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450. Geburtstag des Malers
Caravaggio - hochdramatisches Gefühlstheater auf der Leinwand

Ein genialer Maler, um den sich zahllose Mythen ranken: Michelangelo Merisi da Caravaggio malte in den knapp 40 Jahren seines Lebens gegen die akademischen Regeln an - und war schon zu Lebzeiten weit über Italiens Grenzen berühmt.

Von Anja Reinhardt |
    Das Ölgemälde Die Opferung Isaaks von Michelangelo Merisi alias Caravaggio (1571-1610)
    Caravaggios "Die Opferung Isaaks" von 1603 - mit seinen naturalistischen und affektgeladenen Gemälden wurde der Maler zum Kunst-Star seiner Zeit (imago stock&people / Leemage)
    "Laß’ andere die Dinge nur vortäuschen, verschatten und kolorieren, du machst sie lebendig und wahr."
    Marzio Milesi, Jurist, Dichter und Freund Caravaggios, ist vom Genie des Malers überzeugt. Er ist damit nicht alleine, denn die Eliten in Rom sind um 1600 ganz verrückt nach den naturalistischen und affektgeladenen Gemälden des jungen Mannes. Zwischen dem zeitgenössischen und dem heutigen Ruhm liegen rund drei Jahrhunderte, in denen seine Rolle in der Kunstgeschichte weit weniger bedeutend ist. Das verdankt er maßgeblich seinem Biografen Giovan Pietro Bellori, der wenige Jahrzehnte nach Caravaggios Tod dessen Künstler-Vita veröffentlicht. Persönlich sind sie sich nie begegnet, Bellori greift auf Quellen zurück, die mitunter durchaus zweifelhaft sind, wie auf diesen Brief eines römischen Kardinals.
    "Zu meiner Zeit lernte ich in Rom einen Maler kennen, der schmutzige Manieren hatte und immer in zerrissener, staunenswert besudelter Kleidung herumlief, und er lebte dauernd unter den Küchenjungen der Herrschaft des Hofes. Dieser Maler hat in seiner Kunst nie etwas Gutes produziert außer Kneipenwirten und Spielern, oder handlesenden Zigeunerinnen oder Mißgestalten und jenen Elenden, die die Nacht auf den Plätzen verbringen."

    Von Neidern gezielt verunglimpft

    Was Caravaggio im 17. Jahrhundert nachhaltig als Künstler diskreditiert, macht seinen heutigen Ruhm aus, der Genie und Wahnsinn verbindet: Geschichten von Prostituierten als Modell für die Heilige Muttergottes, Homosexualität und Sodomie – aus heutiger Sicht kann man von den zahlreich in die Welt gesetzten abenteuerlichen Gerüchten getrost als gezielte Falschmeldungen seiner Neider sprechen. Diese Erkenntnis ist vor allem der Forschung der Kunsthistorikerin Sybille Ebert-Schifferer zu verdanken:
    "Ich gehe jetzt mal gegen die Klischees an und gucke, was wir dann eigentlich gewinnen, wenn wir aus den Bildern heraus ohne überhaupt in die Biographie zu gucken, versuchen zu verstehen, was dieser Maler eigentlich geleistet hat. Und dann kommt ein durchaus immer noch und vielleicht noch mehr faszinierender Maler heraus, der höchst sensibel, höchst clever und höchst intellektuell ist. Also wirklich ein Künstler-Künstler. Einer der fürs Malen lebt und vom Sehen lebt."

    Von Mailand nach Rom

    Michelangelo Merisi da Caravaggio wird am 29. September 1571 in Mailand geboren, seine Eltern stammen aus dem Ort Caravaggio. Im Alter von zwölf Jahren beginnt seine künstlerische Ausbildung, die er nach vier Jahren abschließt. Mit Anfang 20 zieht es ihn nach Rom, wo er nach wenigen Jahren mit drei Bildern in der Contarelli Kapelle der Kirche San Luigi dei Francesi über Nacht berühmt wird. Die "Berufung" und das "Martyrium des Heiligen Matthäus" malt er als hochdramatisches Gefühlstheater, das von oben kommende Licht leuchtet als göttlicher Funken.
    Leidensdarstellung in der Kunst - Zwischen Schmerz und Auferstehung
    Künstler aller Epochen beschäftigen sich mit Leid. Vom Leiden Christi bis zum Schlachtengemälde. Mit plastischen bis grausigen Details. Ein Gespräch mit dem Chef der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Bernhard Maaz.

    Jahrelange Flucht vor dem Gesetz

    Körper, Stoffe, Räume haben eine Plastizität, die hyperreal wirkt. Damit bedient Caravaggio das Programm der Gegenreformation, mit dem die verlorenen Schäfchen in den Schoß des römischen, also wahren Glaubens zurückgeholt werden sollen. Merisi zählt bald zu den bestbezahlten Künstlern Roms und kann sich die Attitüde eines Adeligen leisten - damit auch das Tragen eines Schwertes, das er im Streit Kontrahenten auch mal auf den Kopf schlägt. Und mit dem er 1606 einen Mann dann so schwer verletzt, dass dieser stirbt. Hier beginnt die Geschichte des Gesetzlosen auf der Flucht: Neapel, Malta, Sizilien, Neapel. Unzählige Male wird in Filmen und in der Literatur vom gehetzten Künstler erzählt, der keine Kontrolle über sein Temperament hat.
    In Caravaggios Bild "Der ungläubige Thomas" um 1595/1600 wird neugierig die erlangte Wunde von den Beteiligten betrachtet.
    Von Florenz nach Preußen -"Wege des Barock"
    Spektakulär, dramatisch, monumental: Der römisch-katholische Barock beeinflusste die Kunst des 18. Jahrhunderts in ganz Europa. Das Museum Barberini in Potsdam zeichnet nach, wie die Gemälde Caravaggios und anderer Großmeister bis ins protestantische Preußen ausstrahlten.
    "Dies ist der große Michelangelo Caravaggio, der große Urmaler, Wunder der Kunst, Staunen der Natur, wenn auch in der Folge Zielscheibe eines schändlichen Schicksals."
    Schreibt kurz nach dem Tod Caravaggios ein ihn bewundernder Künstler. Auch um sein Ende ranken sich Mythen um Mord und Totschlag. Mit hoher Wahrscheinlichkeit starb Michelangelo Merisi da Caravaggio 1610 an einer unbestimmten Krankheit in Porto Ercole. Die Hochdramatik seiner Bilder hat sich auch über seine Lebensgeschichte gelegt.