
Lange hat die Politik um einen Nachfolger für das befristete Neun-Euro-Ticket gerungen - jetzt steht fest: Das Deutschlandticket soll am 1. Mai 2023 an den Start gehen. Darauf haben sich Bund und Länder am 27. Januar geeinigt. Am 1. Februar brachte das Bundeskabinett den entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg. Nach der ersten Lesung im Bundestag (am 9.2.2023) muss nun der Verkehrsausschuss über Details des Gesetzes beraten.
Bundesverkehrminister Volker Wissing (FDP) nannte die Einigung eine "Riesenreform". Dahinter verberge sich viel mehr als nur ein anderer Preis. Man habe komplizierte und komplexe Strukturen überwunden. "Es wird einfacher und attraktiver den ÖPNV zu nutzen - und natürlich kostengünstiger."
Bereits ab April kann das Ticket für einen Einführungspreis von 49 Euro im Monat gekauft werden. Kommunen und Verkehrsverbände bleiben kritisch.
- Wofür soll das 49-Euro-Ticket gelten?
- Wer finanziert das 49-Euro-Ticket?
- Wie erfolgreich war der Vorgänger, das Neun-Euro-Ticket?
- Macht ein 49-Euro-Ticket den ÖPNV attraktiver?
- Mit welcher Nachfrage rechnen Experten beim 49-Euro-Ticket?
- Wer profitiert von einem 49-Euro-Ticket, wer nicht?
- Was bringt ein 49-Euro-Ticket für den Klimaschutz?
Wofür soll das 49-Euro-Ticket gelten?
Inhaberinnen und Inhaber sollen mit dem Ticket bundesweit den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr nutzen können. Züge des Fernverkehrs wie Intercity, Intercity-Express und Eurocity sind ausgenommen. Das Ticket ist jeweils für einen Monat gültig und wird automatisch verlängert, wenn der Inhaber nicht rechtzeitig kündigt.
Wer finanziert das 49-Euro-Ticket?
Bund und Länder werden das sogenannte Deutschlandticket von 2023 bis 2025 mit jährlich drei Milliarden Euro bezuschussen, um Einnahmeausfälle bei Verkehrsanbietern auszugleich. Diese Kosten werden zu gleichen Teilen zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Es sei Einvernehmen darüber erzielt worden, dass die anfallenden Kosten, hälftig getragen werden, sagte Niedersachsen Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nach der gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz Anfang Dezember 2022.
Darüber hinaus stellt der Bund zusätzliche Regionalisierungsmittel für den ÖPNV in Höhe von einer Milliarde Euro jährlich zur Verfügung. Diese werden jährlich um drei Prozent erhöht (bisher 1,8 Prozent). Mit diesem Geld vom Bund bestellen die Länder Busse und Bahnen bei den verschiedenen Verkehrsunternehmen.
Unklar ist jedoch, wie man mit möglichen Mehrkosten umgehen will. Der Deutsche Landkreistag hat die Entscheidung, das 49-Euro-Ticket zum 1. Mai einzuführen, scharf kritisiert. Es wäre ein Unding, wenn die kommunalen Verkehrsbetriebe die Kosten tragen müssten, die Bund und Länder nicht abdecken, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager, am 30. Januar der FAZ. An jeder Ecke werde nachgebessert werden müssen. Bereits im Dezember hatte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk gefordert, dass finanzielle Defizite, die durch Einführung des Deutschlandtickets bei den Verkehrsunternehmen entstehen können, durch Bund und Länder ausgeglich werden sollten.
Bundesverkehrsminister Wissing (FDP) wollte bislang eine Übernahme der möglichen Mehrkosten nicht zusagen. Was die Einführung koste, werde man erst 2024 wissen. "Dann wollen wir ohnehin über das Ticket und die weitere Entwicklung mit den Ländern reden", zitierte ihn die "Welt am Sonntag".
Der Gesetzentwurf zum 49-Euro-Ticket lässt offen, ob es auch in kommenden Jahren beim Preis von 49 Euro bleibt. Dort ist lediglich von einem Einführungspreis von 49 Euro pro Monat die Rede.
Und am Ende hat auch noch Brüssel ein Wörtchen mitzureden: Die EU-Kommission muss das Vorhaben billigen - und ob sie das tut, ist noch unklar. Nötig ist die Zustimmung, weil der Bund Umsatzeinbußen der Verkehrsunternehmen mit Milliardensummen kompensiert. Dadurch werden beihilferechtliche Fragen auf EU-Ebene berührt. Die Bundesregierung steht mit der Kommission darüber im Austausch. Gibt Brüssel kein grünes Licht, könnte das Projekt noch scheitern.
Wie erfolgreich war der Vorgänger, das Neun-Euro-Ticket?
Über die drei Monate im Sommer 2022 haben die Verkehrsverbünde in Deutschland insgesamt 52 Millionen Neun-Euro-Tickets verkauft. Bei einer repräsentativen Studie im Auftrag des VdV gaben 49 Prozent der Befragten an, sie hätten im Juli ein Neun-Euro-Ticket gekauft. Top-Kaufgrund war demnach der günstige Preis.
Allerdings war die Nachfrage auf dem Land, wo Angebot und Taktung von Bussen und Bahnen meist geringer sind, nur halb so groß wie in dichter besiedelten Gegenden Deutschlands. Häufigste Gründe, sich das Ticket nicht zuzulegen, waren kein Bedarf (37 Prozent), Präferenz fürs Auto (35 Prozent) und umständliche Verbindungen (33 Prozent).
Macht ein 49-Euro-Ticket den ÖPNV attraktiver?
Davon gehen Experten und Politik aus. Vor allem der günstige Preis und das einfach zu verstehende System dürften eine Nutzung des ÖPNV attraktiver machen - gerade für Gelegenheitsfahrer und -fahrerinnen. Für diese sei es ein großes Hemmnis, das komplizierte System der Tarife und einzelnen Verkehrsverbünde zu verstehen, sagte Thorsten Koska, Co-Leiter des Forschungsbereichs Mobilität und Verkehrspolitik beim Think Tank Wuppertal Institut. Bereits das einheitliche Ticket im Sommer schaffte hier Abhilfe.
Allerdings gibt es weiterhin viel Verbesserungsbedarf im öffentlichen Personennahverkehr. Es hapere im ÖPNV auch an der Zuverlässigkeit, meint Koska. Ein weiterer wichtiger Baustein seien dichtere Netze, vor allem auf dem Land, aber nicht nur dort: „Der ÖPNV muss in der Fläche besser werden, und der Takt muss dichter werden.“ Ein Ziel wäre für den Mobilitätsexperten, dass in Großstädten alle fünf Minuten ein Bus oder eine Bahn komme, auf dem Land müsse „öfter als nur mehrmals täglich was fahren“.
Mit welcher Nachfrage rechnen Experten beim 49-Euro-Ticket?
Der Think Tank Agora Verkehrswende erwartet durch ein 49-Euro-Ticket eine gestiegene ÖPNV-Nachfrage - vor allem in großen Städten. Thorsten Koskas Wuppertal Institut erwartet allerdings, dass die Nachfrage nach einem Ticket für 49 Euro im Monat mit Abstand kleiner ausfallen wird als bei der Neun-Euro-Variante. Studien zur Kaufbereitschaft gingen von etwa einem Viertel der Nachfrage aus.
Bei einem 29-Euro-Ticket wie etwa von der Verbraucherzentrale Bundesverband gefordert, läge die Kaufbereitschaft laut Koska dagegen doppelt so hoch. Eine solche Variante kündigte etwa Berlins Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) an. "In Berlin gibt es viele Menschen, die 49 Euro im Monat nicht aufbringen können", sagte sie nach der Grundsatzeinigung mit dem Bund.
Wer profitiert von einem 49-Euro-Ticket, wer nicht?
„Für Pendlerinnen und Pendler ist es sicher interessant“, meint Mobilitätsexperte Thorsten Koska vom Think Tank Wuppertal Institut. Auch bei regelmäßigen Wochenend-Ausflügen würde sich ein 49-Euro-Ticket schnell rechnen. Koska gibt aber auch zu bedenken: „Vermutlich weniger erreicht werden einkommensschwache Menschen."
Das kritisierte unter anderem die Verbraucherzentrale Bundesverband. Deren Vorständin Jutta Gurkmann sagte: "Insbesondere Empfängerinnen und Empfängern von Transferleistungen, aber auch Geringverdienenden ohne staatliche Leistungen hilft ein 49-Euro-Ticket wenig." Auch die Linken-Parteichefin Janine Wissler kritisierte das geplante Ticket als zu teuer: "Leider wird es weiter viele Menschen geben, die sich dieses Ticket nicht leisten können." Wissler forderte perspektivisch einen kostenlosen und ausgebauten Nahverkehr für alle.
Rabatte für Einkommensschwache sind beim 49-Euro-Ticket laut Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nicht geplant. Auch Fernverkehrspendlerinnen und –pendler werden nichts davon haben, da es nur für den Nah- und Regionalverkehr gelten soll.
Das Deutschlandticket wird allerdings künftig auch als Jobticket angeboten. Arbeitgeber übernehmen dann für die Fahrkarte einen Teil der Kosten für ihre Angestellten. So können sie mindestens 25 Prozent zum Ticketpreis beisteuern. Arbeitnehmer zahlen somit weniger für das 49-Euro-Ticket.
Studierende sollen beim Kauf des Deutschlandtickets ihr Semesterticket verrechnen können. Ausgehend vom Betrag ihres Semestertickets müssen sie nur die Differenz bis zum Preis von 49 Euro für das Deutschlandticket bezahlen. Diese sogenannte „Upgrade“-Regelung soll schon zur Einführung des Tickets zum 1. Mai gelten.
Was bringt ein 49-Euro-Ticket für den Klimaschutz?
Die Verkehrsverbünde schätzen in ihrer Bilanzstudie, das Neun-Euro-Ticket habe pro Monat etwa 600.000 Tonnen CO2-Emissionen verhindert; hochgerechnet aufs Jahr wären das rund sieben Millionen Tonnen. „Das wäre schon ein deutlich spürbarer Effekt“, allerdings "noch nicht das, was wir brauchen, um die Klimaziele zu erreichen", stellt Thorsten Koska vom Think Tank Wuppertal Institut fest. Insgesamt verursache der Verkehrsbereich in Deutschland jährlich CO2-Emissionen von mehr als 160 Millionen Tonnen. Die Klimabilanz des 49-Euro-Tickets dürfte allerdings schlechter ausfallen als beim Neun-Euro-Ticket, da es wahrscheinlich deutlicher weniger Menschen dazu bewegen wird, auf den ÖPNV umzusteigen.
Quellen: DLF, dpa, ZDF, rbb, VdV, cc, fm, mg, sima