ist er an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben. Der von Adam Schall von Bell reformierte traditionelle chinesische Kalender gilt bis heute.